Tatsache des Monats

„Ich verklage dich…äh, Sie!“

Die Sprache der Politik ist nicht immer nur eine Frage des Inhalts, sondern auch der Anrede. Ein Kläger, der in seiner Partei das „Du“ nicht als selbstverständlich hinnahm, wollte sich vor Gericht das „Sie“ erstreiten – und das Amtsgericht Brandenburg setzte hier Grenzen. Ob Partei oder Gewerkschaft, Mitglieder müssen sich offenbar mit einer gewissen Duz-Kultur anfreunden.

Der Kampf ums „Sie“

Der Kläger, Mitglied einer politischen Partei, fühlte sich durch das „Du“ seitens seiner Parteigenossen in seiner persönlichen Ehre verletzt. Sein Anliegen: eine gerichtliche Feststellung, dass die Anrede mit „Du“ zu unterlassen sei.

Das Amtsgericht Brandenburg lehnte das Anliegen ab und erklärte, dass das „Du“ in Parteien und Gewerkschaften nicht nur Usus, sondern Ausdruck der Zusammengehörigkeit sei. Wer Teil dieser Gemeinschaften wird, erklärt sich – zumindest im kommunikativen Sinne – bereit, die Sprachgewohnheiten zu akzeptieren.

„Du“ als Traditionspflicht?

Das Gericht verwies auf die allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz des „Dus“ in Parteien und Gewerkschaften und stützte sich dabei auf das Urteil des LAG Hamm von 1998, das ähnliche Grundsätze formuliert. Laut § 1 Abs. 1 Nr. 3 BbgSchlG musste der Kläger zudem zunächst versuchen, den Streit außergerichtlich zu lösen, bevor eine Klage möglich ist.

Das Gericht sah auch die Begründung des Klägers als unzureichend an, da das „Du“ im Vereins- und Parteiwesen in Deutschland gang und gäbe sei und weder das Grundgesetz noch die Würde des Klägers verletze. Auch das BVerwG hat bereits in anderen Fällen anerkannt, dass das Selbstbestimmungsrecht bezüglich der Anrede kulturell eingebettet ist und keine universelle Gültigkeit besitzt. Die Entscheidung führte somit die lange Tradition fort, dass in politisch-gesellschaftlichen Zusammenhängen ein „Sie“ eher als distanziert gilt.

AG Brandenburg a. d. Havel, Beschl. v. 28.12.2021, Az. 31 C 148/21

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