Tatsache des Monats

Barrierefreie Akteneinsicht? Nur wenn es nicht anders geht

Ist ein Anwalt sehbehindert oder blind, kann er Akteninhalte nicht bzw. nicht so einfach gründlich lesen. Das Gesetz sieht einen barrierefreien Zugang vor, also die Prozessakten z.B. in elektronischer Form, akustisch oder mündlich anzubieten. Wer als Anwalt aber noch mit Lupen oder Assistenzprogrammen zurechtkommt, ist nicht eingeschränkt „genug“, um alle Akten digitalisiert zu verlangen.

 

Umfassende Aktenbestände – Digital ist besser, meint der Anwalt

Im vorliegenden Rechtsstreit vor dem Finanzgericht hatte ein Anwalt jeweils eine Sehkraft von 10 % (linkes Auge) bzw. 80 % (rechtes Auge). Allerdings gab es für ihn gleich mehrere, umfassende und nicht digitalisierte Bände zu lesen. Die Gerichtsakte erhielt er zwar problemlos elektronisch, die anderen in Papierform geführten Akten wünschte er sich jedoch ebenfalls digital über sein beA, um sie am Bildschirm zu lesen. Das Gericht lehnte ab, die anderen Akten könne er in der Geschäftsstelle vor Ort einsehen. Kostenfreie digitalisierte Kopien lehnte das Gericht ab.

 

Bundesfinanzhof (BFH): Einsicht in Papierakten schwerer, aber zumutbar

Der BFH sah die Sache ebenso. In § 191a Abs. 3 GVG ist der barrierefreie Zugang für sehbehinderte oder blinde Personen geregelt. Konkrete Werte, also ärztlich festgestellte Sehstärken

bzw. -schwächen, ab deren ein barrierefreier Zugang verlangt werden kann, finden sich hier zwar nicht. Allerdings hatte der Anwalt angegeben, Akten noch mit Lupen bzw. Bildschirmhilfen lesen zu können. Wer mit solchen Hilfsmitteln noch klarkommt, dem sei auch zuzumuten, die Akten in Papierform zu lesen. Auch wenn die Akteneinsicht in dieser klassischen Form „für ihn beschwerlich sein mag“.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 06.09.2023

 

– VIII B 63/22 –

 

 

 

 

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