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Die Medizinisch-Psychologische Untersuchung

Zur interdisziplinären fachlichen Basis der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung

Die Medizinisch-Psychologischen Untersuchungen (MPU), die in einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (BfF) durchgeführt werden, fußen auf einer Vielzahl von Grundlagendisziplinen. Deshalb ist die Basisliteratur auch weit gestreut. Wichtige Beiträge liefert die Allgemeine Psychologie, soweit sie sich z.B. mit grundlegenden Fragen der Wahrnehmung und des Verhaltens beschäftigt. Auch die Persönlichkeitspsychologie, die Sozialpsychologie und die Entwicklungspsychologie spielen eine Rolle, ebenso wie die Pharmakopsychologie, die Rechtspsychologie sowie die pädagogische und die klinische Psychologie.

Darüber hinaus haben sich so gut wie alle Teildisziplinen der Medizin mit der Frage zu beschäftigen, ob die jeweils behandelten Krankheiten und Behandlungsmittel die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen tangieren. Besondere Bedeutung haben natürlich Fragen in Zusammenhang mit Erkrankungen der Sinnesorgane (insbesondere Auge/Ohr) und der Psychiatrie bzw. Neurologie.

Wenn es um die Frage geht, ob technische Vorrichtungen beispielsweise helfen können, bei Körperbehinderungen die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederherzustellen, sind auch die amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr, kurz aaSoP der Technischen Prüfstellen für den Kraftfahrzeugverkehr der TÜV und der DEKRA gefragt.

Herausragende Bedeutung hat auch die Kriminologie. Ein großer Teil der strafrechtlichen Verfahren beschäftigt sich mit Verkehrsstraftaten und -verstößen. Hier arbeitet die Kriminologie in der Schnittfläche zwischen Psychologie, Soziologie, Psychopathologie und Rechtswissenschaft.

Was nun die juristischen Aspekte der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen angeht, so steht hier neben der strafrechtlichen und der versicherungsrechtlichen Seite insbesondere der verwaltungsrechtliche Aspekt im Vordergrund, speziell wenn die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Frage steht.

 

Ein Einblick in die Denk- und Arbeitsweise der Begutachtungsstellen für Fahreignung

Der folgende Teil beschäftigt sich also mit den Fakten und Methoden, die in der Eignungsbeurteilung im Rahmen der Medizinisch-Psychologischen Untersuchungen relevant sind. Die Ausführungen verfolgen das Ziel, einen Einblick in die Denk- und Arbeitsweise der Begutachtungsstellen für Fahreignung zu vermitteln. Dabei soll die wissenschaftliche Fundierung in der Literatur nicht im Detail angegeben werden. Es soll nur an den wichtigsten Stellen weiterführende oder Überblick bietende Literatur zu den o.g. Fachgebieten genannt werden. Die Schnittstelle zwischen Medizinisch-Psychologischer Untersuchung und juristischen Aspekten betreffend wird hiermit vorweg auf Literaturstellen verwiesen, um im folgenden Text dann auf weitere Verweise in der Regel zu verzichten.

Grundlegend zur Frage der rechtlichen Behandlung der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung war zunächst das juristische Standardwerk von Himmelreich/Hentschel, „Fahrverbot – Führerscheinentzug“, das inzwischen nicht mehr zu beziehen ist. Flankierend hierzu haben Hentschel/Krumm einen Leitfaden für die Praxis herausgegeben. Er trägt den Titel „Fahrerlaubnis | Alkohol | Drogen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht“ und ist 2023 in 8. Auflage erschienen.

Zum Abschluss dieser Vorüberlegungen sei hier daran erinnert, dass sich alle fachlichen Disziplinen und alle Beteiligten in ihren verschiedenen Rollen dadurch verbunden sehen können, dass sie sich ausnahmslos der Verkehrssicherheit verpflichtet fühlen. Diese bildet daher eine Brücke der Verständigung, auch im Falle eines Konflikts zwischen den beteiligten Personen und Stellen. Deshalb soll im Folgenden auch der Schwerpunkt auf diesen Verkehrssicherheitsaspekten und ihren Beziehungen zu den Prinzipien der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung liegen.

 

Stellung der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung im Fahrerlaubniswesen

Der öffentliche Straßenverkehr ist ein sehr komplexes Zusammenspiel vieler verschiedener Teilnehmer und wird aufgrund seines hohen Gefährdungspotenzials stark reglementiert. Zu den wichtigsten Gesetzesgrundlagen zählen das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und die Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Hierin ist für alle Verkehrsteilnehmer gleichermaßen bindend festgelegt, wie sie sich im öffentlichen Straßenverkehr zu verhalten haben. Das Prinzip der Gleichbehandlung gilt auch für den Fall eines Verstoßes gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen. Welche Konsequenzen ein bestimmter Verstoß hat, ist u.a. in den Bußgeldkatalogen und dem Mehrfachtäter-Punktesystem festgeschrieben und für alle „Verkehrssünder“ gleich. Folglich werden alle Verhaltensweisen im Straßenverkehr an identischen Regeln gemessen und Verstöße nach identischen Grundsätzen bewertet sowie identische Sanktionen in die Wege geleitet. Vonseiten der Fahrerlaubnisbehörden sind in besonders gravierenden Fällen, wie beispielsweise der wiederholten Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss, einschneidende Maßnahmen, wie etwa der Fahrerlaubnisentzug, zu ergreifen.

 

Nachweis über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen

Häufig wird die Anordnung zur Teilnahme an einem Nachschulungskurs oder zur Vorlage eines Gutachtens über die Fahreignung von den Betroffenen als zusätzliche Strafe empfunden. Jedoch liegt es nicht im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde, ob ein Nachweis über die Fahreignung erbracht werden muss oder nicht. Die Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist durch entsprechende Gesetzestexte im Straßenverkehrsgesetz (§ 2a und § 4) und in der FeV (insbesondere §§ 10, 11, 13, 13a, 14 und Anlage 4) klar geregelt. So wird der Nachweis über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Regel erforderlich, wenn:

  • eine Ausnahme vom Erfordernis des Mindestalters gemacht werden soll (§ 10 FeV),
  • ein Fahrerlaubnisbewerber in der Fahrprüfung erhebliche Auffälligkeiten zeigt (§ 11 FeV),
  • ein erheblicher Verstoß oder wiederholte Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften vorliegen (§ 11),
  • es zu einer erheblichen Straftat oder wiederholten Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr gekommen ist (§ 11 FeV),
  • Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder der Fahreignung bekannt werden, die auf ein hohes Aggressionspotenzial schließen lassen (§ 11 FeV),
  • Fahrer mit besonderer Verantwortung bei der Fahrgastbeförderung überprüft werden (§ 48 FeV i.V.m. §§ 11–14 FeV),
  • durch ein ärztliches Gutachten Anzeichen für einen Alkoholmissbrauch vorliegen (§ 13 FeV),
  • es zu wiederholten Alkoholauffälligkeiten im Straßenverkehr gekommen ist (§ 11 FeV),
  • eine einmalige Alkoholauffälligkeit mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von mindestens 1,6 ‰ oder einer entsprechenden Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,8 mg/l aktenkundig wird (§ 11 FeV),
  • geprüft werden soll, ob ein Alkoholmissbrauch oder eine Alkoholabhängigkeit noch vorliegt (§ 11 FeV),
  • durch ein ärztliches Gutachten Anzeichen für Cannabismissbrauch vorliegen (§ 13a FeV)
  • es zu wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss gekommen ist (§ 13a FeV)
  • geprüft werden soll, ob eine Cannabisabhängigkeit oder ein Cannabismissbrauch nicht mehr besteht (§ 13a FeV),
  • geprüft werden soll, ob der Betroffene noch abhängig ist oder weiterhin Stoffe im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes, psychoaktiv wirkende Arzneimittel oder sonstige psychoaktiv wirkende Stoffe einnimmt (§ 14 FeV),
  • die Fahrerlaubnis mehrfach entzogen wurde oder
  • aus einem der vorgenannten Gründe entzogen wurde.

 

Nicht immer wird bei Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr die Fahrerlaubnis direkt entzogen. Vielmehr kann häufig in einer MPU, also noch vor dem Entzug der Fahrerlaubnis, überprüft werden, ob diese Maßnahme wirklich angemessen und erforderlich ist.

Somit ergänzen Ärzte und Psychologen, die in entsprechenden Fällen auch amtlich anerkannte Sachverständige oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr einbeziehen können, in der Begutachtung das Prinzip der Gleichbehandlung um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. hierzu auch Geiger, Die Bedeutung der medizinisch-psychologischen Untersuchung im Fahrerlaubnisrecht, NZV, 20 (10), 2007, S. 489–492). Dabei fungieren die amtlich anerkannten Begutachtungsstellen als unabhängige und neutrale Instanzen bei der Wahrung und Abwägung der z.T. konkurrierenden Interessen nach Verkehrssicherheit einerseits und nach Berücksichtigung von Persönlichkeitsrechten des betroffenen Kraftfahrers andererseits.

 

Die Fahrerlaubnisbehörde

Bei einer Ersterteilung oder nach Fahrerlaubnisentzug muss bei der Fahrerlaubnisbehörde ein Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis gestellt werden. Ergeben sich dann aus der Aktenlage Zweifel an der Eignung (s.o.), veranlasst die Behörde die Durchführung einer MPU. Hierzu wird dem Antragsteller üblicherweise eine Liste mit amtlich anerkannten Begutachtungsstellen aus der Region zur Verfügung gestellt, von denen er eine benennen kann. Alternativ kann er auch eine nicht aufgelistete Begutachtungsstelle mit der Untersuchung beauftragen. Dabei muss er jedoch darauf achten, dass die Stelle amtlich anerkannt ist . Die Fahrerlaubnisbehörde übersendet der benannten Begutachtungsstelle in Vorbereitung auf die Untersuchung die Führerscheinakte des Antragstellers. Nach Akteneingang wird in der Begutachtungsstelle die Untersuchung durchgeführt, das Gutachten verfasst und dem Begutachteten (Antragsteller) übersandt. Der Antragsteller legt dann das Gutachten bei der Fahrerlaubnisbehörde vor.

Zu beachten ist dabei, dass das medizinisch-psychologische Gutachten lediglich zur Vorbereitung der Entscheidung über die Belassung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis dient. Die eigentliche Entscheidung über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen trifft alleine die Fahrerlaubnisbehörde unter Zuhilfenahme des erstellten Gutachtens. Dies setzt eine kritische Prüfung des medizinisch-psychologischen Gutachtens durch die Fahrerlaubnisbehörde voraus. Unter anderem aus diesem Grund ist die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung kein selbstständig anfechtbarer Verwaltungsakt.

 

Abb.: Die Medizinisch-Psychologische Untersuchung im Kontext des Verwaltungsverfahrens (Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP)/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) (Hrsg.), Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung: Beurteilungskriterien, 3. Aufl. 2013, S. 44. Hinweis: In der 4. Aufl. ist die Abbildung nicht mehr enthalten. Sie behält aber dennoch ihre Gültigkeit und wird daher hier zur besseren Übersicht dargestellt.)

Weiterhin zu bedenken ist, dass die Behörde die Untersuchung zwar veranlasst, also die Anordnung zur Beibringung des medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung trifft, jedoch die primäre Rechtsbeziehung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zwischen der Begutachtungsstelle und dem betroffenen Bürger besteht. Der Bürger ist Auftraggeber der Begutachtung. Er hat folglich auch das Entgelt zu entrichten und ihm steht daher das alleinige Verfügungsrecht über das Gutachten zu. Für die Begutachtungsstelle bedeutet das, dass sie gegenüber dem Untersuchten zum einen alle Verpflichtungen, die sich aus § 203 Strafgesetzbuch und aus den einschlägigen Datenschutzbestimmungen ergeben, zu wahren hat.

Zum anderen ist die Begutachtungsstelle als Auftragnehmer (im Sinne eines zivilrechtlichen Werkvertrages) verpflichtet, ein mängelfreies, d.h. ein nach den Grundsätzen der Anlassbezogenheit und Verhältnismäßigkeit und nach den in der Anlage 4a FeV („Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten“) formulierten Anforderungen erstelltes Werk zu liefern. Bei in dieser Hinsicht eindeutigen Mängeln kann der Auftraggeber (Klient) die Begutachtungsstelle zu einer Nachbesserung des Gutachtens auffordern. Bei Verweigerung seitens der Begutachtungsstelle entweder der Nachbesserung oder (wenn eine Nachbesserung nicht möglich ist) der Erstattung des Entgeltes bietet sich der Rechtsweg an.

 

Kosten für eine MPU

Bis zum 31.7.2018 waren die Kosten für eine MPU in der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (kurz: GebOSt) geregelt und bundesweit gültig. Mit Inkrafttreten des Art. 1 des „Sechsten Gesetzes des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze“ am 7.12.2016 wurde die Gebühr für die MPU aus der Gebührenordnung herausgelöst. Danach richtete sich das Entgelt für eine MPU nach § 6f Abs. 2 StVG. Seit dem 1.8.2018 können die Begutachtungsstellen die Entgelte jedoch frei bestimmen. Dies hat zur Folge, dass es zwischen den amtlich anerkannten Trägern von Begutachtungsstellen für Fahreignung deutliche Preisunterschiede (z.T. mehrere Hundert EUR) für eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung gibt. Daher ist ein Preisvergleich vor Beauftragung einer BfF dringend zu empfehlen, der allerdings dadurch erschwert wird, dass die Träger nicht verpflichtet sind, ihre Preise zu veröffentlichen. Zudem berufen sich die Träger nachvollziehbarerweise darauf, dass der Aufwand für eine Begutachtung erst kalkuliert werden kann, wenn der Anlass und die Fragestellung der MPU bekannt sind.

 

Nachweisdiagnostik, Entlastungsdiagnostik und Überprüfungsdiagnostik

Grundsätzlich kann ein Gutachten als entscheidungsorientierte Diagnostik angesehen werden, die drei verschiedene Ziele verfolgen kann: Nachweisdiagnostik, Entlastungsdiagnostik und Überprüfungsdiagnostik.

Als Nachweisdiagnostik bezeichnet man den Versuch des Antragstellers, mit einem Gutachten nachzuweisen, dass er spezifische Anforderungen, die an den Inhaber oder Bewerber einer bestimmten Fahrerlaubnis gestellt sind, erfüllt. Dies ist beispielsweise bei der Fahrgastbeförderung oder der Unterschreitung des Mindestalters der Fall.

Wurde ein Antragsteller als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen eingestuft, so ist das Ziel eines beizubringenden Gutachtens die Entlastungsdiagnostik. Mithilfe des Gutachtens will der Betroffene die bestehenden Eignungsbedenken entkräften. Die Entlastungsdiagnostik ist somit das häufigste Ziel eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.

Von Überprüfungsdiagnostik wird gesprochen, wenn die Fahrerlaubnisbehörde zwar Hinweise auf eine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hat, diese jedoch allein nicht ausreichen, um dem Betroffenen die Fahreignung abzusprechen. Die Überprüfungsdiagnostik dient in diesem Falle vor allem der Klärung, ob ein relevanter Eignungsmangel vorhanden ist, und kommt daher zumeist bei Medizinisch-Psychologischen Untersuchungen von Fahrerlaubnisinhabern (sog. Belassungen) zum Tragen. Insbesondere ist die Überprüfungsdiagnostik häufig Anlass einer ärztlichen Begutachtung (vgl. § 18 Rdn 19 f.).

 

Das Fahreignungsseminar und Aufbauseminare

Das Fahreignungsseminar (FES) nach § 42 FeV (i.V.m. § 4 StVG) stellt eine Möglichkeit zum Punkteabbau dar. Dabei steht es lediglich Fahrerlaubnisinhabern zur Verfügung, welche sich nicht mehr in der Probezeit befinden. Bei 1 bis 5 Punkten im Fahreignungsregister (FAER) kann bei freiwilliger Teilnahme am FES 1 Punkt abgebaut werden, allerdings nur einmalig in fünf Jahren. Bei 6 und 7 Punkten im FAER ist der Punkteabbau nicht mehr möglich.

Fahrer, die in der Probezeit aufgefallen sind, bekommen die Aufforderung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 35 FeV. Drogen- und/oder alkoholauffällige Fahrer in der Probezeit müssen ein Besonderes Aufbauseminar nach § 36 FeV absolvieren. Im Gegensatz zum FES werden beim Aufbauseminar bzw. Besonderen Aufbauseminar keine Punkte abgebaut. Die Vorlage der Teilnahmebescheinigung beugt in der Regel jedoch einem Fahrerlaubnisentzug vor.

Das vorrangige Ziel des FES ist es, mehrfach verkehrsauffällig gewordenen Kraftfahrern zu helfen, ihr Fehlverhalten zu erkennen, die Ursachen hierfür zu ergründen und das Fehlverhalten nachhaltig zu ändern, damit zukünftig ein regelkonformes Verhalten im Straßenverkehr erwartet werden kann. Das FES dient somit im günstigsten Fall der Vorbeugung einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung. Das FES besteht aus einem verkehrspädagogischen und einem verkehrspsychologischen Teil.

 

Der verkehrspädagogische Teil

Der verkehrspädagogische Teil kann in einer Fahrschule mit einem nach § 31a Abs. 2 Fahrlehrergesetz (FahrlG) zugelassenen Fahrlehrer absolviert werden. Dieser Teil umfasst zwei 90-minütige Einzel- oder Gruppensitzungen, in denen folgende Themen nachgeschult werden:

  • Kenntnisse zum Risikoverhalten zur Schaffung eines Gefahrenbewusstseins und
  • Selbstreflexion und Aufbau von Verhaltensalternativen.

Zu beachten ist dabei, dass zwischen erster und zweiter Sitzung mindestens eine Woche liegen muss.

 

Der verkehrspsychologische Teil

Der verkehrspsychologische Teil wird von einem nach § 4a Abs. 4 StVG zugelassenen Verkehrspsychologen durchgeführt. Dieser Teil umfasst ebenfalls zwei Sitzungen, wird jedoch grundsätzlich als Einzelmaßnahme durchgeführt. Dabei werden folgende Schwerpunkte bearbeitet (vgl. § 42 FeV):

  • Verhaltensanalyse mit Erarbeitung der zugrunde liegenden Bedingungen und
  • Entwicklung von Lösungsstrategien.

Hierbei stehen in der ersten Sitzung

  1. „die Erarbeitung der auslösenden und aufrechterhaltenden inneren und äußeren Bedingungen der Verkehrszuwiderhandlungen als Verhaltensanalyse,
  2. die Erarbeitung der Funktionalität des Fehlverhaltens in Form einer Mittel-Zweck-Relation,
  3. die Aktivierung persönlicher Stärken und Unterstützungsmöglichkeiten sowie Motivationsarbeit
  4. die Ausarbeitung schriftlicher Zielvereinbarungen, diese umfassen
    a) die Spezifikation des Zielverhaltens in Form von Lösungsstrategien,
    b) die Festlegung der Verstärker, Belohnungen und positiven Konsequenzen und
    c) die Festlegung der zu erreichenden Schritte“

im Fokus. Zum Abschluss der ersten Sitzung werden „Selbstbeobachtung des Verhaltens in kritischen Situationen“ und „Erprobung des neuen Zielverhaltens“ als Hausaufgabe mit auf den Weg gegeben.

Die zweite Sitzung wird dann genutzt, um die erarbeiteten Lösungsstrategien zu festigen. Dabei werden die Selbstbeobachtungen gemeinsam ausgewertet und daraus Zielvereinbarungen abgeleitet, welche in die Erarbeitung neuer Verhaltensalternativen münden. Ein wesentlicher Teil zur Erreichung dieser Seminarziele ist „die Aktivierung persönlicher Stärken und Unterstützungsmöglichkeiten sowie Motivationsarbeit“.

Um der Selbstbeobachtung und Verhaltenserprobung Zeit zu geben, darf die zweite Sitzung nicht vor Ablauf von drei Wochen nach der ersten Sitzung absolviert werden.

In der Regel werden von Fahrlehrern und Verkehrspsychologen mit Seminarerlaubnis Listen vorgehalten, die Kontaktdaten von zugelassenen Verkehrspsychologen bzw. Fahrlehrern enthalten. Diese können dem Klienten als Hilfestellung bei der Organisation des jeweils anderen Teils des FES dienen. Grundsätzlich hat der Klient jedoch die freie Wahl bei der Beauftragung der Fahrlehrer und Verkehrspsychologen, solange diese über die entsprechende Seminarerlaubnis verfügen.

 

Ein Auszug aus dem Buch Pießkalla / DeVol, Die Fahrerlaubnis in der anwaltlichen Beratung, 7. Auflage 2024, S. 507-514.

Eine weitere kostenlose Leseprobe finden Sie in unserer Onlinebibliothek Anwaltspraxis Wissen

 

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