§ 253 Abs. 2 BGB und die entsprechenden spezialgesetzlichen Vorschriften sprechen von einer „billigen Entschädigung in Geld“. Maßgebliche Billigkeitskriterien sind nach der Rechtsprechung des BGH im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers.
Dabei geht es dem BGH nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falles, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Diese hat der Tatrichter zunächst sämtlich in den Blick zu nehmen, dann die fallprägenden Umstände zu bestimmen und diese im Verhältnis zueinander zu gewichten.
Dabei ist in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen (BGH, Urt. v. 15.2.2022 – VI ZR 937/20, NJW 2022, 1953 Rn 13) (Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes (BGH, Beschl. v. 27.3.2024 – VI ZB 50/22 Rn 12 m.w.N.)).
Die Bestimmung eines Geldbetrags, der nach den für die Schmerzensgeldbemessung geltenden Grundsätzen dem als ausgleichungsbedürftig festgestellten immateriellen Schaden entspricht, ist letztlich Sache des tatrichterlichen Schätzungsermessens (§ 287 ZPO). Diesem Ermessen sind freilich Grenzen gesetzt.
Die Rolle des Tatrichters
Der Tatrichter darf das Schmerzensgeld nicht willkürlich festsetzen, sondern muss zu erkennen geben, dass er sich um eine dem Schadensfall gerecht werdende Entschädigung bemüht hat. Er muss alle genannten Umstände des Einzelfalles vollständig berücksichtigen und darf bei seiner Abwägung nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen.
Um dabei auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht zu werden, hat sich der Tatrichter grds. an zu vergleichbaren Fällen ergangenen gerichtlichen Entscheidungen zu orientieren. Genau dies macht Schmerzensgeldtabellen zu einem unverzichtbaren Hilfsmittel im Personenschadensrecht. Eine schematische Bindung an Vorentscheidungen bedeutet dies freilich nicht. Der Tatrichter ist nicht daran gehindert, die von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen bisher gewährten Beträge in einem vertretbaren Rahmen zu unterschreiten oder über sie hinauszugehen, wenn ihm dies nach Lage des Falles – vor allem in Anbetracht der wirtschaftlichen Entwicklung oder veränderter allgemeiner Wertvorstellungen – geboten erscheint; doch muss er dies dann begründen.
In der Rechtsprechung ist eine Tendenz zu höheren Schmerzensgeldern, die angesichts der revisionsrechtlich nur eingeschränkten Überprüfbarkeit der tatrichterlichen Schmerzensgeldbemessung von den Tatgerichten ausgehen muss und nicht vom BGH erwartet werden kann, erkennbar. Im Falle schwerster und dauerhafter Schädigungen, die der Geschädigte in jungen Jahren bewusst erlebt und von denen anzunehmen ist, dass sie ihn lebenslang in der Lebensführung beeinträchtigen werden, kann ein Schmerzensgeld von € 800 000 angemessen sein (OLG Oldenburg, Urt. v. 18.3.2020 – 5 U 196/18, VersR 2020, 1468).
Das Landgericht Limburg an der Lahn hat mit Urteil vom 28.6.2021 (1 O 45/15, BeckRS 2021, 16550; siehe Urteil 1220 dieser Ausgabe) gar ein Schmerzensgeld von € 1 000 000 ausgesprochen: Ein Pflegefehler im Krankenhaus hatte bei dem rund 15 Monate alten Kläger zu einem hypoxischen Hirnschaden mit schwersten Folgen geführt.
Checkliste
Stellt sich in der praktischen Arbeit am Einzelfall die Frage nach dem angemessenen Schmerzensgeld, so empfiehlt sich die Nutzung einer Checkliste, die wie folgt aussehen kann:
Ein Auszug aus dem Buch Hacks / Wellner / Klein / Kohake (Hrsg.) SchmerzensgeldBeträge 2025 (Buch mit Online-Zugang) SchmerzensgeldBeträge 2025 (Buch mit Online-Zugang), 43. Auflage, 2024, AI S. 16.
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