Strafrecht 2024 #03

Vorlage der Vollmacht im Kostenfestsetzungsverfahren
Ein elektronisches Dokument in Form eines Scans des schriftlichen Originals ist zum Nachweis der Vollmacht im Kostenfestsetzungsverfahren nicht ausreichend. (Leitsatz des Verfassers) KG, Beschl. v. 12.1.2024 – 1 Ws 122/23 I. Sachverhalt Kostenfestsetzung und Empfangnahme durch den Rechtsanwalt beantragt Der Rechtsanwalt war einem in der Sicherungsverwahrung untergebrachten Mandanten gemäß § 109 Abs. 3 StVollzG als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet. […]
Erstreckung der Pflichtverteidigerbestellung auf das Adhäsionsverfahren
Die Beiordnung des Pflichtverteidigers gemäß § 140 Abs. 1 StPO erstreckt sich auch auf die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren. An seiner früheren entgegenstehenden Rechtsauffassung (OLG Dresden, Beschl. v. 10.12.2013 – 2 Ws 569/13) hält der Senat nicht fest. (Leitsatz des Verfassers) OLG Dresden, Beschl. v. 21.12.2023 – 2 Qs 298/23 I. Sachverhalt Gebühr für das Adhäsionsverfahren […]
Höhe der Gebühren im Erstattungsfall
Wird der Mandant freigesprochen, stellt sich für den Pflichtverteidiger die Frage, in welcher Höhe er die Erstattung seiner Gebühren verlangen kann. Das Vorliegen der Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung und der Beiordnung als Pflichtverteidiger begründen im Erstattungsfall nicht die Festsetzung der Gebühren mindestens in Höhe der Mittelgebühr. (Leitsätze des Verfassers) LG Magdeburg, Beschl. v. 24.8.2023 – […]
Verbindung von Verfahren und Pflichtverteidigervergütung
Nach der zum 1.1.2021 erfolgten Ergänzung von § 48 Abs. 6 S. 3 RVG ist klargestellt, dass die Anordnung einer Erstreckungswirkung bei einer anwaltlichen Beiordnung nach der Verbindung nicht erforderlich ist, weil § 48 Abs. 6 S. 1 StPO unmittelbar gilt. (Leitsatz des Verfassers) LG Osnabrück, Beschl. v. 27.12.2023 – 1 Qs 70/23 I. Sachverhalt Zwei Ermittlungsverfahren anhängig Die Staatsanwaltschaft führte […]
Eigennützigkeit beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
1. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln erfordert ein eigennütziges Handeln, woran es fehlen kann, wenn es dem Handelnden nur darum geht, eine Drohung abzuwenden. 2. Eine ersatzweise Einziehung des Wertes von erworbenen Betäubungsmitteln gem. § 74c StGB ist ausgeschlossen, da dies voraussetzt, dass die Gegenstände dem Betroffenen gehören, dies für im Inland erworbene Betäubungsmittel aber ausscheidet, da […]
Festsetzung der Tagessatzhöhe aufgrund einer Schätzung des  Einkommens
1. Im Falle der Verhängung einer Geldstrafe hält die Schätzung der Tagessatzhöhe nach § 40 Abs. 3 StGB der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, wenn das tatrichterliche Urteil die konkreten Schätzgrundlagen nicht mitteilt. 2. Ein Strafurteil muss aus sich heraus verständlich sein, sodass fehlende Feststellungen nicht durch Bezugnahmen auf Schriftstücke ersetzt werden können. (Leitsätze des Gerichts) BayObLG, Beschl. […]
Bezeichnung einer Frau als „Schlampe“
1. Die Bezeichnung einer Frau als „Schlampe“ stellt regelmäßig eine Formalbeleidigung dar, bei der die Meinungsäußerungsfreiheit des Angeklagten hinter den Ehrenschutz der Verletzten zurücktritt, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf. 2. Eine Schmähung des Opfers, die ebenfalls eine Einzelfallabwägung entbehrlich macht, ist dann anzunehmen, wenn die Äußerung keinen nachvollziehbaren Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat […]
Reichweite der Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen
Die antragsgemäß nicht auf einen konkreten Termin bezogene Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gemäß § 73 Abs. 2 OWiG wirkt bei Verlegung des Hauptverhandlungstermins fort, sodass ein Entbindungsbeschluss des Gerichts für den neuen Termin nicht erneut beantragt und erlassen werden muss. (Leitsätze des Gerichts) BGH, Beschl. v. 10.10.2023 – 4 StR 94/22 I. […]
Teilweise Kostentragungspflicht in der Kostengrundentscheidung
Hat der Verurteilte aufgrund der Kostengrundentscheidung aus dem ihn verurteilenden Urteil die Kosten des Verfahrens nur insoweit zu tragen, wie er verurteilt wurde, sind die im Zusammenhang mit dieser Verurteilung entstandenen Kosten nach der sog. Differenzmethode zu ermitteln. (Leitsatz des Verfassers) LG Halle, Beschl. v. 10.8.2023 – 16 KLs 540 Js 17049/21 (16/21) I. Sachverhalt […]
Unverzügliche Bestellung eines Pflichtverteidigers
Der Begriff der Unverzüglichkeit in § 141 Abs. 1 S. 1 StPO ist nicht nach Maßgabe eines bestimmten Zeitablaufs zu bemessen. Ein Verstoß gegen die Unverzüglichkeit, ein schuldhaftes Zögern, ist nur dann gegeben, wenn die Ermittlungsbehörden (Staatsanwaltschaft und Polizei) einen Beiordnungsantrag pflichtwidrig übergehen und das Verfahren weiterbetreiben, insbesondere weitere Ermittlungshandlungen mit Außenwirkung und Beweiserhebungen zum Nachteil des Beschuldigten […]
Verklammerung zweier Fahrten ohne Fahrerlaubnis durch BtM-Besitz
1. Zwischen zwei selbstständigen Delikten kann durch das Vorliegen eines dritten Delikts Tateinheit hergestellt werden, wenn mit diesem jedes der beiden Delikte ideal konkurriert. 2. Eine solche Klammerwirkung ist dann anzunehmen, wenn zwischen dem dritten und zumindest einem der beiden verbundenen Delikte „annähernde Wertgleichheit“ besteht, was anhand der konkreten Gewichtung der Taten festzustellen ist. (Leitsätze […]
Verletzung der verständigungsbezogenen Belehrungspflicht
Infolge der Aussetzung der Hauptverhandlung entfällt die Bindungswirkung einer getroffenen Verständigung. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 17.8.2023 – 2 StR 164/23 I. Sachverhalt Verstöße gegen das BtMG Das LG hat den Angeklagten wegen Verstößen gegen das BtMG verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte mit der Rüge der Verletzung des Rechts auf ein […]
Beweiswürdigung bei Aussage gegen Aussage und Teileinstellung
1. Beruhen mehrere Tatvorwürfe auf den belastenden Angaben eines Zeugen, kann den Gründen für eine Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO Bedeutung für die Beweiswürdigung zu den verbliebenen Vorwürfen zukommen, insbesondere für die Frage der Glaubhaftigkeit der Bekundungen dieses Zeugen. 2. Ist dies nach der konkreten Beweissituation der Fall, sind die Gründe für die Teileinstellung im […]
Fristsetzung zur Stellung von Beweisanträgen
Die Fristsetzung zur Anbringung von Beweisanträgen nach § 244 Abs. 6 S. 3 StPO erfordert nicht die Feststellung oder den konkreten Verdacht einer Absicht der Prozessverschleppung. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Beschl. v. 19.12.2023 – 3 StR 160/22 I. Sachverhalt Verurteilung u.a. wegen Kriegsverbrechen Das KG hat die Angeklagten wegen verschiedener Kriegsverbrechen gegen Personen in Tateinheit mit Mord und […]
Befangenheit des Schöffen nach Selbstanzeige; Wartepflicht
Zur Wartepflicht gemäß § 29 StPO. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Beschl. v. 26.9.2023 – 5 StR 164/22 I. Sachverhalt Falsche Angaben eines Schöffen zu seinem Gesundheitszustand Das LG hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 79 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Während der ersten Hauptverhandlungstage war Mitgliedern der Strafkammer aufgefallen, dass einer der […]
Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 S. 2 StPO
Zum Umfang der Mitteilungspflicht des Vorsitzenden zu im Verlauf der Hauptverhandlung geführten Erörterungen zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten, die eine Verständigung zum Gegenstand haben. (Leitsatz des Verfassers) BVerfG, Beschl. v. 8.11.2023 – 2 BvR 294/22 I. Sachverhalt Inhalt des Verständigungsgesprächs im Protokoll? Das AG hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei (§ 374 AO) in fünf Fällen zu […]

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