Wie wichtig ist es für Sie als selbstständiger Anwalt, neben Ihrer fachlichen Expertise, auch persönlich ein Sympathieträger zu sein?
Ich behaupte nicht, dass Sie “everybody’s darling” werden sollen. Als Selbstständiger besteht für Sie aber die Notwendigkeit, regelmäßig neue Mandanten zu gewinnen. Und wie heißt es so schön im Marketing-Sprech: Menschen kaufen bei Menschen. Während der frischgebackene Einzelanwalt in den 80er Jahren als Marketingmaßnahmen nur das berühmte Kanzleischild raushing, 100 Visitenkarten drucken ließ und sich zunächst über Empfehlungen seine Wohnzimmerkanzlei aufbaute, kommt man heutzutage um das “personal branding” im Internet kaum mehr herum. Rechtsuchende schlagen schließlich nicht mehr das Branchenbuch auf, sondern suchen sich einen Anwalt im Netz. Die zeitgemäße Website und eine authentische Präsentation in den “sozialen Medien” bilden dabei quasi das Schaufenster einer Kanzlei. Wenn Sie mit Ihrer Website über eine Google-Suche überhaupt gefunden werden (was voraussetzt, dass Sie – als moderner Anwalt und Unternehmer – rechtzeitig an Kanzleimarketing gedacht haben), sind Sie allerdings erstmal nur einer von vielen Anwälten.
Haben Sie sich jemals über die “customer journey” neuer Mandanten Gedanken gemacht? Beispiel: Ein Angestellter, nennen wir ihn Martin, hat ein Problem. Er wohnt in einer Großstadt, hat einen schwierigen Chef und braucht arbeitsrechtlichen Rat. Welche Stufen und Kontaktpunkte muss er durchlaufen, von der Erkenntnis, einen Anwalt zu brauchen bis zu der Entscheidung, unter all den vielen Anwälten gerade Sie zu mandatieren?
Der sympathische Internetauftritt
Martin kennt keinen Arbeitsrechtler und ihm wird auch keiner empfohlen, also sucht er im Netz. Über Google findet er seitenweise auf Arbeitsrecht spezialisierte Fachanwälte in seiner Stadt. Dutzende. Er guckt sich die Websites der ersten drei, vier Suchergebnis-Seiten an. Nach welchen Kriterien trifft er seine Wahl?
- Expertise? Wie gut ein Anwalt seinen Job macht, kann ein Laie schwer beurteilen. Was geben die Kanzlei-Websites denn her? Nicht viel. Sie ähneln sich optisch und inhaltlich im Wesentlichen. Es handelt sich hauptsächlich um wenig informative Selbstbeweihräucherung. Einige haben immerhin Blogs, doch die Blogartikel sind ellenlange, unstrukturierte Textwüsten und bieten kaum Zwischenüberschrifts-Oasen für das Auge. Und dann noch dieses Juristendeutsch! Ganze Absätze sind aus den Urteilsbegründungen herauskopiert. Wer soll das lesen? Für lange Texte, komplizierte Inhalte und komplexe Satzgefüge hat Martin jedenfalls weder Zeit noch Geduld.
- Ausrichtung der Kanzlei und Mindset? Fachliche Unterschiede kann Martin also nicht erkennen. Doch er hat Ärger mit seinem Chef und sucht daher gezielt eine Kanzlei, die nur Arbeitnehmer vertritt. Er möchte sich verstanden und individuell betreut fühlen. Zudem möchte er auch nicht so eine Großbude mandatieren, sondern sucht etwas Persönlicheres mit maximal drei, vier Anwälten. Und bloß nicht zu konservativ! Sein narzisstischer Chef war stets bierernst, da sucht er nun für sein Anliegen ein modernes Kontrastprogramm.
- Sympathie? Er schaut sich die Fotos an. Ernste Gesichter. Nächster Tab, nächste Kanzlei. Die Fotos sind austauschbar. Nächste Website. Und plötzlich: Oh! Ein freundliches Lachen, ein offener Blick. Das ganze Team samt Bürohund ist abgebildet. Sympathisch und entspannt. Martin überlegt nicht lange. Er greift spontan zum Telefon und wählt die Nummer. Es tutet zweimal bis jemand rangeht. Und, wen hat er dran?
Das sympathische Sekretariat
Der junge Mann am anderen Ende der Leitung lacht und meldet sich dann korrekt mit dem Kanzleinamen.
- Erste Überraschung beim Anrufer: Eine Anwaltskanzlei und im Sekretariat wird gelacht? Das gibt’s wohl auch nicht überall.
- Zweite Überraschung beim Anrufer: Ein Mann im Sekretariat! Ungewöhnlich und modern!
- Dritte Überraschung beim Anrufer: Die Sekretariatskraft ist auf zack! Er ist höflich, kommunikativ, offen, aufmerksam und denkt mit. Am Ende scherzt er sogar mit einem cleveren Wortspiel und beide müssen lachen, bevor Martin sich dankend verabschiedet.
Nun hat Martin bessere Laune: er hat einen Anwaltstermin und ihm wird zeitnah fachmännisch geholfen. Er ist sein Problem proaktiv angegangen. Das fühlt sich gut an.
Der sympathische Anwalt
Das Erstgespräch steht an. Am Tag des Termins hatte Martin vormittags erneut einen Disput mit seinem Chef. Nun sitzt er Ihnen mit einer Mischung aus Verärgerung und Verzweiflung gegenüber. Sie kennen das: Hier ist Empathie ist vonnöten. Zuhören können.
Vermutlich ist er ein Mandant, der nur selten mit Anwälten zu tun hat. Er hat viele Fragen und Bedenken, vielleicht auch Ängste. Einerseits, weil er bei der Arbeit täglich einer belastenden Situation ausgesetzt ist und andererseits, weil er keinerlei Ahnung von seinen rechtlichen Möglichkeiten hat und sich Ihnen daher voll anvertrauen muss. Allein, um diese Ausgangssituation nachzufühlen, braucht man als Anwalt oder Anwältin schon ein gerüttelt Maß an Einfühlungsvermögen. Und da hat die rechtliche Betreuung noch nicht einmal begonnen!
Kurzum: Ob ein potenzieller Mandant Sie mandatiert, hängt von vielen Faktoren ab und Sympathie spielt überall mit hinein:
- Er muss Sie im Internet entdecken.
- Aufgrund Ihrer dortigen Präsentation muss er so einen guten Eindruck von Ihnen gewinnen, dass er anruft.
- Der Erstkontakt mit Ihrer Kanzlei – also Ihrem Sekretariatsteam – ist ein weiterer Schlüsselmoment. Ein gut gelaunter Gesprächspartner, der höflich, frisch und mitdenkend agiert, ist Gold wert.
- Schließlich sitzt der neue Mandant Ihnen erstmals gegenüber. Dann sind Sie am Ball. Hier ist Ihre Expertise notwendig, doch wenn dann noch die berühmte emotionale Intelligenz, Authentizität und ein “sympathisches Auftreten” hinzukommen, sind die Grundlagen für ein gute Verbindung gelegt.