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Materiell-rechtliche Besonderheiten des Schmerzensgeldanspruchs

a) Übertragbarkeit und Vererblichkeit

Der Schmerzensgeldanspruch kann frei übertragen (und damit gepfändet, § 851 Abs. 1 ZPO) werden und ist uneingeschränkt vererblich. Es ist nicht erforderlich, dass der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten seinen Willen bekundet hat, Schmerzensgeld zu fordern. § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a.F., der Übertragbarkeit und Vererblichkeit ausschloss, ist bereits mit Wirkung zum 1.7.1990 und damit lange vor Erlass des 2. Schadensrechtsänderungsgesetzes im Jahr 2002 (BGBl I 2002, 2674) aufgehoben worden (BGBl I 1990, 428).

 

b) Ausschluss und Minderung des Anspruchs

aa) Mitverschulden

Der Verletzte muss sich auch auf seinen Schmerzensgeldanspruch ein etwaiges Mitverschulden i.S.v. § 254 BGB anrechnen lassen. Wie der Anspruch auf den Ersatz materieller Schäden wurde hierfür zunächst auch der Schmerzensgeldanspruch um die Quote des Mitverschuldens des Verletzten gekürzt. Gegen diese Verfahrensweise wurde eingewandt, sie passe nicht zur im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung grds. angezeigten Gesamtbetrachtung. Der BGH teilt diese Einschätzung (BGH, Beschl. v. 21.8.2002 – 5 StR 291/02, BGHSt 47, 378 (381); Urt. v. 21.4.1970 – VI ZR 13/69, VersR 1970, 624 (625)).

Jedenfalls im theoretischen Ansatz wird deshalb heutzutage im Falle mitwirkenden Verschuldens des Verletzten nicht etwa ein angemessenes Schmerzensgeld ohne Mitverschulden, das dann um die Mitverschuldensquote gekürzt wird, bestimmt. Vielmehr ist von vornherein ein Schmerzensgeld zuzubilligen, das unter Berücksichtigung des Mithaftungsanteils angemessen ist.

Das Verschulden ist also nur ein Bemessungsfaktor von vielen, der – und das ist der entscheidende Unterschied – von Fall zu Fall im Verhältnis zu den anderen Bemessungskriterien unterschiedliches Gewicht besitzen kann (BGH, Beschl. v. 16.1.2024 – VI ZB 45/23, NJW-RR 2024, 474 Rn 13 f.; Urt. v. 21.4.1970 – VI ZR 13/69, VersR 1970, 624 (625)). Die tatrichterliche Praxis sieht im Ergebnis allerdings anders aus. Hier schlägt die Mithaftungsquote in aller Regel voll auf den Schmerzensgeldanspruch durch.

Als Folge der im dogmatischen Ansatz unterschiedlichen Behandlung des Mitverschuldens beim materiellen Schadensersatz einerseits und beim Schmerzensgeld andererseits stellt sich die Frage, ob die Haftungsquote auch beim Schmerzensgeld schon Bestandteil eines Feststellungsausspruchs und eines Grundurteils i.S.v. § 304 Abs. 1 ZPO sein kann oder ob sie erst im Rahmen der Leistungsklage bzw. im Betragsverfahren eine Rolle spielt.

Ersteres ist der Fall: Feststellungsausspruch und Grundurteil können – müssen aber nicht in jedem Fall (Vgl. dazu BGH, Urt. v. 19.6.2001 – VI ZR 286/00, NJW 2001, 2794, juris Rn 6; v. 15.5.1979 – VI ZR 70/77, NJW 1979, 1933 (1935)) – auch bezüglich des Schmerzensgeldanspruchs eine Haftungsquote bestimmen, die dann einem künftigen Streit entzogen ist (BGH, Beschl. v. 16.1.2024 – VI ZB 45/23, NJW-RR 2024, 474; Urt. v. 28.3.2006 – VI ZR 50/05, VersR 2006, 944 Rn 10 f.; OLG Köln, Urt. v. 26.10.1988 – 13 U 123/88, VersR 1989, 206 (207); v. 7.8.1974 – 6 U 137/73, VersR 1975, 543 (544); OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.2.1969 – 12 U 229/67, VersR 1969, 643 (644); OLG Celle, Urt. v. 20.5.1968 – 5 U 187/67, NJW 1968, 1785 f.). Im Rahmen der Leistungsklage bzw. des Betragsverfahrens ist die festgelegte Quote dann als ein Bemessungsfaktor neben anderen zu berücksichtigen.

Da der Schmerzensgeldanspruch ein echter Schadensersatzanspruch ist, trifft den Geschädigten dem Schädiger gegenüber gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB die Obliegenheit, den Schaden mit zumutbaren Maßnahmen zu mindern (BGH, Urt. v. 10.2.2015 – VI ZR 8/14, VersR 2015, 590 Rn 12; v. 10.3.1970 – VI ZR 145/68, VersR 1970, 443 (444)).

Insbesondere wird vom Verletzten verlangt, dass er, soweit er dazu imstande ist, zur Heilung oder Besserung seiner Krankheit oder Schädigung die nach dem Stand der ärztlichen Wissenschaft sich darbietenden Mittel anwendet; er darf in der Regel nicht anders handeln, als ein verständiger Mensch, der die Nachteile ersatzlos hinzunehmen hat, es bei gleicher Gesundheitsstörung tun würde (BGH, Urt. v. 10.2.2015 – VI ZR 8/14, VersR 2015, 590 Rn 15).

Voraussetzung für die Annahme eines Mitverschuldens in Form eines Verstoßes gegen diese Schadensminderungsobliegenheit ist allerdings stets, dass dem Geschädigten die Behandlung zumutbar ist (Vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2015 – VI ZR 8/14, VersR 2015, 590 Rn 15, m.w.N.).

Einer ärztlichen Behandlung braucht sich der Geschädigte nur dann zu unterziehen, wenn sie einfach und gefahrlos ist, wenn sie nicht mit besonderen Schmerzen verbunden ist und wenn sie die sichere Aussicht auf Heilung oder wesentliche Besserung bietet (BGH, Urt. v. 15.3.1994 – VI ZR 44/93, NJW 1994, 1592 (1593); für psychiatrische Behandlungen vgl. auch BGH, Urt. v. 21.9.2021 – VI ZR 91/19, VersR 2021, 1583 Rn 12).

bb) Betriebsgefahr, Tiergefahr

Auch die eigene, mitursächliche Betriebsgefahr muss sich der verletzte Kraftfahrer auf seinen Schmerzensgeldanspruch anrechnen lassen (BGH, Urt. v. 13.4.1956 – VI ZR 347/54, BGHZ 20, 259 (260 ff.)). Ist der verletzte Kraftfahrer nicht der Halter, ist dies nur dann der Fall, wenn er seinerseits für Verschulden (§ 823 BGB) oder vermutetes Verschulden (§ 18 StVG) haftet (BGH, Urt. v. 17.11.2009 – VI ZR 64/08, VersR 2010, 268 Rn 13, m.w.N.).

Entsprechendes gilt, wenn sich bei der Schadensentstehung eine dem Verletzten zurechenbare Tiergefahr verwirklicht hat (Vgl. BGH, Urt. v. 31.5.2016 – VI ZR 465/15, NJW 2016, 2737 Rn 9; v. 27.10.2015 – VI ZR 23/15, VersR 2016, 60 Rn 26); trifft den Verletzten allerdings nur die Tiergefahr und den Schädiger (auch) ein Verschulden, so fällt die Tiergefahr entsprechend dem Rechtsgedanken des § 840 Abs. 3 BGB auch beim Schmerzensgeld nicht ins Gewicht (BGH, Urt. v. 31.5.2016 – VI ZR 465/15, NJW 2016, 2737 Rn 13; v. 27.10.2015 – VI ZR 23/15, VersR 2016, 60 Rn 26).

cc) Arbeitsunfälle (§§ 104 ff. SGB VII)

Ist die Haftung des Schädigers bei Arbeitsunfällen gem. §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen, so kommt auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld nicht in Betracht. Da das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung einen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden nicht kennt, bleiben die immateriellen Einbußen des Verletzten in einem solchen Fall unausgeglichen.

Der Ausschluss (auch) von Schmerzensgeldansprüchen ist dennoch verfassungsgemäß (Vgl. zu den Vorgängervorschriften der §§ 636, 637 RVO: BVerfG, Beschl. v. 7.11.2011 – 1 BvL 4 u. 17/71, 1 BvR 355/71, NJW 1973, 502; ferner (zu § 46 Abs. 2 BeamtVG) BVerfG, Beschl. v. 8.1.1992 – 2 BvL 9/88, BVerfGE 85, 176). Wegen der Verschiedenheit der beiden Ordnungssysteme ist es nicht erforderlich, dass der Geschädigte im konkreten Einzelfall tatsächlich Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung erhält (BGH, Urt. v. 8.2.2022 – VI ZR 3/21, NJW 2022, 1526 Rn 31).

Das gilt grds. auch für Verkehrsunfälle, die sich als Arbeitsunfälle darstellen. Die in § 636 RVO a.F. vorgesehene Ausnahme von der Haftungsbeschränkung für Arbeitsunfälle bei der „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ wurde so nicht in das SGB VII übernommen. Ausgenommen von der Haftungsbeschränkung sind gem. §§ 104 Abs. 1 S. 1, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII allerdings Wegeunfälle i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII, die keine Arbeitsunfälle i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB VII, also keine sog. Betriebswegeunfälle, sind.

Die Abgrenzung von Wegeunfällen, bei denen Schadensersatz- und damit auch Schmerzensgeldansprüche bestehen (können), und Betriebswegeunfällen, bei denen solche Ansprüche ausgeschlossen sind, ist schwierig. Zurückgegriffen werden kann allerdings auf die Kriterien, die die Rechtsprechung zur „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ i.S.d. § 636 RVO a.F. entwickelt hat (Vgl. etwa BGH, Urt. v. 15.7.2008 – VI ZR 212/07, VersR 2008, 1407 Rn 16; v. 12.10.2000 – III ZR 39/00, VersR 2001, 335 (336); Geigel/Wellner, Haftpflichtprozess, Kap. 31 Rn 89). Danach ist von einem Betriebswegeunfall nur dann auszugehen, wenn die gemeinsame Fahrt der Arbeitskollegen selbst als Teil des innerbetrieblichen Organisations- und Funktionsbereichs erscheint, somit durch die Organisation (Werkverkehr, Einsatz eines betriebseigenen Fahrzeugs, Fahrt auf dem Werksgelände) als innerbetrieblicher oder innerdienstlicher Vorgang gekennzeichnet oder durch Anordnung des Dienstherrn zur innerbetrieblichen bzw. innerdienstlichen Aufgabe erklärt worden ist (Geigel/Wellner, Haftpflichtprozess, Kap. 31 Rn 89).

Besteht zwischen mehreren Schädigern ein (fiktives) Gesamtschuldverhältnis, so können Ansprüche des Geschädigten gegen einen selbst nicht sozialversicherungsrechtlich haftungsprivilegierten Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre (sog. gestörte Gesamtschuld) (BGH, Urt. v. 18.11.2014 – VI ZR 47/13, VersR 2015, 189; Geigel/Wellner, Haftpflichtprozess, Kap. 31 Rn 92 ff.). Das gilt auch hinsichtlich des Schmerzensgeldes.

dd) Schmerzensgeld gegenüber dem Ehepartner oder sonstigen Familienangehörigen

Natürlich können auch zwischen Familienangehörigen Schmerzensgeldansprüche bestehen. Zu beachten ist dabei, dass der Haftungsmaßstab abgemildert sein kann, insb. gem. § 1359 BGB oder § 1664 BGB. Die genannten Vorschriften werden allerdings, insb. bei Unfällen im (Straßen-)Verkehr, teleologisch reduziert (Vgl. zu § 1359 BGB etwa BGH, Urt. v. 24.3.2009 – VI ZR 79/08, VersR 2009, 840 (gemeinsames Wasserskifahren); v. 12.12.1991 – III ZR 10/91, VersR 1992, 823 (824); v. 10.7.1974 – IV ZR 212/72, NJW 1974, 2124 (2126); v. 18.6.1973 – III ZR 207/71, VersR 1973, 941 (942) (jeweils Personen- oder Eigentumsschäden im Straßenverkehr)).

Die familienrechtlichen Beziehungen sind bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. So wäre etwa ein Schmerzensgeld, das mit der Minderung des angemessenen Familienunterhalts erkauft wäre und aus diesem Grund vom Verletzten möglicherweise der Familie wieder zur Verfügung gestellt werden müsste, nicht angemessen und könnte seinen Zweck nicht erfüllen.

Beim Übergang von Ansprüchen zwischen Familienangehörigen und Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auf einen Versicherer ist an § 86 Abs. 3 VVG zu denken. Eine entsprechende Regelung für den Anspruchsübergang insb. auf Sozialversicherungsträger und die Bundesagentur für Arbeit findet sich in der – zum 1.1.2021 neu gefassten – Regelung des § 116 Abs. 6 SGB X; für den Schmerzensgeldanspruch spielt sie aber grds. keine Rolle, weil ein Übergang des Schmerzensgeldanspruchs auf Sozialversicherungsträger etc. gem. § 116 Abs. 1 SGB X mangels kongruenter Sozialversicherungsleistung regelmäßig ausscheidet.

 

c) Verjährungsfragen

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl I 2001, 3138) wurde die nach § 852 BGB a.F. für deliktische Ansprüche geltende Sonderregelung zum 1.1.2002 aufgehoben und die Verjährung deliktischer Ansprüche den – allerdings auch geänderten und der bisherigen deliktsrechtlichen Regelung angenäherten – allgemeinen Regeln unterworfen. Danach gilt nun:

  • Gemäß § 195 BGB gilt für den Anspruch auf Schmerzensgeld die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Sie beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
  • Soweit Ansprüche auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren sie nach § 199 Abs. 2 BGB ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis spätestens in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
  • Nach § 208 BGB ist die Verjährung von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Gläubigers gehemmt; lebt der Gläubiger mit dem Schuldner in häuslicher Gemeinschaft, sogar darüber hinaus bis zur Beendigung der häuslichen Gemeinschaft.
  • Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung nach § 203 S. 1 BGB gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Eine Verweigerung der Fortsetzung in diesem Sinne setzt voraus, dass ein Abbruch der Verhandlungen klar und deutlich zum Ausdruck gebracht wird (BGH, Urt. v. 30.6.1998 – VI ZR 260/97, VersR 1998, 1295). Nach § 203 S. 2 BGB tritt die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.
  • Ebenso gehemmt ist gem. § 207 BGB die Verjährung von (hier: Schmerzensgeld-)Ansprüchen zwischen Ehegatten, so lange die Ehe besteht, zwischen Lebenspartnern, solange die Lebenspartnerschaft besteht, zwischen Kind und Eltern oder dem Ehegatten eines Elternteils bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes, zwischen Vormund und Mündel während der Dauer der Vormundschaft, zwischen Betreutem und Betreuer während der Dauer des Betreuungsverhältnisses und zwischen Pflegling und Pfleger während der Dauer der Pflegschaft.
  • Macht der Anspruchsteller den Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Ersatzpflichtigen aus § 115 Abs. 1 VVG geltend, so ist die Verjährung gem. § 115 Abs. 2 S. 3 VVG bis zum Zugang der Entscheidung des Versicherers in Textform gehemmt. Die Verjährung gegenüber dem Versicherer beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer beginnt; sie endet jedoch spätestens in zehn Jahren von dem Eintritt des Schadens an (§ 115 Abs. 2 S. 2 VVG).

 

Bei Altfällen ist die Übergangsvorschrift in Art. 229 § 6 EGBGB zu beachten. Zur Problematik der Verjährung nur vorbehaltener Ansprüche in Abfindungsvergleichen.

 

d)  Verkehrsopferhilfe (§ 12 PflVG)

Der durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers Geschädigte kann nach § 12 PflVG unter gewissen Voraussetzungen seine Ansprüche wegen dieses Schadens gegen den „Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen“ geltend machen. Die praktisch wichtigsten Anwendungsfälle sind die Fälle des fehlenden Haftpflichtversicherungsschutzes (§ 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 PflVG) und der Verkehrsunfallflucht (§ 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PflVG) des Schädigers. Der Anspruch umfasst grds. auch das Schmerzensgeld.

In Fällen der Verkehrsunfallflucht sieht § 12 Abs. 2 S. 1 PflVG hinsichtlich des Schmerzensgeldes allerdings eine Beschränkung vor: Schmerzensgeld kann hier gegen den Entschädigungsfonds nur geltend gemacht werden, wenn und soweit die Leistung einer Entschädigung wegen der besonderen Schwere der Verletzung zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit erforderlich ist. Die – nur spärlich vorhandene – (Instanz-)Rechtsprechung nimmt dies an, wenn die gesundheitlichen Folgen des Unfalls deutlich und drastisch über das hinausgehen, was bei täglichen Unfällen im Straßenverkehr auftritt (LG Gießen, Urt. v. 4.9.2013 – 5 O 206/13, VersR 2014, 1319 (1320); LG Hamburg, Urt. v. 24.1.1977 – 77 O 63/76, VersR 1977, 674; v. 4.8.1976 – 77 O 64/76, VersR 1977, 581).

Erforderlich ist danach ein Verletzungsbild, das in seiner Schwere einer Querschnittslähmung, dem Verlust von Gliedmaßen oder Sinnesorganen oder entstellenden Gesichtsnarben gleichkommt, insb. also eine der in § 226 StGB genannten schweren Folgen (LG Gießen, Urt. v. 4.9.2013 – 5 O 206/13, VersR 2014, 1319 (1320); LG Verden, Urt. v. 10.4.2001 – 4 O 530/00, VersR 2001, 1152 (1153)).

Dass mit dem Schmerzensgeld des Entschädigungsfonds in Fällen der Verkehrsunfallflucht nur unbillige Härten kompensiert werden sollen, zeigt sich in der Praxis auch daran, dass das Schmerzensgeld in diesen Fällen in der Höhe deutlich beschränkt wird. So wird davon ausgegangen, dass vom Entschädigungsfonds nur ungefähr ein Drittel des sonst üblichen Schmerzensgeldes zu zahlen ist (LG Lüneburg, Urt. v. 10.11.2000 – 3 S 38/00, VersR 1152).

Andere sind – nach Auffassung der Autoren der „SchmerzensgeldBeträge“ zutreffend – der Meinung, es komme auch insoweit auf die Umstände des Einzelfalles an (LG Itzehoe, Urt. v. 28.6.1979 – 6 O 273/78, nicht veröffentlicht).

Träger des Entschädigungsfonds ist gem. § 1 der Verordnung über den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen vom 14.12.1965 (BGBl I 1965, 2093, zuletzt geändert durch VO v. 31.8.2015, BGBl I 2015, 1474) der Verein „Verkehrsopferhilfe“. Er ist erreichbar unter der Postanschrift

Verkehrsopferhilfe,

Wilhelmstraße 43/43 G,

10117 Berlin

und der E-Mail-Adresse

voh@verkehrsopferhilfe.de

Die Internetpräsenz findet sich unter www.verkehrsopferhilfe.de.

 

 

Ein Auszug aus dem Buch Hacks / Wellner / Klein / Kohake (Hrsg.) SchmerzensgeldBeträge 2025 (Buch mit Online-Zugang) SchmerzensgeldBeträge 2025 (Buch mit Online-Zugang), 43. Auflage, 2024, AI S. 13-15.

Eine weitere kostenlose Leseprobe finden Sie in unserer Onlinebibliothek Anwaltspraxis Wissen

 

 

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