Beitrag

Wichtige Entscheidungen zum Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht (2020 – 2025)

Im Anschluss zur Übersicht über wichtige Entscheidungen zum Verkehrsstrafrecht (VRR 8/2025, 6) werden hier einschlägige Entscheidungen zum Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht dargestellt. (Bearbeitungsstand: 8.11.2025).

1. Alkohol- und Trunkenheitsfahrten (§ 24a StVG)

Nr .

Entscheidung/

Fundstelle

Leitsätze

1

OLG Hamm, Beschl. v. 31.3.2020 – III-4 RBs 114/20, DAR 2020, 699 = VRR 6/2020, 18 = StRR 7/2020, 18 (jew. Urbanczyk) = NZV 2021, 162 (Krenberger)

Wird ein kraftfahrzeugführender Betroffener, bei dem im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle angesichts des Antreffens im grenznahen Gebiet zu den Niederlanden und aufgrund stark erweiterter Pupillen ohne Reaktion und starkem Lidflattern der Anfangsverdacht für eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG besteht, ohne vorangegangene Belehrung zunächst befragt wird „ob er etwas genommen habe“, verstößt dies gegen §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 4 StPO, 46 Abs. 1 OWiG.

2

BayObLG, Beschl. v. 10.10.2024 – 202 ObOWi 989/24, DAR 2024, 686 = StRR 12/2024, 32 = VRR 12/2024, 27 (jew. Burhoff);

OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.8.2024 – 2 ORbs 95/24, NZV 2024, 547 m. Anm. Quarch = DAR 2024, 631 = zfs 2025, 111 = StRR 9/2024, 29 (Burhoff).

Beruht die vor Inkrafttreten des § 24 Abs. 1a StVG n.F. am 22.8.2024 erfolgte Verurteilung wegen (vorsätzlichem oder fahrlässigem) Führen eines Kfz im Straßenverkehr unter der Wirkung von THC auf der Feststellung eines den neuen gesetzlichen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum nicht erreichenden sog. analytischen Nachweisgrenzwert, ist der Betroffene auf die Rechtsbeschwerde hin neben der Aufhebung des angefochtenen Urteils in Anwendung von § 4 Abs. 3 OWiG durch das Rechtsbeschwerdegericht freizusprechen, sofern auch eine verfolgbare Bußgeldahndung nach § 24c StVG n.F. ausscheidet. 

3

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.8.2023 – 1 ORbs 2 SsBs 22/23, NStZ 2024, 371 = zfs 2024, 114;

OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.3.2023 – 2 ORbs 16/23, DAR 2023, 584 = zfs 2023, 59

Wird ein in der Anlage zu § 24a StVG genanntes berauschendes Mittel als ein für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenes Arzneimittel bestimmungsgemäß eingenommen, beruht die Einnahme auf einer ärztlichen Verordnung und wird das Arzneimittel nicht missbräuchlich oder überdosiert verwendet, ist auch die fahrlässige Verwirklichung des Tatbestandes des § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG a.F. (jetzt Abs. 4) ausgeschlossen (sog. Medikamentenklausel).

2. Das bußgeldrechtliche Fahrverbot (§§ 25 StVG, 4 BKatV)

Nr.

Entscheidung/Fundstelle

Leitsätze

1

OLG Hamm, Beschl. v. 2.7.2024 – III-5 ORbs 132/24, DAR 2024, 628

Ein Fahrverbot bezieht sich grundsätzlich auch auf das Führen von fahrerlaubnisfreien Kfz.

2

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2022 – IV-2 RBs 179/22 zfs 2023, 169 = VRR 2/2023 (Deutscher) = NZV 2023, 283 (Sandherr)

Ein Fahrverbot und die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde stellen keine „Doppelbestrafung“ dar.

3

BayObLG, Beschl. v. 28.9.2023 – 202 ObOWi 780/23, VRR 3/2024, 28 (Deutscher) = NZV 2024, 146 (Krenberger)

Die Indizwirkung des Regelbeispiels nach den §§ 25 Abs. 1 Satz 2, 24a StVG wird nicht allein dadurch entkräftet, dass bei einer nur wenige Minuten andauernden Alkoholfahrt eine Wegstrecke von lediglich 200 m zurückgelegt wurde. Dies gilt erst recht, wenn der Atemluftgrenzwert nach § 24a Abs. 1 StVG von 0,25 mg/l nicht nur geringfügig überschritten, sondern die Alkoholkonzentration nahe zum Grenzwert der (absoluten) Fahruntüchtigkeit i.S.v. § 316 Abs. 1 StGB lag.

4

OLG Celle, Beschl. v. 18.12.2019 – 2 Ss (OWi) 338/19 NZV 2020, 255 m. Anm. Krenberger = VRR 7/2020, 23 (jew. Deutscher) = NZV 202, 536 (Balschun)

Angesichts des erhöhten Unrechtsgehalts und der Gefährlichkeit einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG (Drogenfahrt) versteht sich die Angemessenheit der Anordnung eines Fahrverbots von selbst. Der Tatrichter muss allerdings zumindest konkludent erkennen lassen, dass er die Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot in Ausnahmefällen erkannt und ausgeschlossen hat. Ist das Ermessen des Tatrichters ersichtlich auf null reduziert, (der Grenzwert ist um ein Vielfaches überschritten worden oder es handelt sich um einen unbelehrbaren Wiederholungstäter handelt), erscheint es ausnahmsweise als vertretbar, wenn die Prüfung des Vorliegens eines Ausnahmefalles in den Urteilsgründen nicht zum Ausdruck kommt.

5

KG, Beschl. v. 14.4.2020 – 3 Ws (B) 46/20 – 122 Ss 18/20 DAR 2020, 394 = zfs 2020, 347 = VRR 11/2020, 19 = StRR 3/2021, 29 (Deutscher)

Es verbietet sich, allein unter dem Gesichtspunkt, ein Rotlichtverstoß sei nicht „abstrakt gefährlich“, vom indizierten Fahrverbot abzusehen (Aufgabe bisheriger Rechtsprechung).

6

BayObLG, Beschl. v. 13.12.2021 – 201 ObOWi 1543/21, DAR 2022, 214 m. Anm. Krenberger = NZV 2022, 82 m. Anm. Steinert = VRR 5/2022, 26 (Deutscher)

Nicht jede Missachtung eines Wechsellichtzeichens trotz bereits länger als eine Sekunde andauernder Rotphase stellt eine typische, die Verhängung der erhöhten Geldbuße sowie eines Fahrverbotes nach Nr. 132.3 BKat indizierende Pflichtverletzung dar. Insbesondere im Falle einer einspurigen Verkehrsführung an einer Baustellenampel kann die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräftet sein.

7

OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.9.2022 – 2 Ss(OWi) 137/22, DAR 2022, 704 = VRR 1/2023, 23 / StRR 3/2023, 33 (jew. Burhoff) = NZV 2023, 139 (Krenberger).

Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse (Regelfahrverbot nach Nrn. 50.1 – 50.3 BKat) greift sofort ein, wenn die in § 11 Abs. 2 StVO beschriebene Verkehrssituation eingetreten ist.

8

BayObLG, Beschl. v. 26.9.2023 – 201 ObOWi 971/23, DAR 2024, 100 = VRR 3/2024, 23 (Deutscher)

Es überschreitet die Grenzen zulässiger Auslegung, entgegen dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 StVO die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse auf einer autobahnähnlich ausgebauten innerörtlichen Straße anzunehmen.

9

BayObLG, Beschl. v. 13.11.2023 – 201 ObOWi 1169/23, DAR 2024, 169 = NZV 2024, 348 (Metz)

Das Verhalten eines Betroffenen nach einem von ihm verschuldeten Verkehrsunfall rechtfertigt regelmäßig nicht das Absehen von der Verhängung eines an seinen Verkehrsverstoß anknüpfenden Regelfahrverbots.

10

KG, Beschl. v. 29.7.2021 – 3 Ws (B) 182/21 – 122 Ss 82/21, DAR 2021, 698 m. Anm. Krenberger = zfs 2022, 49 = NZV 2022, 46 (Krumm))

Wurde der Betroffene bei der von ihm begangenen Ordnungswidrigkeit selbst erheblich verletzt, so hat sich das Tatgericht bei der Begründung des Fahrverbots trotz der Indizwirkung des Bußgeldkatalogs in aller Regel damit zu befassen und zu begründen, warum es dennoch der Denkzettel-, Besinnungs- und Warnfunktion der Nebenfolge bedarf.

11

BayObLG, Beschl. v. 10.5.2021 – 201 ObOWi 445/21, NJW 2022, 412 = NStZ-RR 2021, 351 = VRR 11/2021, 21 (Deutscher)

Die Annahme, dass die Vollstreckung eines verfahrensfremden Fahrverbotes zwischen Tat und Urteil eine so weitgehende erzieherische Wirkung entfalten könnte, dass ein weiteres Fahrverbot entbehrlich wird, liegt bei einem Wiederholungstäter regelmäßig fern.

12

OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.8.2024 – 2 ORbs 114/24, DAR 2024, 690 = zfs 2025, 112 = NZV 2025, 90 (Deutscher)

Bei einem 86 Jahre alten Betroffenen mit einer kleinen Rente, der den Geschwindigkeitsverstoß auf der Fahrt zum Krankenhaus begangen hat, kann vom Fahrverbot abgesehen werden.

13

BayObLG, Beschl. v. 7.11.2023 – 201 ObOWi 1115/23, NStZ 2024, 301 = zfs 2024, 109 = NZV 2024, 302 (Krenberger)

Die mit einem Fahrverbot verbundenen Einschränkungen des Kindesumgangsrechts sind, will das Tatgericht in ihnen eine außergewöhnliche Härte sehen und von Regelfahrverbot absehen, positiv festzustellen.

14

BayObLG, Beschl. v. 19.1.2021 – 202 ObOWi 1728/20, DAR 2021, 273 = VRR 5/2021, 22 (Deutscher)

Allein die mit nächtlicher Rufbereitschaft an Wochenenden und im Urlaub verbundene leitende ärztliche Funktion in der zentralen Notaufnahme eines Klinikums mit Schwerpunktversorgung rechtfertigt ein Absehen von einem bußgeldrechtlichen Regelfahrverbot als im „überwiegenden öffentlichen Interesse“ liegend auch dann nicht, wenn der oder die Betroffene daneben im Notarztdienst engagiert und zur Gewährleistung der Einsatzbereitschaft und zur beruflichen Pflichtenerfüllung auf eine private Kfz-Nutzung angewiesen ist.

15

OLG Naumburg, Beschl. v. 28.12.2021 – 1 Ws 219/21, DAR 2022, 644 m. Anm. Fromm = zfs 2022, 412

Nach § 25 Abs. 1 StVG kann das Fahrverbot auf bestimmte Fahrzeugarten beschränkt werden. Maßgebend ist hier grundsätzlich die Einteilung der Fahrzeugklassen in § 6 Abs. 1 Satz 1 FeV. Eine Differenzierung nach Halter (hier Fahrzeuge der Bundeswehr), ist deshalb unzulässig.

16

VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 21.6.2021 – VGH A 39/21, DAR 2021, 554 = NZV 2021, 481 (Deutscher)

Zum Antrag auf Erlass einstweiligen Anordnung gegen ein Fahrverbot: Die Vollstreckung eines Fahrverbots sei nicht automatisch ein schwerer Nachteil. Die Durchsetzung der Gesetze und die Vollstreckung der auf ihrer Grundlage erlassenen rechtskräftigen Maßnahmen diene der Rechtspflege und somit dem Rechtsstaatsprinzip. Diesen Belangen stünden auf Seiten des Antragstellers Grundrechtseingriffe von geringer Intensität gegenüber.

3. Geschwindigkeitsverstöße (§ 3 StVO), standardisiertes Messverfahren

Nr.

Entscheidung/Fundstelle

Leitsätze

1

BVerfG, Beschl. v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18, NJW 2021, 455 m. Anm. Ropertz = NZV 2021, 41 m. Anm. Krenberger = DAR 2021, 75 m. Anm. Kroll; Bespr. Niehaus VRR 1/2021, 4; Sandherr DAR 2021, 69

Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet dem Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren das Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren. Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt, dass der Betroffene eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens wie der Beschuldigte eines Strafverfahrens neben der Möglichkeit, prozessual im Wege von Beweisanträgen oder Beweisermittlungsanträgen auf den Gang der Hauptverhandlung Einfluss zu nehmen, grundsätzlich auch das Recht hat, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden. Das Recht auf Zugang zu den außerhalb der Akte befindlichen Informationen gilt besonders im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten nicht unbegrenzt. So schränken die verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Rechtsprechungspraxis zu standardisierten Messverfahren bei Geschwindigkeitsübertretungen und die Ablehnungsmöglichkeiten nach § 77 Abs. 2 OWiG die Möglichkeiten der Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses unter Berufung auf die erlangten und ausgewerteten Informationen in zeitlicher Hinsicht ein. Der Betroffene kann sich mit den Erkenntnissen aus dem Zugang zu weiteren Informationen nur erfolgreich verteidigen, wenn er diesen rechtzeitig im Bußgeldverfahren begehrt. 

2

VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 27.10.2022 – VGH B 57/21, DAR 2023, 27 = VRR 11/2022, 17 = StRR 1/2023, 28 (jew. Niehaus) = NZV 2023, 47 (Sandherr)

Für die Beurteilung der Verteidigungsrelevanz einer begehrten Information ist im Ausgangspunkt der Vortrag des Betroffenen maßgeblich, der einer Evidenzkontrolle standzuhalten hat.

3

BVerfG NJW 2023, 2932, Beschl. v. 20.6.2023 – 2 BvR 1167/20, – NStZ 2024, 42 m. Anm. Krenberger = DAR 2023, 446 m. abl. Anm. Niehaus = NZV 2023, 414 m. Anm. Sandherr = StRR 8/2023, 34 = VRR 8/2023, 29 (jew. abl. Niehaus)

s.a. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.4.2025 – 1 Ss (OWI) 112/24, DAR 2025, 339 = VRR 6/2025, 27 (Niehaus)

Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde wegen fehlender Speicherung von Rohmessdaten. Obiter dictum: Skeptisch zur Speicherungspflicht.

Divergenzvorlage an den BGH

4

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.2.2022 – IV-2 RBs 25/22, zfs 2022, 350 = NZV 2022, 492 (Sandherr); VRR 11/2022, 20 (Burhoff);

OLG Brandenburg, Beschl. v. 5.5.2022 – 2 OLG 53 Ss-OWi 167/22, NZV 2022, 587 (Sandherr);

VerfG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 13.12.2023 – LVG 28/22, NVwZ-RR 2024, 441 = NZV 2024, 301 (Sandherr)

Die Verwertbarkeit des Messergebnisses hängt nicht von der Rekonstruierbarkeit des Messvorgangs anhand gespeicherter Messdaten ab.

5

VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.7.2022 – VGH B 30/21, NZV 2022, 427 m. Anm. Sandherr = DAR 2022, 503 m. Anm. Weigel = VRR 9/2022, 21 (Niehaus); ebenso OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.12.2021 – 1 OWi 2 SsBs 100/2, zfs 2022, 110; OLG Dresden, Beschl. v. 9.11.2020 – OLG 23 Ss 620/20 (Z), NJW 2021, 176

Der Aspekt der Waffengleichheit kommt bei tatsächlich nicht (mehr) vorhandenen Rohmessdaten nicht zum Tragen, da diese Daten zwar kurzzeitig bei dem Rechenvorgang des Messgerätes bestanden haben, aber im weiteren Verfahren weder dem Betroffenen noch der Bußgeldstelle, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht zur Verfügung stehen.

6

BGH, Beschl. v. 16.3.2023 – 4 StR 84/22, NStZ 2023, 619 = DAR 2023, 395 m. Anm. Weigel = VRR 7/2023, 26 (Niehaus) = NZV 2023, 521 (Sandherr):

BGH, Beschl. v. 30.3.2022 – 4 StR 181/21, NZV 2022, 287 m. Anm. Krenberger = DAR 2022, 350 m. Anm. Niehaus = zfs 2022, 347 = VRR 5/2022, 22 = StRR 6/2022, 31 (jew. Niehaus);

Bejahend für das Saarland VerfGH Saarland, Urt. v. 5.7.2019 – Lv 7/17, NJW 2019, 2456 m. krit. Anm. Krumm = NZV 2019, 414 m. krit. Anm. Krenberger = DAR 2019, 500 m. Anm. Gratz = zfs 2019, 527 = StRR 8/2019, 28 = VRR 8/2019, 11 (jew. Deutscher)

Zum Recht auf Einsicht in die gesamte Messreihe: Rückgabe von Vorlagen des OLG Zweibrücken und des OLG Koblenz (beide ablehnend) wegen Ablehnung der Vorlagevoraussetzungen.

7

VerfGH Baden-Württemberg Urt. v. 16.1.2023 – 1 VB 38/18, NZV 2023, 214 m. Anm. Quarch = DAR 2023, 196 = VRR 4/2023, 24 (Niehaus)

Urt. v. 27.1.2025 – 1 VB 11/23 u.a., NZV 2025, 275 m. Anm. Ropertz = VRR 3/2025, 22 (Niehaus)

Will der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf Informationszugang im Ordnungswidrigkeitenverfahren rügen, so ist zwar zur Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes i.d.R. erforderlich, dass der Betroffene seinen Anspruch bereits gegenüber der Verwaltungsbehörde geltend macht und im Falle von dessen Ablehnung einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 Abs. 1 S 1 OWiG stellt. Ein Antrag nach § 62 Abs. 1 S. 1 OWiG kann jedoch in Ausnahmefällen entbehrlich sein.

8

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.8.2023 – 1 ORbs 34 Ss 468/23 DAR 2023, 580 = VRR 10/2023,23 (Niehaus)

Die Verwaltungsbehörde hat dem Verteidiger der Betroffenen oder einem von diesem beauftragten Sachverständigen auf seinen Antrag sämtliche auch nicht bei den Akten befindliche amtliche Messunterlagen einschließlich Token zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um der Betroffenen zu ermöglichen, die Berechtigung des auf das Ergebnis eines (standardisierten) Messverfahrens gestützten Tatvorwurfs mit Hilfe eines Sachverständigen selbstständig zu überprüfen.

9

BayObLG, Beschl. v. 1.3.2024 – 201 ObOWi 110/24, NZV 2024, 603 (Metz)

Steht fest, dass die beim Betrieb des Messgeräts zu beachtenden und sich regelmäßig aus der Bedienungsanleitung ergebenden technischen Vorgaben eingehalten wurden, führen bloße Mängel des Messprotokolls nicht dazu, dass nicht mehr vom Vorliegen eines standardisierten Messverfahrens ausgegangen werden kann.

10

BayObLG, Beschl. v. 21.11.2022 – 201 ObOWI 1291/22, NZV 2023, 271 m. Anm. Krenberger = DAR 2023, 223 = zfs 2023, 225

Abweichungen von Vorgaben der Bedienungsanleitung des Geräteherstellers vermögen das Vorliegen eines sog. standardisierten Messverfahrens jedenfalls dann nicht in Frage zu stellen, wenn die Möglichkeit einer fehlerhaften Messung ausgeschlossen ist.

11

BayObLG, Beschl. v. 3.2.2025 – 201 ObOWI 22/25, NStZ-RR 2025, 221 = zfs 2025, 469 = VRR 5/2025, 22 (Burhoff)

Bei einer im standardisierten Messverfahren durchgeführten Geschwindigkeitsmessung ist der die technischen Unsicherheitsfaktoren abbildende Toleranzwert im Falle eines rechnerisch ermittelten Zwischenwerts immer auf den nächsthöheren ganzzahligen Wert aufzurunden.

12

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.12.2022 – 2 Rb 35 Ss 587/22 NStZ 2023, 361 = zfs 2023, 230 m. Anm. Krenberger = VRR 5/2023, 26 (Burhoff)

Soll durch den Antrag auf Vernehmung des Beifahrers das Ergebnis einer Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren erschüttert werden, wird die Beweiserhebung regelmäßig gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt werden können. Etwas anderes gilt für nicht die Geschwindigkeitsmessung selbst betreffende entscheidungserhebliche Tatsachen (hier: Wahrnehmbarkeit der Beschilderung), die allein auf der Aussage des Messbeamten beruhen.

4. Geschwindigkeitsverstöße (§ 3 StVO), sonstige Fragen

Nr.

Entscheidung/Fundstelle

Leitsätze

1

KG, Beschl. v. 28.5.2024 – 3 ORbs 83/24, NStZ 2024, 756 = zfs 2024, 709 = VRR 8/2024, 28 (Deutscher) = NZV 2024, 606 (Balschun)

Es besteht keine allgemeine Erkundigungspflicht, ob für den Ort des Antritts der Fahrt mit einem Kfz temporär eine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt. Eine solche Erkenntnis mit entsprechender Erkundigungspflicht kann sich aber aufgrund bestimmter Umstände aufdrängen.

2

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.7.2022 – 1 OWi 2 SsRs 39/22 zfs 2022, 532 = VRR 2/2023, 22 = StRR 2/2023, 29 (jew. Burhoff) = NZV 2023, 95 (Cardue);

s.a. OLG Brandenburg, Beschl. v. 14.2.2025 – 1 ORbs 280/24, DAR 2025, 338

Bei Übertretungen von zumindest 40% der angeordneten Höchstgeschwindigkeit kann davon ausgegangen werden, dass dem Betroffenen, der die Begrenzung kennt, deren Überschreiten nicht verborgen geblieben ist. Geht es um eine im absoluten Maß niedrige Geschwindigkeitsüberschreitung – hier von 22 km/h – ist nicht ohne weiteres und stets anzunehmen, der Fahrer habe die Übertretung anhand der äußeren Kriterien (Motorengeräusche, sonstige Fahrgeräusche, Fahrzeugvibration und Schnelligkeit der Änderung in der Umgebung) zwanglos erkannt.

3

OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 20.1.2025 – 2 ORbs 4/25, VRR 4/2025, 21 (Burhoff)

Wer „Verkehrsschilder“ nicht versteht oder verstehen will, auf denen Verhaltensregeln angezeigt werden, die einen Regelungseingriff in den Verkehrsfluss vorgeben, und statt der gebotenen Rücksicht genau das Gegenteil tut, indem er statt 60 km/h 146 km/h fährt, entscheidet sich bewusst und gewollt dazu, Regelungen und Verkehrssituation zu ignorieren. Er stellt sich mit Absicht gegen die Rechtsordnung, gefährdet bewusst und gewollt Andere und dies allein, um des eigenen schnelleren Fortkommens willen.

4

OLG Hamm, Beschl. v. 28.11.2019 – III-1 RBs 220/19, NJW 2020, 351 = DAR 2020, 272 = zfs 2020, 228

Der Begriff der Schrittgeschwindigkeit genüge grundsätzlich dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Die derzeit gegebene Uneinheitlichkeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung, in welcher der Begriff der Schrittgeschwindigkeit teilweise bzw. überwiegend mit max. 7 km/h definiert, teilweise aber auch mit max. 10 km/h angegeben wird, führe unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebotes bzw. des auch im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Schuldprinzips dazu, dass einem Betroffenen unabhängig von der konkreten Kenntnis verschiedener gerichtlicher Entscheidungen und unabhängig von der Frage, welche der verschiedenen Auffassungen nach Bewertung des Senats als vorzugswürdig anzusehen wäre, ein Verstoß gegen das Gebot der Schrittgeschwindigkeit allenfalls erst bei Überschreitung des Wertes von 10 km/h zur Last gelegt werden könne, solange keine verbindliche Entscheidung des BGH oder eine entsprechende gesetzliche Klarstellung vorliegt.

5

OLG Celle, Beschl. v. 29.1.2024 – 2 ORbs 348/23, DAR 2024, 276 m. Anm. Weigel = VRR 5/2024, 17 (Deutscher)

Es besteht keine schuldmindernde Auswirkung der fehlenden Kenntnis des Messbeamten von den mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften

Hinweis:

Für die Rechtsprechung zu elektronischen Geräten/Mobiltelefonen im Straßenverkehr vgl. die Übersicht von Burhoff VRR 1/2025, 5.

5. Sonstige materiellrechtliche Fragen

Nr.

Entscheidung/Fundstelle

Leitsätze

1

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.6.2022 – IV-2 RBs 73/22, NStZ 2023, 364 = StRR 8/2022, 29 = VRR 7/2002, 24 (jew. Deutscher);

zum Anspruch auf einen Ausnahmegenehmigung OVG Münster, Beschl. v. 20.5.2021 – 8 B 1967/20, NJW 2021, 2982 = VRR 7/2021, 25 (Deutscher);

OVG Münster, Urt. v. 5.7.2024 – 8A 3194/21, DAR 2024, 705 Ls.;

OVG Koblenz, Beschl. v. 14.8.2024 – 7A 10660/23.OVG, NJW 2024, 3532

Die Regelung des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO, wonach ein Kfz-Führer sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken darf, dass er nicht mehr erkennbar ist, dient präventiv der Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, Eigentum) anderer Verkehrsteilnehmer. Das Verhüllungsverbot ist mit dem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG vereinbar und auch von einer Muslima, die aus religiösen Gründen einen Niqab trägt, zu beachten.

2

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.2.2023 – 2 ORbs 35 Ss 9/23, NStZ 2023, 363 = DAR 2023, 225 = zfs 2023, 290 = VRR 4/2023, 27 (Deutscher) = NZV 2023, 331 (Lamberz)

Ein durch § 23c Abs. 1 Satz 3 StVO verbotenes Verwenden der zur Anzeige oder Störung von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen bestimmten Funktion eines technischen Geräts, das auch zu anderen Nutzungszwecken verwendet werden kann, liegt auch dann vor, wenn ein anderer Fahrzeuginsasse mit Billigung des Fahrzeugführers auf seinem Mobiltelefon eine App geöffnet hat, mit der vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen gewarnt wird.

3

AG Tiergarten, Beschl. v. 6.9.2023 – 297 OWi 812/23, NZV 2024, 148 (Sandherr); zuvor bereits AG Hamburg-Altona, Beschl. v. 23.1.2023 – 327b OWi 1/23, DAR 2023, 230 = zfs 2023, 232 = NZV 2023, 333 (Sandherr); Bespr. Sandherr DAR 2023, 237

Das Parken eines E-Scooters unter Behinderung Anderer (hier: Fußgänger) verstößt gegen § 1 Abs. 2 StVO und stellt einen Halt- oder Parkverstoß im Sinne von § 25a Abs. 1 StVG dar. Bei einem privaten Halter ist es jedenfalls ausreichend, wenn die Anhörung zur Fahrerbenennung innerhalb von 5 Wochen nach der Tat erfolgt. Bei einem gewerblichen Halter ist auch eine Zeitspanne von 10 Wochen nicht zu beanstanden. Die auf die Anhörung erfolgte Nennung eines Vor- und Nachnamens, einer Mobilfunknummer und einer E-Mail-Adresse ohne Angabe des Geburtsdatums und der Wohnanschrift des Nutzers genügt nicht, um diesen mit vertretbarem, der Sache angemessenem Aufwand zu ermitteln.

4

OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 23.9.2022 – 3 Ss-OWi 1048/22, DAR 2023, 47 = VRR 12/2022, 21 (Deutscher)

Lediglich ein deutliches Abweichen vom Normalfall betreffend die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit oder die Vorwerfbarkeit rechtfertigt eine Abweichung vom Bußgeldkatalog. Nicht ausreichend ist der pauschale Verweis, dass der Betroffene bei seinem Rotlichtverstoß einen „SUV“ fuhr. Die Gruppe der „SUV“ ist so heterogen, dass ein Schluss von der Gruppenzugehörigkeit auf gefahrrelevante Umstände nicht möglich erscheint.

5

KG, Beschl. v. 10.3.2025 – 3 ORbs 20/25, VRS 149, 181 = VRR 5//2025, 26 (Deutscher)

Auch wenn das OWiG keine § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB entsprechende Vorschrift enthält, unterfallen § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG nicht nur die Umstände, die die Begehung der Ordnungswidrigkeit betreffen, sondern auch solche, die das Nachtatverhalten betreffen. Erscheint ein von fehlender Unrechtseinsicht getragenes Nachtatverhalten im Kern nicht als Ausfluss der Selbstbelastungsfreiheit, kann es grundsätzlich bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden

6

VGH Mannheim, Beschl. v. 26.11.2024 – 13 S 1304/24, NJW 2025, 38 = NZV 2025, 125 m. Anm. Herber = zfs 2025, 119

Bei einem privat angebrachten Schild (hier: Freiwillig Tempo 30) besteht eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 zweite Alternative StVO, wenn bei flüchtiger Betrachtung nicht ohne weiteres erkennbar ist, dass es sich nicht um ein amtliches Verkehrszeichen handelt. Für die Frage, ob eine solche Verwechslungsgefahr gegeben ist, kann es nicht allein auf die Verwechslung durch ein Fahrassistenzsystem (Verkehrszeichenerkennung) ankommen.

6. Abwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung (§§ 73, 74 OWiG)

Nr.

Entscheidung/Fundstelle

Leitsätze

1

BGH, Beschl. v. 10.10.2023 – 4 StR 94/22, BGHSt 68, 24 = NJW 2024, 776 = NZV 2024, 180 m. Anm. Krenberger = NStZ 2024, 296 = DAR 2024, 165 m. Anm. Fromm = zfs 2024, 165 = VRR 2/2024, 20 = StRR 3/2024, 33 (jew. Deutscher)

Die antragsgemäß nicht auf einen konkreten Termin bezogene Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gem. § 73 Abs. 2 OWiG wirkt bei Verlegung des Hauptverhandlungstermins fort, so dass ein Entbindungsbeschluss des Gerichts für den neuen Termin nicht erneut beantragt und erlassen werden muss.

2

BayObLG, Beschl. v. 2.4.2024 – 202 ObOWi 212/24, NStZ-RR 2024, 291

Auch dann, wenn der Entbindungsantrag als elektronisches Dokument per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) erst am Sitzungstag und nur kurz vor dem Termin (hier: 1 Stunde und 18 Minuten) bei einer für den gerichtlichen Eingang bestehenden ‚zentralen Stelle‘ eingeht, darf der Einspruch jedenfalls dann nicht ohne vorherige Entscheidung über den Entbindungsantrag verworfen werden, wenn der Antrag mit ‚offenem Visier‘, d.h. nicht bewusst oder in rechtsmissbräuchlicher Absicht „versteckt“ oder „verklausuliert“ gestellt wurde.

3

OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.10.2020 – 1 Ss-OWi 1097/20, NJW 2021, 1109 m. Anm. Steinhilber = DAR 2021, 275 m. Anm. Siegmund = VRR 4/2021, 19 = StRR 6/2021, 33 (jew. Burhoff)

Ein Entbindungsantrag nach § 73 OWiG sperrt im Fall des Vorliegens der Entbindungsvoraussetzungen eine Entscheidung ohne Verhandlung zur Sache nach § 74 Abs. 2 OWiG nur dann, wenn dessen Kenntnisnahme pflichtwidrig unterlassen wurde. Dies ist ausgeschlossen, wenn der (hier: über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach übersandte) Antrag nicht rechtzeitig gestellt war.

4

OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.6. 2021 – 2 Ss-OWi 440/21, zfs 2022, 107 m. Anm. Krenberger = VRR 12/2021, 20 = StRR 12/2021, 29 (jew. Deutscher)

Der Senat, erwägt, zukünftig – gestützt auf BVerfG NJW 2021, 455 – einen Entbindungsantrag nur noch als prozessual wirksam anzusehen, wenn er „frühzeitig“, das heißt mindestens 3 Werktage vor der Hauptverhandlung gestellt wird.

5

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.2.2020 – IV-4 RBs 31/20, DAR 2020, 271 = VRR 7/2020, 24 = StRR 7/2020, 32 (jew. Lauterbach)

Hat der gem. § 73 Abs. 3 OWiG von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundene Betroffenen seinen Verteidiger schriftlich mit seiner Vertretung auch für den Fall seiner Abwesenheit bevollmächtigt, vertritt der Verteidiger den Betroffenen in der Erklärung und im Willen und kann für ihn deshalb zur Sache aussagen. Nimmt das Tatgericht den Vortrag des Verteidigers zur Sache nicht entgegen, verletzt es den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör.

6

BGH, Beschl. v. 24.12.2021 – KRB 11/21, BGHSt 66, 309 = DAR 2022, 465 = VRR 4/2022, 21 = StRR 5/2022, 37 (jew. Deutscher)

KG, Beschl. v. 20.11.2024 – 3 ORbs 206/24, NZV 2025, 330 (Cardue)

Auf nebenbetroffene juristische Personen und Personenvereinigungen ist § 74 Abs. 2 OWiG weder direkt noch analog oder ergänzend anwendbar.

7. Sonstiges Verfahrensrecht

Nr.

Entscheidung/Fundstelle

Leitsätze

1

BVerfG, Beschl. v. 17.5.2024 – 2 BvR 1457/23, NJW 2024, 2243 = NStZ-RR 2024, 293 = zfs 2023 474 = VRR 7/2024, 20 = StRR 8/2024, 32 (jew. Burhoff)

Aus dem Umstand, dass eine Person Halter eines Kfz ist, mit dem eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen wurde, darf bei Fehlen jedes weiteren Beweisanzeichens nicht auf die Täterschaft jener Person geschlossen werden.

2

OLG Oldenburg, Beschl. v. 7.11.2024 – 2 Orbs 155/24, DAR 2025, 168 m. Anm. Danner = NZV 2025, (Deutscher)

Beim Vorliegen weiterer Beweisanzeichen kann die Annahme, der schweigenden Halter eines Fahrzeugs sei Täter einer Verkehrsordnungswidrigkeit, nicht willkürlich und im Rahmen der freien Beweiswürdigung zulässig sein. Dabei ist es ohne Belang, dass diese Annahme nur möglich, aber nicht zwingend ist.

3

AG Dortmund, Urt. v. 27.3.2025 – 729 OWi 268 Js 298/25 – 30/25, NJW 2025, 1831 m. Anm. Giovannelli = DAR 2025, 398 = VRR 7/2025, 26 (Deutscher).

Eine audiovisuelle Zeugenvernehmung nach § 247a StPO i.V.m. § 71 OWiG kann auch per WhatsApp über das Betroffenenhandy stattfinden, wenn die an der Vernehmung beteiligten Personen trotz Hinweises auf datenschutzrechtliche Bedenken hierbei freiwillig mitwirken (hier des Arbeitgebers des Betroffenen zu den beruflichen Folgen eines Fahrverbots).

4

VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 28.1.2021 – VGH B 71/20, NJW 2021, 2505 = DAR 2021, 387 m. Anm. Weidemeier/Gratz = zfs 2021, 163 = VRR 3/2021, 20 = StRR 3/2021, 27 (jew. Burhoff) = NZV 2021, 271 (Schulz-Merkel)

Der Vorlage einer Vollmachtsurkunde durch den Verteidiger bedarf es grundsätzlich nicht. Ausnahmen hiervon bestehen nur bei gesetzlicher Anordnung. Zum Nachweis der Vollmacht ist stets die Gesamtschau aller Umstände in Blick zu nehmen.

5

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.10.2021 – 2 Rb 35 Ss 618/20, zfs 2021, 110 m. Anm. Krenberger = VRR 6/2021, 25 = StRR 4/2021, 32 (jew. Burhoff).

Zeigt der Verteidiger gegenüber der Bußgeldbehörde unter Versicherung einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung die Verteidigung des Betroffenen an, ergibt sich hieraus allein nicht die Erklärung, dass der Verteidiger rechtsgeschäftlich zur Empfangnahme von Zustellungen bevollmächtigt ist. Denn nach außen erkennbar ist aufgrund der anwaltlichen Versicherung nur die Bevollmächtigung hinsichtlich der vom Verteidiger vorgenommenen Verteidigungshandlungen, während eine Zustellungsvollmacht passiven Charakter hat.

6

OLG Jena, Beschl. v. 2.9.204 – 1 ORbs 371 SsBs 96/24, NJW 2024, 3528 = VRR 11/2024, 27 = StRR 2/2025, 28 (jew. Deutscher)

Die horizontale Beschränkung eines Einspruchs auf die Rechtsfolgen ist zulässig, soweit der Bußgeldbescheid die in § 66 OWiG niedergelegten Voraussetzungen erfüllt, die Erklärung des Betroffenen zweifelsfrei und unbedingt erfolgt, im Fall der Vertretung eine wirksame Ermächtigung zur Abgabe der Einspruchsbeschränkung vorlag und die Erklärung dem erkennenden Richter vor Erlass einer erstinstanzlichen Entscheidung vorliegt. Ein etwaig erteilter richterlicher Hinweis betreffend die Schuldform (hier: mögliche Verurteilung wegen einer Vorsatz-Tat) steht dem nicht entgegen, selbst wenn der Bußgeldbescheid keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Schuldform enthält, die vorgesehene Rechtsfolge sich aber innerhalb des Regelrahmens der Bußgeldkatalogverordnung bewegte und die vorgeworfene Schuldform (hier: Fahrlässigkeit) hieraus abgeleitet werden kann.

7

BayObLG, Beschl. v. 31.1.2022 – 202 ObOwi 106/22 zfs 2022, 349 = VRR 8/2022, 23 (Deutscher)

Widersprüche in den Urteilsfeststellungen (hier: zur gefahrenen Geschwindigkeit im Falle eines Geschwindigkeitsverstoßes) kann das Rechtsbeschwerdegericht nicht durch einen Rückgriff auf den Akteninhalt auflösen. Eine Bezugnahme auf ein Messfoto nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO im tatrichterlichen Urteil führt jedenfalls dann nicht dazu, dass auf der Abbildung eingeblendete Textfelder zum Inhalt der Urteilsurkunde werden, wenn dort eine größere Anzahl unterschiedlicher Daten abgedruckt ist.

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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