Dieser Beitrag erscheint ebenfalls in der ZAP 10/2021 (ET: 12.5.2021)
Mit rasanter Schnelligkeit wurde die Novelle des Infektionsschutzgesetzes (4. Bevölkerungsschutzgesetz, sog. Bundesnotbremse) zur Eindämmung der grassierenden dritten Welle der Corona-Pandemie geschaffen und am 23.4.2021 in Kraft gesetzt (BGBl I/2021 Nr. 18, S. 802 ff; [Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags, BR-Drucks 315/21 v. 21.4.2021; Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, Deutscher Bundestag, Drucks 19/28692 v. 19.4.2021; Regierungsentwurf, Deutscher Bundestag, Drucks 19/2844 v. 13.4.2021]).
Bundesrechtliche Kontaktbeschränkung (§ 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG)
Das neue Bundesgesetz sieht im Einzelnen bei einer 7-Tage-Inzidenzvon mehr als 100 Infektionen pro 100.000 Einwohnern an drei aufeinanderfolgenden Tagen neue Kontaktbeschränkungen vor (§ 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG): Private Zusammenkünfte im öffentlichen oder privaten Raum sind nur gestattet, wenn an ihnen höchstens die Angehörigen eines Haushaltes und eine weitere Person teilnehmen. Kinder bis 14 Jahre werden dabei nicht mitgezählt. Zusammenkünfte, die ausschließlich zwischen den Angehörigen desselben Haushalts stattfinden, bleiben ebenfalls von dieser Kontaktbeschränkung unberührt. Das gilt schließlich für Treffen unter Ehe- oder Lebenspartnerinnen und -partnern sowie endlich auch für Treffen zur Wahrnehmung eines Sorge- oder Umgangsrechts.
Diese neuen Regeln haben unmittelbare Auswirkungen für jede Form menschlicher Kontakte aus privaten Motiven. Gleichzeitig stehen sie im Verhältnis zu landesrechtlich und etwa kommunalrechtlich geregelten Kontaktbeschränkungen und Kontaktverboten. Sie sind deshalb auch in ihren Auswirkungen auf Mietverhältnisse und deren Abwicklung zu untersuchen. Zu unterscheiden sind
- bundesrechtliche Kontaktverbote und Kontaktbeschränkungen,
- landesrechtliche Vorgaben zur Infektionsabwehr durch Kontaktreduzierungen, und
- regionaleoder kommunale Allgemeinverfügungenoder Einzelverwaltungsakte in konkreten Fällen.
Formelle Bekanntmachung entscheidend
Dabei kommt es auf die hier vorzustellenden neuen Bundesregeln an, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen zur Intensität pandemischer Entwicklungen, festgemacht an den genannten Inzidenzwerten, vorliegen und wenn die nach Landesrecht zuständige Behörde das dann veranlasste zeitliche Eingreifen der neuen gesetzlichen Maßnahmen im § 28b IfSG bekannt gemacht hat (§ 28b Abs. 1 S. 2 u. 3 IfSG). Bis zu einer zurücknehmenden Mitteilung ebenfalls durch Bekanntmachung nach gefallenen Inzidenzwerten greifen dann die genannten Maßnahmen ein, danach nicht mehr (§ 28b Abs. 2 S. 2 IfSG). Nach hier vertretener Auffassung kann aus diesen Bekanntmachungsgeboten im Gegenschluss abgeleitet werden, dass die sog. Bundesnotbremse nur eingreift, solange die tatbestandlich geforderten Inzidenzzahlen eingreifenund kumulativ dazu jeweils auch durch die zuständige Behörde bekannt gemachtworden sind.
Verhältnis zu Landesregelungen
Das neue Gesetz beinhaltet keine Aussagen im Verhältnis zur (ergänzenden) Geltung des Landesrechts zur Pandemieabwehr. § 32 IfSG (Ermächtigung der Landesregierungen zum Erlass von weiteren Rechtsverordnungen) ist nicht einschlägig. Denn der Maßnahmenkatalog in § 28b IfSG ist dort in den Wortlaut der Vorschrift nicht einbezogen. Art. 4 des Gesetzes enthält lediglich temporär geltende Vorschriften zum Inkrafttreten des Bundesrechts, aber ebenfalls keinerlei Aussagen zu seiner Geltung im Verhältnis zum Landesrecht. Daraus ist zu folgern, dass die bundesrechtlichen neuen Kontaktbeschränkungen dann landesrechtliche Vorschriften dazu im Umfang der tatbestandlichen Regelungen überlagern, solange sie formell gelten. Bundesrecht bricht in seinem sachlichen Geltungsbereich Landesrecht (Art. 31, 70 Abs. 1 GG). Landesrecht kann dann außerhalb der tatbestandlichen Regelungen der Bundesnorm ergänzen oder verschärfenoder schließlich schlicht unverändert weiterhin gelten, wenn die Inzidenzwerte wieder „unter das Level“ der Bundesnorm gesunken sind.
Wichtig!
Alle diese Prüfungen sind zu durchlaufen, bevor es um materiell-rechtliche Auswirkungen der neuen Bundesvorschriften zur Kontaktbeschränkung gehen kann.
Geltung nur für „private“ Zusammenkünfte
Seinem Wortlaut folgend ausdrücklich bezieht sich § 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG nur auf private Zusammenkünfte. Dienen Treffen „vorrangig einem Zweck jenseits eines privaten Kontextes (…),“ greift die neue Kontaktbeschränkung folglich nicht. „So liegt beispielsweise keine private Zusammenkunft vor bei Kontakten, die der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit (…) dienen“ (so wörtlich Deutscher Bundestag, Drucks 19/28444,S. 11, 6. Absatz).
Gewerblich tätige Vermieter, deren Angestellte, (selbstständige) Hausmeister, Handwerker, Heizungsablesedienste und Personen, die beruflich in Kontakt mit den Bewohnern einer Mietwohnung kommen, sind somit durch § 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG nicht gebunden.
Klärungsbedürftig bleibt, ob private Vermieter dem gleichgestellt werden können. Soweit sie die genannten Firmen und berufstätigen Personen in Kontakt treten lassen wollen, muss gleiches gelten. Denn auch dann handelt es sich nicht um private Zusammenkünfte mit dem Mieter, dessen Hausstandsangehörigen und/oder dessen Besuchern i.S.d. neuen Kontaktbeschränkung. Im Hinblick auf die eigene Person des privaten Vermieters ist zu bedenken, dass auch er mit der Vermietung Erwerbsinteressenverfolgt. Ob dies mit einer Berufsbezogenheit i.S.d. neuen Rechts gleichzusetzen ist, kann aber offenbleiben. Denn in dem Moment, in dem sich ein Mieter auf die neuen Kontaktbeschränkungen für private Zusammenkünfte direkt gegenüber dem privaten Vermieter beruft, kann sich der Vermieter zumindest durch eine Gewährsperson vertreten lassen. In Betracht kommt dann z.B. die Wahrnehmung seiner Interessen bei vorab begründeter Mitgliedschaft durch einen Interessenverband(„Haus & Grund“) und bei größeren Vermietungsportfolios durch einen etwa eigenen Angestellten.
Nach hier vertretener Auffassung muss auch nicht unbedingt auf einen rein berufsbezogenen Charakter des Treffens abgestellt werden. Vielmehr genügt es, dass die Zusammenkunft „vorrangig einem Zweck jenseits eines privaten Kontexts dient“ (so wörtlich die Gesetzesbegründung: Deutscher Bundestag, Drucks 19/28444, S. 11, 6. Absatz). Eine Berufsbezogenheit wird nur „bspw.“ erwähnt, um das Tatbestandsmerkmal „private Zusammenkunft“ zu eliminieren (Deutscher Bundestag, a.a.O.). Diesem Hinweis des Gesetzgebers kommt also keine konstitutive Funktion zu. Kontakte zwischen Mieter und Vermieter in Bezug auf die Mieträume dienen immer dem Immobilienmanagement und bewegen sich deshalb jenseits eines rein privaten Kontextes. Dann aber kommt es nicht darauf an, ob der Vermieter mit seinem „Vermietungsgeschäft“ tatsächlich berufliche Funktionen ausfüllt oder als privater Vermieter handelt.
Als Zwischenfazitbleibt dann der Befund, dass jedenfalls die neue bundesrechtliche Norm zu Kontaktbeschränkungen keine Auswirkungen auf die Immobilienbewirtschaftung durch Vermietung haben muss.
Davon zu unterscheiden sind landesrechtliche Kontaktbeschränkungen, die nicht auf die Eigenschaft einer privaten Zusammenkunft abstellen, sondern allgemein beschränkende Regeln für jede Form und für jedes Motiv von persönlichen Treffen formulieren. Landeseigene Kontaktbeschränkungen sind in jedem Fall dem privaten Mietrecht vorgreiflich und gelten nicht nur für den öffentlichen Raum, sondern auch für private Treffen in Häusern und in Wohnungen (vgl. z.B. § 2 Coronaschutzverordnung NRW in der Fassung v. 29.3.2021; § 2 Corona-Verordnung Niedersachsen v. 30.10.2020 in der Fassung v. 16.4.2021). Deshalb sind behördlich verfügte Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkungen z.B. bei anstehenden Wohnungsbesichtigungen und Umzügen mit ihren Vorgaben in jedem Fall zu beachten, nicht nur wegen ansonsten verwirklichter Ordnungswidrigkeitstatbestände und Straftatbestände sowie drohender Bußgelder, sondern v.a. im Rahmen einer Gesamtverantwortung aus Gründen des Gesundheitsschutzes. Das bedeutet insb., dass Vorgaben zu Infektionsschutzkonzeptenunbedingt einzuhalten sind, und weiter, dass Kontakte mit Mietern oder deren Hausstandangehörigen in Quarantäne zu unterbleiben haben.
Mietrechtliche Auswirkungen von Kontaktbeschränkungen
Typischerweise kommt es während des Vertragslaufs zu Näheverhältnissenzwischen Vermietern, Mietern, Handwerkern und sonstigen Beauftragten in folgenden Szenarien.
Besichtigung der Mieträume aus konkretem Anlass
Solche konkreten Anlässe ergeben sich z.B.
- bei einem anstehenden Vertragsende mit Mieterwechselund dem damit verknüpften Wunsch, dem möglichen neuen Mieter die Räume zu zeigen,
- ebenso bei einem geplanten Verkauf der Immobilie mit dem Wunsch der Besichtigung mit Kaufinteressenten und Maklern,
- v.a. im Falle eines angezeigten Mangelszur Ermittlung und Begutachtung der behaupteten Mangellage einschl. Ursachenforschung und Reparatur,
- bei einer bekannt gewordenen unerlaubten Wohnungsnutzung im Hinblick auf eine Hygienesituation, einen Schadenseintritt, eine unerlaubte Aufnahme Dritter, und
- schließlich im Falle einer unerlaubten Tierhaltung bzw. im Hinblick auf eingetretene Tierschäden etc.
Müssen Notmaßnahmen ergriffen werden, um Gefahren für Leib und Leben von Bewohnern oder für die Bausubstanz abzuwenden (z.B. Brandbekämpfung, Wasserrohrbruch, ausströmendes Gas), so kann es an einem Zutritts- und Besichtigungsrecht keinerlei Zweifel geben. Der dringende Schutz von Leben, körperlicher Unversehrtheit und Eigentum als verfassungsmäßig verbriefte Grundrechte wiegt dann höher als die Angst eines Mieters vor einer Ansteckung mit Covid-19. Denn solche Ansteckungsgefahren gehören zum allgemeinen Lebensrisiko und sind so lange hinzunehmen, wie sie abstrakter Natur sind (OLG Köln, Urt. v. 23.3.2004 – 22 U 139/03, GE 2005, S. 362 f; so auch die Wertung im Reiserecht bei Pandemien: BGH, Urt. v. 16.5.2017 – X ZR 142/15, Rn 7, 12, höhere Gewalt kann keiner der Vertragsparteien als Risiko zugeordnet werden).
Jenseits dieser Schwelle werden anlassbezogene Besichtigungsrechte zuerkannt, doch steht ihre Durchsetzbarkeit unter dem Verdikt der Zumutbarkeit für den Mieter. Das kommt zum Tragen, wenn es sich bei dem Mieter um eine Person einer Risikogruppe handelt, die aufgrund fortgeschrittenen Alters oder aufgrund von Vorerkrankungen besonders infektionsgefährdet erscheint. Beruft sich der Mieter gegen ein geltend gemachtes Besichtigungsrecht des Vermieters darauf, so kann der Vermieter einen fachärztlichen Nachweis durch Attest verlangen. Einzelheiten zu eventuell vorherrschenden Krankheitsbildern muss das Attest aus Gründen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Mieters und auch aus datenschutzrechtlichen Gründen (Art. 9 DSGVO-2018) nicht ausweisen. Denn medizinische personenbezogene Daten gelten als besonders schützenswert.
Wird der Nachweis innerhalb der hier aufgezeigten Grenzen aber nicht geführt, ist ein Besichtigungsrecht unter Wahrung der landesrechtlich aufgegebenen Hygienekonzepte (Abstand, Maske, Desinfektion, begrenzte Personenanzahl, Lüftung) anzunehmen. Selbstverständlich kann der Mieter schon in Wahrnehmung seines Hausrechts auch derartige Vorkehrungen innerhalb der Besichtigung der Mieträume verlangen. Ebenfalls kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Mieter Kraft seines Hausrechts erkennbar symptomatischen Personen den Zutritt verweigern kann (zum Hausrecht des Mieters Kraft Mietvertrags: BGH, Urt. v.5.6. 2014 – VIII ZR 289/13, juris; OLG Hamm, Urt. v. 22.1.2016 – 11 U 67/15, NJW 2016, S. 1454 f = NZM 2016, S. 316).
Hinweis:
Virtuelle Besichtigungen werden in aller Regel ihrem Zweck nicht gerecht und stellen deshalb keine wirkliche Alternative zu persönlichen Terminen dar.
Ausführung von Baumaßnahmen in der Wohnung (Instandhaltung, Reparatur, Modernisierung)
Analog zur Regelung von Besichtigungen bietet es sich auch bei Streitigkeiten um die Ausführung von Baumaßnahmen in den Mieträumen an, nach deren Dringlichkeit zu entscheiden. Aufgesetzt auf den grundsätzlichen Duldungspflichten des Mieters zu Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen kann dagegen der Einwand geführt werden, aufgrund der Pandemielage und aufgrund einer besonderen persönlichen Risikolage sei dem Mieter und den sonstigen Hausstandsangehörigen die Durchführung von Baumaßnahmen nicht zumutbar.
Sind die Baumaßnahmen dringlich und unaufschiebbar, spricht dies für die Annahme einer trotzdem bestehenden Duldungspflicht. Ist das nicht der Fall und lassen sich die Baumaßnahmen in infektionsärmere und risikolosere Zeiten verschieben, erhält der Einwand des Mieters umso mehr Gewicht.
Grundsätzlich gilt zu notwendigen Handwerkerterminen, die der Überprüfung angezeigter Mängel oder Reparaturmaßnahmen dienen sollen, folgendes: Vorgreiflich gilt auch hier die Kontaktsperre, was die Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum angeht. Betriebsverbote für Handwerker sind damit bislang nicht verbunden. Es liegt in der Natur der Sache, sich auf wirklich zwingende und unaufschiebbare Maßnahmen zu beschränken.
Gleichwohl gilt für anstehende Mangelreparaturen, dass der Mieter seine Gewährleistungsrechte und Ansprüche verliert, wenn er bekannt gewordene oder von ihm selbst angezeigte Mängel nicht beseitigen lässt (BGH, Urt. v. 10.4.2019 – VIII ZR 12/18, juris; AG Charlottenburg, Urt. v. 4.12.2018 – 224 C 297/18, juris; LG Freiburg, Beschl. v. 2.5.2019 – 3 S 10/18, IMR 2019, 442).
Ablesung von Zählerständen und Wärmeerfassungsmessern
Solange ein persönlicher Kontakt, in Pandemiezeiten als „Näheproblem“ empfunden, nicht durch fernablesbare Zähler und Erfassungsgeräte vermieden werden kann, ist es unumgänglich, zur korrekten Erfassung von Verbräuchen die Mieträume zu betreten, um der Pflicht des Vermieters zur Verbrauchsermittlung im Rahmen einer zu erstellenden korrekten Betriebskostenabrechnungzu genügen. Denn einerseits gibt es klare gesetzliche Vorgaben für die Zulässigkeit eines Ersatzes konkret abgelesener Verbrauchswerte durch Schätzwerte, andererseits ist keine Rechtsprechung bekannt geworden, die in Pandemiezeiten diesen gesetzlich begrenzten Fallkatalog zur Vermeidung von (abstrakten) Ansteckungsgefahren erweitert und auch deshalb eine Betriebskostenabrechnung auf der Basis reiner Schätzwerte zulässt. Wie bereits an anderer Stelle betont, kann die bloße abstrakte Gefahr einer Infektion und die Angst des Mieters davor als allgemeines Lebensrisiko auch keine andere Bewertung rechtfertigen. Insbesondere bleibt auch hier die Möglichkeit des Mieters, symptomatischen Personen Kraft seines Hausrechts den Zutritt zu den Mieträumen zu verweigern. Ungeachtet dessen bleibt die Möglichkeit einer Vereinbarung, nach der der Mieter die Zählerstände selbst abliest und die Verbrauchsdaten per Fernkommunikation an den Vermieter oder an den Ablesedienst weiterreicht.
„Vorfahrt“ für Schornsteinfeger
Der Schornsteinfeger ist staatlich „beliehener Unternehmer“ und in dieser Eigenschaft nicht nur Berufsträger, sondern Sicherheits- und Kontrollorgan in Sachen Brandschutz. Die neue Kontaktbeschränkung in § 28b Abs. 1 S. 1 Na. 1 IfSG greift damit für ihn nicht. Auch in Pandemiezeiten muss der Schornsteinfeger ins Haus gelassen werden, damit er die verwendeten Heizungs- und Feuerungsanlagen prüfen kann. Auf Ansteckungsgefahren kann man sich dagegen nicht berufen (VG Hannover, Urt. v. 9.11.2020 – 13 A 4340/20, Pressemitteilung v. 16.11.2020). Geklagt hatte ein Ehepaar, das den Schornsteinfeger nicht in die Wohnung lassen wollte. Stattdessen wurde um Verschiebung des Prüfungstermins gebeten. Daraufhin erließ der Schornsteinfeger eine kostenpflichtige, schornsteinfegerrechtliche Anordnung. Dagegen zog das Ehepaar vor das Verwaltungsgericht – ohne Erfolg. Die Argumentation, man gehöre zur Risikogruppe und dürfe sich deshalb einer Ansteckungsgefahr nicht aussetzen, zog nicht.
Kontrolle der Besucherfrequenz in Privatwohnungen?
Bislang wurde die Möglichkeit des Vermieters, die Häufigkeit von Besuchen und die Anzahl der Besucher in Wohnungen zur Wahrung eines möglichst effektiven Infektionsschutzes im Hause zu beeinflussen oder gar „zu kontrollieren“, zu Recht in Abrede gestellt. Der Vermieter hat als Privatperson weder die Möglichkeit dazu noch gar die Pflicht, insb. nicht aus einem anzunehmenden Mietvertrag mit Schutzwirkung für Dritte (z.B. der Nachbar-Mieter, im Einzelnen dazu: Horst, Corona-Infektion im Mehrfamilienhaus: Und jetzt?, NZM 2020, S. 956 ff). Dies ist, auch manifestiert in den öffentlich-rechtlichen Sanktionen der §§ 73–75 IfSG, ausschließlich den dazu berufenen staatlichen Organen (Gesundheitsamt, Ordnungsamt, Polizei) vorbehalten. Das Infektionsschutzrecht nötigt dem Vermieter somit nicht die Rolle eines „Hilfssheriffs“ ab: Besuchsverhältnisse beim Mieter kann, darf und muss er nicht „überwachen“.
Vertragsende und Wohnungsrückgabe
Statt einer persönlichen Kontaktaufnahme anlässlich der Rückgabe der Wohnung und der Neuvermietung sollte zunächst auch über eine flexible Termingestaltung nachgedacht werden. Kommt das nicht infrage, bietet es sich an, Abreden per Fernkommunikation zu treffen und die Schlüssel nach Vereinbarung in den Briefkasten zu legen. Immer ist dringend zu empfehlen, schriftlichklar zu regeln, dass mit einer Wohnungsrückgabe und Wohnungsübernahme in dieser Form keinerlei (konkludente) rechtliche Erklärungen, z.B. zur Akzeptanz des vorgefundenen Wohnungszustands, verbunden sind. Um den Wohnungszustand festzustellen, bietet es sich an, die Wohnung nach Absprache mit dem Mieter zu fotografieren und die Fotos in ein Protokoll einzubinden. Entweder unterzeichnet der Mieter, oder ein Zeuge. Bevor man in die Wohnung geht, sollten immer ausreichende gesundheitliche Schutzvorkehrungen getroffen werden. Der Mieter sollte gebeten werden zu bestätigen, dass in der Wohnung seiner Kenntnis nach keine coronabestätigten oder coronaverdächtigen Personen anwesend waren.
Umzug
Fragen zur ordnungsbehördlichen Zulässigkeit eines Umzugs beantworten sich ebenfalls nach den bundesrechtlichen und landesrechtlichen Kontaktbeschränkungen. Der Einsatz beruflicher Helfer lässt nach den obigen Darlegungen die bundesrechtliche Norm dazu unberührt, löst jedoch eine notwendige Prüfung der eingreifenden Landesnorm aus.
Lässt sich die öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehrlage nach dem Infektionsschutzrecht mit den eigenen Planungen zur Besichtigung, zur Wohnungsübergabe oder zum Umzug nicht vereinbaren, müssen die Termine schlicht verschoben werden. Eventuell dadurch erlittene Vermögenseinbußen können nur über die öffentlich-rechtliche Entschädigung nach §§ 56 ff. IfSG abgewickelt werden.
Entschädigungsansprüche nach anderen Grundlagen (Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, Entschädigung wegen eines enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriffs oder schließlich auf der Grundlage eines sog. allgemeinen Aufopferungsanspruchs) dürften entfallen. Denn in der ersten Alternative fehlt es an einem Schadensersatz begründenden Verschulden der Behörde: Sie kann gar nicht anders, als der Pandemie durch Kontaktverbote und andere öffentlich-rechtliche Restriktionen zu begegnen, solange ein Impfstoff konkret nicht verimpft wurde und auch therapiebegleitende Medikamente fehlen. Die restlichen Alternativen setzen eine atypische unvorhersehbare Nebenfolge durch rechtmäßiges hoheitliches Handeln voraus; Terminblockaden im Ergebnis sind aber nicht unvorhersehbar, sondern im Gegensatz typisch und auch notwendig. Es fehlt auch jeweils an einem „Sonderopfer“, das dem Anspruchsteller abverlangt wird. Denn die Rechtsgemeinschaft insgesamt ist in gleicher Weise restriktiv verpflichtet.
Verhalten im Mehrfamilienhaus und auf den Grundstücksaußenbereichen?
Ganz analog kann und darf der Vermieter auch keine Maskenpflicht in den Gemeinschaftsflächen oder den Grundstücksaußenbereichen eines Mehrfamilienhauses anordnen (näher: Horst, a.a.O.). Ob er im Sinne eines eigenen Empfehlungsmarketings Masken, Gummihandschuhe und Desinfektionsmittel anbietet, ist eine ganz andere Frage. Verpflichtet ist er aber auch dazu nicht. Der Vermieter haftet nicht für das allgemeine Lebensrisiko seiner Mieter (zur fehlenden Einstandspflicht des Vermieters für das allgemeine Lebensrisiko des Mieters: BGH, Urt. v. 21.2.2018 – VIII ZR 255/16, juris Rn 28; BGH, Urt. v. 16.5.2006 – VI ZR 189/05, juris Rn 7 und 8; BGH, Urt. v. 15.10.2008 – VIII ZR 321/07, juris Rn 18; LG Berlin, Urt. v. 25.9.2019 – 66 S 212/18, juris; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.6.2018 – 7 S 5872/17, juris; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.6.2009 – 7 U 58/09, juris Rn 6 der Entscheidungsgründe = NZM 2010, 85; OLG Köln, Urt. v. 23.3.2004 – 22 U 139/03, GE 2005, S. 362 f.LG Essen, Urt. v. 17.4.1997 – 10 S 646/96, WM 1998,S. 278 – der Vermieter ist in anderen Fällen auch nicht zur „Streithilfe“ verpflichtet).
Was die Gruppenbildung von Mietern, Nachbarn und/Besuchern in den genannten Bereichen des Mehrfamilienhauses angeht, so lässt sich aufgrund eines Treffens in aller Regel aus privaten Motiven eine Relevanz der neuen Kontaktbeschränkung in § 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG ohne Weiteres annehmen. Auch hier ist der Vermieter nicht dazu aufgerufen, deren Einhaltung einzufordern und zu überwachen. Erst recht lässt sich keinerlei vertragliche oder gesetzliche Pflicht in diese Richtung konstruieren (eingehend: Horst, a.a.O.). Wie § 73 Abs. 1a Nr. 11b IfSG zeigt, bleibt auch dies Angelegenheit der dazu berufenen öffentlich-rechtlichen Organe.
Freilich bleibt es dem Vermieter unbenommen, im Rahmen seines Hausrechts einzugreifen, dass ihm an den allgemeinen Flächen im Haus und an den Grundstücksaußenbereichen auch in Vermietungsfällen erhalten bleibt (dazu: AG Wetzlar, Urt. v. 21.2.2008 – 38 C 1287/07, ZMR 2008, 634). Das bezieht sich genauso auf die Verwehrung der Zutrittsmöglichkeit für symptomatische Personen wie für die Auflösung angetroffener Personengruppen (dazu näher: Horst, a.a.O.).
Ferienvermietung
Deutliche Auswirkungen hat die neue „Bundesnotbremse“ dagegen auf die Zulässigkeit von Ferienvermietungen. Unabhängig und isoliert von etwaigen landesrechtlich eingreifenden Verboten ist „die Zurverfügungstellung von Übernachtungsangeboten zu touristischen Zwecken untersagt“ (§ 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 IfSG, solange die „Bremse“ sachlich und zeitlich gilt (zum Anspruch auf Rückerstattung entrichteter Miete für ein Ferienhaus aus § 812 BGB nach wirksamer fristloser Kündigung des Mietvertrags gem. § 543 BGB nach einer Nutzungsuntersagung wegen der Corona-Pandemie: AG Hamburg-Blankenese, Urt. v. 18.9.2020 – 533 C 96/20, IMR 2021, S. 103; AG Bremen, Urt. v. 14.1.2021 – 9 C 360/20 – Rückzahlung entrichteter Miete für eine Ferienwohnung in Spanien wegen coronabedingtem Einreiseverbot bejaht). Dies ist für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag, längstens jedoch bis zum Ablauf des 30.6.2021, der Fall (§ 28b Abs. 10 IfSG).
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