Beitrag

Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung in der 20. Legislaturperiode

Mit ihren Stellungnahmen Nr. 51/ 2023 und Nr. 66/ 2023 haben die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und der Deutsche Anwaltverein (DAV) einen gemeinsamen Katalog mit ihren Vorschlägen zur linearen Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung sowie zu strukturellen Änderungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) vorgelegt.

Der Stellungnahme ist ein Eckpunktepapier von BRAK und DAV vorausgegangen, das vom Bundesjustizministerium den Landesjustizverwaltungen mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zur Verfügung gestellt worden ist.

Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den Vorschlägen von BRAK und DAV, darüber hinaus aber auch mit darin nicht enthaltenen weiteren wünschenswerten Änderungen und Klarstellungen im RVG.

 

I. Lineare Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung

BRAK und DAV weisen darauf hin, dass durch die Ankoppelung der Vergütungshöhe anden Gegenstandswert die Bearbeitung kleiner Streitwerte für Rechtsanwälte unwirtschaftlich ist. Das werde durch höhere Streitwerte subventioniert. Auf diese Weise gewährleiste das RVG der gesamten Bevölkerung den Zugang zum Recht, ohne dass es (mit Ausnahme von Beratungs- und Prozesskostenhilfe für die vulnerabelsten Bevölkerungsteile) einer staatlichen Subvention bedürfe.

Allerdings könne das RVG diese Funktion nur leisten, wenn die Abrechnung nach dem RVG wirtschaftlich attraktiv bleibe und Rechtsanwälte nicht flächendeckend auf Vergütungsvereinbarungen ausweichen müssten. Die Anwaltschaft sei deshalb aktuell dringend auf eine zeitnahe lineare Erhöhung ihrer Vergütung angewiesen.

Die hohen und stetig wachsenden Kosten, eine Kanzlei zu unterhalten, müssten sich in der Rechtsanwaltsvergütung widerspiegeln. Stichhaltige Argumente gegen eine lineare Erhöhung der zuletzt zum 1.1.2021 durchdas KostRÄG 2021 (Gesetz zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 – KostRÄG 2021) v. 21.1.2020 (BGBl I, 3229).) angepassten Anwaltsvergütung lassen sich insbesondere angesichts des spätestens seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24.2.2022 gestiegenen Inflation (2021: 3,1%, 2022: 6,9%, Mai 2023: 6,1%.) schwerlich finden.

BRAK und DAV weisen insoweit zutreffend darauf hin, dass sich hierdurch auch die Kosten für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erhöht haben dürften. Auch die in 2023 erzielten Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst für Bundes- und Kommunalbeamte und der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung einer Inflationsausgleichs-Sonderzahlung für berufliche Betreuer, Betreuungsvereine und ehrenamtliche Betreuer und zur Änderung des Betreuungsorganisationsgesetzes (BetrInASG) böten eine Orientierungshilfe.

Durch das KostRÄG 2021 ist zum 1.1.2021 eine lineare Anpassungaller Wert-, Fest- und Betragsrahmengebühren um 10% erfolgt. Die Betragsrahmengebühren im Sozialrecht sind um 20% angehoben worden. Einen konkreten Vorschlag für die jetzt angestrebte lineare Erhöhung enthält die Stellungnahme dagegen nicht. Eine pauschale Indexierung der Anwaltsvergütung würde die etwas mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten des KostRÄG zum 1.1.2021 erneut vorgeschlagene gesetzliche Anpassung der Anwaltsgebühren zwar vermeiden. Ob diese Indexierung insbesondere mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist, dürfte allerdings problematisch sein.

Zu bedenken ist, dass im Falle der vorgeschlagenen linearen Erhöhung der Gebühren des RVG auf die Staatskassen Mehrausgaben im Bereich der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütungen gerichtlich bestellter und beigeordneter Rechtsanwälte sowie der im Rahmen von Beratungshilfe tätigen Anwälte zukommen dürften (§§ 44, 45 RVG), auch wenn BRAK und DAV darauf verweisen, dass die Zahlen der bewilligten PKH-Anträge und bei Beratungshilfe aufzuwendenden Kosten seit Jahren rückläufig sind.

Wird aber davon ausgegangen, dass auch die Sach- und Personalkosten der Justiz seit dem Inkrafttreten des KostRÄG zum 1.1.2021 gestiegen sind, ist davon auszugehen, dass die Länder wie auch im KostRÄG 2021 die Forderung aufstellen werden, eine Erhöhung der Gerichtsgebühren im GKG, FamGKG, GNotKG und JVKostG mit in den Blick zu nehmen. Das gilt entsprechend für die Tätigkeit der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, die Kosten nach dem GvKostG für die Länder erheben. Von einer Anhebung der Gebührenbeträge des GNotKG würden allerdings auch die Notarinnen und Notare profitieren, deren Gebührentabellen seit dem 1.8.2013 unverändert sind.

 

II. Strukturelle Änderungen und Klarstellungen

Anpassung der Zusatzgebühr nach Nr. 1010 VV

Nach Nr. 1010 VV entsteht eine Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil3 VV richten und mindestens drei gerichtliche Termine stattfinden, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen werden. Die Gebühr entsteht nach der Anm. zu Nr. 1010 VV für den durch besonders umfangreiche Beweisaufnahmen anfallenden Mehraufwand.

Nach den Motiven des Gesetzgebers zur Einführung der Zusatzgebühr Nr. 1010 VV durch das 2. KostRMoG zum 1.8.2013 soll diese Zusatzgebühr den besonderen Aufwand bei sehr umfangreichen Beweisaufnahmen ausgleichen (BT-Drucks 17/ 11471, 272). Es soll der Wegfall der inder BRAGO noch vorgesehenen Beweisgebühr in bestimmten Ausnahmenfällen kompensiert werden, namentlich in umfangreichen Bau- oder Arzthaftungssachen.

Die Gebühr soll den mit besonders umfangreichen Beweisaufnahmen anfallenden Mehraufwand durch eine Zusätzliche Gebühr bzw. durch eine Anhebung der Terminsgebühr ausgleichen.

BRAK und DAV schlagen nunmehr vor, Nr. 1010 VV zu ändern, weil der Gebühr in der Praxis aufgrund der hohen Hürde (Kombination aus besonders umfangreicher Beweisaufnahme und drei gerichtlichen Terminen) fast nie zur Anwendung komme, Rechtsanwälten allerdings bei mehreren Terminen ein erheblicher zusätzlicher Aufwand entstehe:

„Die Terminsgebühr erhöht sich in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 richten und mehr als zwei Termine (sowohl gerichtliche einschließlich der vor einem Güterichter als auch von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumte Termine) mit einer Gesamtdauer von insgesamt mehr als 120 Minuten wahrgenommen werden, um 0,3; bei Betragsrahmen erhöhen sich der Mindest- und Höchstbetrag der Terminsgebühr um 30%.“

Durch die vorgeschlagene Änderung würde der ursprünglich verfolgte Zweck der Regelung in Nr. 1010 VV entfallen, nur den besonderen Mehraufwand bei sehr umfangreichen Beweisaufnahmen abzugelten (BT-Drucks 17/ 11471, 272.).

Die Gebühr würde dann nämlich unabhängig von der Durchführung einer Beweisaufnahme bereits die Teilnahme anmehr als zwei gerichtlichen Terminen mit einer Gesamtdauer von insgesamt mehr als 120 Minuten abgelten. Aus der Gebühr würde dann eine reine Zusatzgebühr zur Terminsgebühr. Es käme dann nicht mehr darauf an, ob eine Beweisaufnahme stattfindet.

Problematisch wird es in der Praxis dann aber weiterhin sein, die für die Entstehung dieser Zusatzgebühr erforderliche Gesamtdauer der Termine von mehr als 120 Minuten festzustellen. In den von Teil 3 VV erfassten gerichtlichen Verfahren wird nämlich regelmäßig keine Terminsdauer protokolliert. So scheitert an der fehlenden Feststellbarkeit der Terminsdauer derzeit auch regelmäßig der Ansatz der Pauschale für die Inanspruchnahme von Videokonferenzverbindungen (Nr. 9019 GKG KV, Nr. 2015 FamGKG KV, Nr. 31016 GNotKG KV) mit 15,00 EUR für jede angefangene halbe Stunde. Deshalb ist die geplante Aufhebung dieser Regelungen (Vgl. Art. 13 bis 15 des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten v. 23.8.2023 – BT-Drucks 20/ 8095.) auch aus dieser Erwägung heraus zu begrüßen.

Auch die praktische Umsetzung der klarstellenden Regelungen zum Längenzuschlag in dem durch das KostRÄG zum 1.1.2021 eingefügten Abs. 3 in der Vorbem. 4.1 VV ist in der Praxis häufig schon deshalb ausgeschlossen, weil die Gerichte die hierfür erforderlichen Daten nicht protokollieren.

Eine Abgeltung des Aufwands beider Teilnahme anmehr als zwei gerichtlichen Terminen könnte mit Blick auf die geschilderten praktischen Probleme besser durch eine von der konkreten Terminsdauer unabhängige Regelung erreicht werden.

Ziel jedes Gebührentatbestands sollte es nämlich insbesondere zur besseren Anwendbarkeit in den Festsetzungsverfahren (z. B. § 55 RVG, §§ 103 ff. ZPO) sein, klare, praktikable und unmissverständliche Regelungen zu treffen. Eine in der Praxis gut anwendbare Anpassung der Nr. 1010 VV könnte deshalb bspw. wie folgt aussehen:

„Zusatzgebühr zur Terminsgebühr in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 richten und in der Angelegenheit mehr als zwei Termine (sowohl gerichtliche einschließlich der vor einem Güterichter als auch von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumte Termine) wahrgenommen worden sind……….. die Terminsgebühr erhöht sich um 0,3; bei Betragsrahmengebühren erhöhen sich der Mindest- und Höchstbetrag der Terminsgebühr um 30%.“

Dieser Vorschlag würde dazu führen, dass ab der Wahrnehmung des dritten gerichtlichen Termins in derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit zusätzlich zur Terminsgebühr eine 0,3-Zusatzgebühr verdient wird. Für die von Teil 3 VV erfassten gerichtlichen Verfahren würde damit eine ähnliche Regelung geschaffen wie für die Terminsgebühr in Straf- und Bußgeldsachen, diesogar jewahrgenommenem Hauptverhandlungstermin anfällt.

 

>> Weiterlesen: Den gesamten Aufsatz zur Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütung in der 20. Legislaturperiode finden Sie in der AGS 2023, 433 ff., den wir Ihnen hier im Rahmen einer Leseprobe vollständig und kostenfrei zur Verfügung stellen. <<

 

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