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Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

a) Rechtsgrundlagen

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (Vgl. nur BGH, Urt. v. 22.2.2022 – VI ZR 1175/20, NJW 2022, 1751 Rn 44; v. 24.5.2016 – VI ZR 496/15, VersR 2016, 1001 Rn 9, m.w.N.) kann auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung begründen. Voraussetzung ist, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann.

Hat der BGH diesen Anspruch in der sog. Herrenreiter-Entscheidung (BGH, Urt. v. 14.2.1958 – I ZR 151/56, BGHZ 26, 349 (354 ff.)) noch auf eine analoge Anwendung von § 847 BGB a.F. gestützt, geht er nun davon aus, dass es sich bei der Zubilligung einer Geldentschädigung gerade nicht um ein Schmerzensgeld i.S.d. § 253 BGB handelt (Vgl. nur BGH, Urt. v. 12.3.2024 – VI ZR 1370/20, Rn 72; Beschl. v. 8.3.2022 – VI ZB 14/21, zfs 2022, 259 Rn 10; Urt. v. 5.10.2004 – VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298 (302)).

BVerfG (BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269 (292) – Soraya) und BGH (BGH, Urt. v. 12.3.2024 – VI ZR 1370/20 Rn 70, 72; v. 12.12.1995 – VI ZR 223/94, VersR 1996, 341 (342); v. 5.12.1995 – VI ZR 332/94, VersR 1996, 339 (340); v. 15.11.1994 – VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1 (15)) begreifen den Anspruch auf Geldentschädigung als Recht, das auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht.

Demgemäß wird der Anspruch auch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 und Art. 2 GG hergeleitet. Er beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Die staatliche Pflicht, den Einzelnen vor Gefährdungen seines Persönlichkeitsrechts durch Dritte zu schützen, kann sich daher bis zur verfassungsrechtlichen Gebotenheit einer Geldentschädigung verdichten (BVerfG, Beschl. v. 2.4.2017 – 1 BvR 2194/15, NJW-RR 2017, 879 Rn 10, 12).

Der Gesetzgeber hat bislang davon abgesehen, den richterrechtlich geschaffenen Anspruch einfachrechtlich zu kodifizieren (Vgl. BT-Drucks 14/7752, 24 f., 55; ferner Ahrens/Spickhoff, Deliktsrecht, § 45 Rn 47).

Zuletzt hat das BVerfG (BVerfG, Beschl. v. 19.5.2023 – 2 BvR 78/22, NVwZ-RR 2023, 649 m. Bspr. Gietl/Amberger, NJW 2023, 3468) unter Berufung auf die Rechtsprechung des EGMR (EGMR, Urt. v. 22.10.2020 – Nr. 6780/18 und 30776/18, NJW 2022, 35 Rn 70 ff.) eine Erstreckung des Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf das Staatshaftungsrecht, etwa im Rahmen des allgemeinen Aufopferungsanspruchs, angemahnt. Anlass hierfür war eine rechtswidrige, mit einer vollständigen Entkleidung verbundene körperliche Untersuchung eines Strafgefangenen.

 

b) Funktion

Anders als beim Schmerzensgeld steht bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund (Vgl. nur BGH, Urt. v. 29.11.2021 – VI ZR 258/18, BGHZ 232, 68 Rn 10; v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45 Rn 18, m.w.N.; ferner Urt. v. 29.11.2021 – VI ZR 258/18, NJW 2022, 868 Rn 10). Daneben dient der Anspruch der Prävention (BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, VersR 2014, 381 Rn 38; v. 6.12.2005 – VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203 (207), m.w.N.; v. 5.10.2004 – VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298 (302)).

 

c) Voraussetzungen

Zunächst bedarf es einer schwerwiegenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Geschädigten (BGH, Urt. v. 22.2.2022 – VI ZR 1175/20, NJW 2022, 1751 Rn 44; v. 24.5.2016 – VI ZR 496/15, VersR 2016, 1001 Rn 9), auch in Form einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild. Ob die im Raum stehende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinreichend schwer wiegt, ist aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei sind nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 12.3.2024 – VI ZR 1370/20 Rn 70; v. 22.2.2022 – VI ZR 1175/20, NJW 2022, 1751 Rn 44; v. 24.5.2016 – VI ZR 496/15, VersR 2016, 1001 Rn 9, m.w.N.) insb. Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden und der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen.

Weiter darf die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden können. So kann bei der gebotenen Gesamtwürdigung etwa auch ein erwirkter Unterlassungstitel den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und ggf. sogar ausschließen (BGH, Urt. v. 22.2.2022 – VI ZR 1175/20, NJW 2022, 1751 Rn 44; v. 24.5.2016 – VI ZR 496/15, VersR 2016, 1001 Rn 9, m.w.N.).

Bejaht wurde ein Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, der nach der Rechtsprechung nur in engen Grenzen zu gewähren ist (BGH, Urt. v. 14.5.2013 – VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn 31), etwa im Falle
  • nicht erweislich wahrer Behauptungen im Zusammenhang mit der sog. sächsischen Korruptionsaffäre, der Geschädigte sei pädophil, habe eine Beziehung mit einer 14-Jährigen und sei korrupt (BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn 13 ff.),
  • der Veröffentlichung heimlich aufgenommener Bilder des minderjährigen Kindes einer Prominenten (BGH, Urt. v. 5.10.2004 – VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298 (303 ff.)),
  • fortdauernder Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch unwahre Tatsachenbehauptung auf der Titelseite einer Zeitschrift (Caroline von Monaco) (BGH, Urt. v. 15.11.1994 – VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1 (12 f.)).
Verneint wurden die Voraussetzungen trotz Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts etwa
  • im Falle der Bezeichnung des Geschädigten als „Arschloch“ als Reaktion auf ein Schreiben, in dem dieser Genugtuung über eine Krebserkrankung des Adressaten zum Ausdruck bringt (BGH, Urt. v. 14.11.2017 – VI ZR 534/15, juris Rn 18 ff.),
  • bei groben Beleidigungen mittels SMS, wenn ein Unterlassungstitel erwirkt wurde (BGH, Urt. v. 24.5.2016 – VI ZR 496/15, VersR 2016, 1001 Rn 9 ff.),
  • bei Verletzung des Rechts auf ungestörte kindgemäße Entwicklung durch Bezeichnung einer identifizierbaren Grundschülerin als „Möchtegernüberspringerin“ und Wiedergabe einer entsprechenden Begebenheit in einem Buch einer (ehemaligen) Lehrerin bei Unterlassungstitel und (dienstrechtlichem) Ordnungsmittelverfahren (BGH, Urt. v. 15.9.2015 – VI ZR 175/14, BGHZ 206, 347 Rn 37 ff.),
  • bei Verletzung des Rechts am eigenen Bild durch die identifizierbare Abbildung einer Frau, die zufällig im Bikini neben einem prominenten Fußballspieler am Strand von Mallorca aufgenommen worden war, in einer Tageszeitung (BGH, Urt. v. 21.4.2015 – VI ZR 245/14, VersR 2014, 898 Rn 32 ff.).
  • im Falle einer Verdachtsberichterstattung, die nur deshalb unzulässig ist, weil dem Betroffen zuvor nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war (BGH, Urt. v. 22.2.2022 – VI ZR 1175/20, NJW 2022, 1751 Rn 45 ff.).

 

d) Höhe

Wie beim Schmerzensgeld ist auch bei der Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Bemessung in erster Linie Sache des Tatrichters (Vgl. nur BGH, Urt. v. 5.10.2004 – VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298 (307)). Entscheidend sind die konkreten Umstände des Einzelfalles. Bewirkt die persönlichkeitsrechtsverletzende Handlung zugleich eine Gesundheitsverletzung des Betroffenen (z.B. Depression), führt dies allerdings nicht zu einer Erhöhung der Geldentschädigung, sondern muss zum Gegenstand eines gesonderten Schmerzensgeldanspruchs gemacht werden (BGH, Urt. v. 12.3.2024 – VI ZR 1370/20 Rn 72).

Entsprechend müssen mit der Persönlichkeitsrechtsverletzung einhergehende wirtschaftliche Einbußen (z.B. Verlust von Kunden/Aufträgen) zum Gegenstand eines materiellen Schadensersatzanspruchs gemacht werden (BGH, Urt. v. 22.2.2022 – VI ZR 1175/20, NJW 2022, 664 Rn 49).

Umgekehrt ist in Fällen, in denen der Schädiger die Verletzung der Persönlichkeit seines Opfers als Mittel zur Auflagensteigerung und damit zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt hat, die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung allerdings mit einzubeziehen. In solchen Fällen muss von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen. Ein weiterer Bemessungsfaktor ist natürlich die Intensität der Persönlichkeitsverletzung, etwa eine nachhaltige Störung des Privatlebens oder eine besondere Hartnäckigkeit entsprechender Rechtsverletzungen. Allerdings darf die Geldentschädigung in Pressesachen keine Höhe erreichen, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (Vgl. BGH, Urt. v. 15.11.1994 – VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1 (16); ferner Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn 77).

 

e) Sonstiges

Die Ausführungen zur Besteuerung, zur Anrechenbarkeit und zum Prozessualen des Schmerzensgeldanspruchs dürften weitgehend auf den Geldentschädigungsanspruch übertragbar sein.

Besonderheiten gelten hinsichtlich Übertragbarkeit und Vererblichkeit: Ob der Anspruch auf Gewährung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abtretbar (und damit pfändbar, § 851 Abs. 1 ZPO) ist, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden (Ausdrücklich offengelassen von BGH, Beschl. v. 18.6.2020 – IX ZB 11/19, NJW-RR 2020, 995 Rn 15; v. 22.5.2014 – IX ZB 72/12, NJW-RR 2014, 1009 Rn 16; Urt. v. 24.3.2011 – IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rn 36. Das zur alten Rechtslage (§ 847 Abs. 1 S. 2 BGB a.F., der Übertragbarkeit und Vererblichkeit ausschloss) ergangene Urteil des VI. Zivilsenats des BGH v. 25.2.1969 (VI ZR 241/67, VersR 1969, 519, juris Rn 33), das von Unübertragbarkeit ausging, ist dagegen mit Aufhebung des § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. zum 1.7.1990 (BGBl. I 1990, 428) überholt).

Entschieden ist dagegen, dass der Anspruch nicht vererblich ist, wenn er dem Berechtigten nicht noch zu Lebzeiten rechtskräftig zugesprochen wurde (BGH, Urt. v. 23.5.2017 – VI ZR 261/16, BGHZ 215, 117 Rn 12 ff.; v. 29.11.2016 – VI ZR 530/15, NJW 2017, 800 Rn 8; v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45 Rn 4 ff; ebenso OLG Köln, Urt. v. 29.5.2018 – 15 U 64/17, juris Rn 709 ff. – „Kohl-Protokolle“).

An dieser maßgeblich auf die Genugtuungsfunktion des Anspruchs abstellenden Rechtsauffassung hat der BGH zuletzt in seiner Entscheidung zu den sog. „Kohl-Protokollen“ ausdrücklich festgehalten, weil einem Verstorbenen keine Genugtuung mehr verschafft werden könne (BGH, Urt. v. 29.11.2021 – 258/18, BGHZ 232, 68 Rn 10 ff.; die Verfassungsbeschwerde der unterlegenen Klägerin wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, Beschl. v. 24.10.2022 – 1 BvR 110/22, NJW 2023, 757). In der Literatur wird die Annahme des BGH, der Anspruch sei grundsätzlich unvererblich, ganz überwiegend abgelehnt (Vgl. statt vieler: Götting, GRUR 2022, 369 (373 f.); Gsell, NJW 2022, 868 (871); Hager, JA 2022, 338 (339); BeckOGK BGB/Brand, 1.3.2022, BGB § 253 Rn 43).

Diese Kritik aufnehmend beabsichtigt der Gesetzgeber nunmehr, die als unbillig empfundene Schutzlücke zu schließen und die Vererblichkeit von Geldentschädigungen aufgrund von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch eine Ergänzung des § 1922 BGB klarzustellen (RefE BMJ v. 15.5.2024 zur Änderung des BGB – Einsichtnahme in die Patientenakte und Vererblichkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzung).

 

f) Sonderfall: Geldentschädigung wegen Verletzung des Selbstbestimmungsrechts?

In seinem Urteil vom 2.4.2019 (VI ZR 13/18, „Weiterleben als Schaden“) (BGHZ 221, 352 Rn 23; die Verfassungsbeschwerde des unterlegenen Klägers wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, Beschl. v. 7.4.2022 – 1 BvR 1187/19, juris) hat der VI. Zivilsenat des BGH angedeutet, es könnte einen Anspruch auf Geldentschädigung auch wegen einer Verletzung des Selbstbestimmungsrechts geben, wenn lebenserhaltende Maßnahmen gegen den Willen des Patienten aufrechterhalten werden. Letztlich konnte er dies aber offenlassen, weil ein gegen die im dortigen Fall durchgeführte Sondenernährung stehender Wille des inzwischen verstorbenen Patienten vom Berufungsgericht nicht festgestellt werden konnte.

Obwohl das Selbstbestimmungsrecht des Patienten insoweit (auch) dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entspringt, es sich auch bei einem solchen Anspruch also letztlich um einen Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelte, wäre er vom vorstehend behandelten Anspruch zu unterscheiden. Insbesondere die Vererblichkeitsfrage dürfte hier nach Auffassung der Autoren der „SchmerzensgeldBeträge“ abweichend zu beurteilen sein.

 

Ein Auszug aus dem Buch Hacks / Wellner / Klein / Kohake (Hrsg.) SchmerzensgeldBeträge 2025 (Buch mit Online-Zugang) SchmerzensgeldBeträge 2025 (Buch mit Online-Zugang), 43. Auflage, 2024, AII S. 27-29.

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