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VRRKompakt VRR_2025_11

Nutzungsausfall: Zweitwagen

Bei der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs ist ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung ausgeschlossen, wenn der Geschädigte (selbst) über ein zweites Fahrzeug (Zweitwagen) verfügt, dessen ersatzweiser Einsatz ihm zumutbar ist. Stellt ein durch den Unfall rechtlich nicht betroffener Dritter dem Geschädigten ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung, schließt dies den Anspruch des Geschädigten auf Nutzungsausfallentschädigung grundsätzlich nicht aus. Ist der Dritte seinerseits durch den Unfall rechtlich betroffen, etwa weil das beschädigte Fahrzeug ihm gehört, und mietet er infolge des Unfalls ein Ersatzfahrzeug an, das er dem nutzungsberechtigten Geschädigten zur Verfügung stellt und dessen Nutzung diesem zumutbar ist, so schließt dies im Hinblick auf den dadurch ausgelösten Anspruch des Dritten gegen den Schädiger auf Ersatz der Mietwagenkosten den Anspruch des Geschädigten auf Nutzungsausfallentschädigung aus.

BGH, Urt. v. 7.10.2025 – VI ZR 246/24

Fahrt auf dem Nürburgring: Erhöhte Betriebsgefahr

Bei so genannten Touristenfahrten ist die Betriebsgefahr eines die Nordschleife des Nürburgrings befahrenden Fahrzeugs aufgrund der gefahrenträchtigen Örtlichkeit sowie der gefahrträchtigen Verkehrssituation als generell erhöht anzusehen.

LG Koblenz, Urt. v. 5.8.2025 – 5 O 123/20

Elektronisches Dokument: Qualifizierte elektronische Signatur; Wiedereinsetzung

Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt. Eine Partei darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass ihre Schriftsätze alsbald nach ihrem Eingang bei Gericht zur Kenntnis genommen werden und offensichtliche äußere formale Mängel dabei nicht unentdeckt bleiben. Unterbleibt ein gebotener Hinweis des Gerichts, ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang so rechtzeitig hätte erfolgen müssen, dass es der Partei noch möglich gewesen wäre, die Frist zu wahren. Mit Blick auf den Transfervermerk einschließlich des darin enthaltenen „Vertrauenswürdigen Herkunftsnachweises“ besteht eine einfache und wenig Zeitaufwand erfordernde Möglichkeit zu prüfen, ob ein aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach versandter Schriftsatz einfach elektronisch signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg bei Gericht eingereicht wurde. Hierzu gehört für den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auch die Prüfung, ob die Person, die das Dokument elektronisch signiert hat, mit derjenigen identisch ist, die Inhaberin des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs ist.

BGH, Beschl. v. 20.8.2025 – VII ZB 16/24

Richterablehnung: Missbräuchliche Drohung mit einem Befangenheitsantrag

Kündigt eine Partei einen Befangenheitsantrag für den Fall an, dass das Gericht an einer bestimmten, ihr missliebigen Rechtsauffassung festhalten sollte, begründet es nicht die Besorgnis der Befangenheit, wenn der Richter dieses Ansinnen mit deutlichen Worten und unter Hinweis auf die anwaltlichen Berufspflichten des Prozessbevollmächtigten der Partei zurückweist.

KG, Beschl. v. 11.9.2025 – 2 W 26/25

Wiedereinsetzung: Kein Vertrauen auf Postzustellung bereits am nächsten Werktag

Nach Inkrafttreten von § 18 Abs. 1 PostG kann im Rahmen der Wahrung von Rechtsmittelfristen nicht mehr darauf vertraut werden, dass postalische Briefsendungen bereits vor den dort genannten Laufzeiten bei Gericht eingehen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann daher nicht gewährt werden, wenn der Rechtsmittelführer erwartet hat, dass sein zur Post gegebenes Rechtsmittel bereits am nächsten Werktag beim Gericht eintrifft.

OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 18.9.2025 – 6 UF 176/25

Erweiterung der Fahrerlaubnis Klasse B: Vorlage inhaltlich falschen Fortbildungsnachweises

Wer mit einem inhaltlich falschen Fortbildungsnachweis einer Fahrschule die Erweiterung einer Fahrerlaubnis der Klasse B um die Schlüsselzahl 196 beantragt, macht sich nicht der mittelbaren Falschbeurkundung strafbar.

LG Heilbronn, Beschl. v. 8.9.2025 – 2 Qs 13/25

Elektronisches Gerät: E-Zigarette mit Display

Eine E-Zigarette mit Display kann ein elektronisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO sein.

OLG Köln, Beschl. v. 25.9.2025 – 1 ORbs 139/25

Wiedereinsetzung: Kein Vertrauen auf Postzustellung bereits am nächsten Werktag

Bei der Bewertung von Postlaufzeiten wird in künftigen Fällen aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Postrechts (PostModG; BGBl 2024 I Nr. 236) die eingetretene Änderung der Rechtslage in den Blick zu nehmen sein. Danach kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass ein zur Post gegebenes Rechtsmittel bereits am nächsten Werktag beim Gericht eintrifft.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2025 – 1 Ws 15/25

Pflichtverteidiger: Fahrlässige Tötung

Wird dem Beschuldigten eine fahrlässige Tötung vorgeworfen, ist wegen der mit einem möglichen Schuldspruch verbundenen Feststellung, dass der Beschuldigte für den Tod eines Menschen verantwortlich wäre, stellt sich dies für einen bisher in keiner Weise strafrechtlich in Erscheinung getretenen Beschuldigten ungeachtet der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Rechtsfolgen als derart gravierend dar, dass die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers geboten erscheint.

LG Köln, Beschl. v. 9.9.2025 – 111 Qs 67/25

Verfolgungsverjährung: Auslagenerstattung

Wenn im Zeitpunkt der Aktenabgabe der Verwaltungsbehörde an die Staatsanwaltschaft zwar noch keine Verfolgungsverjährung eingetreten ist, die Akte jedoch an die Verwaltungsbehörde mit der Bitte um weitere Sachaufklärung gem. § 69 Abs. 5 S. 1 OWiG zurückgesandt wird und bei der dann vollständigen Ausermittlung Verfolgungsverjährung eingetreten ist, sind die notwendigen Auslagen des Betroffenen regelmäßig von der Staatskasse zu tragen.

LG Köln, Beschl. v. 25.9.2025 – 110 Qs 80/25

Pflichtverteidiger: Sachverständigengutachten

Eine schwierige Sachlage im Sinne von § 140 Abs. 2 StPO ist dann anzunehmen, wenn – zum Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Antrag auf Bestellung eines notwendigen Verteidigers entscheiden muss – ein Sachverständigengutachten bereits Verfahrensbestandteil ist oder ein solches angeordnet wird und zu erwarten ist, dass dieses Gutachten für den Ausgang des Verfahrens als Beweismittel eine entscheidende Rolle spielt (für ein gerichtlich beauftragtes Unfallrekonstruktionsgutachten eines Sachverständigen, dem mangels anderer unmittelbarer Beweismittel verfahrensentscheidende Bedeutung zukommt).

LG Hildesheim, Beschl. v. 1.10.2025 – 15 Qs 14/25

Fahrtenbuchauflage: Firmenfuhrpark

Anordnungen von längeren Fahrtenbuchführungspflichten für den gesamten Firmenfuhrpark kommen jedenfalls unter folgenden Voraussetzungen in Betracht: Nach mindestens einer vorangegangenen Fahrtenbuchanordnung von geringerer Dauer und/oder geringerem Ausmaß verweigert sich die fahrzeughaltende Kapitalgesellschaft fortgesetzt ihrer Obliegenheit, ausreichende innerbetriebliche Vorkehrungen zur Fahreridentifikation zu treffen, obwohl weiterhin regelmäßig wiederkehrend mit ihren Firmenfahrzeugen punktebewertete, aber unaufklärbare Verkehrsverstöße begangen werden.

OVG Lüneburg, Beschl. v. 22.9.2025 – 12 LA 8/24

Entziehung der Fahrerlaubnis: Einmaliger Cannabismissbrauch

Nach § 13a Satz 1 Nr. 2a 2. Alt. FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens von einem Fahrerlaubnisinhaber anordnen, wenn sonstige Tatsachen die Annahme eines Cannabismissbrauchs begründen. Die einmalig gebliebene Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss kann in diesem Sinne die Annahme von Cannabismissbrauch nur begründen, wenn zusätzliche aussagekräftige Umstände („Zusatztatsachen“) hinzutreten (Anschluss an VG München, Beschl. v. 26.5.2025 – M 6 S 24.7290 und VG Minden, Beschl. v. 22.10.2024 – 2 L 926/24). Solche Tatsachen können u.a. der Zeitpunkt des Cannabiskonsums und das Verhalten während der Verkehrskontrolle sein.

VG Berlin, Beschl. v. 17.9.2025 – 4 L 236/25

Entziehung der Fahrerlaubnis: Medicalcannabis im neuen Recht

Die Eignungsvoraussetzungen der Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV sind auch weiterhin maßgeblich. Sie werden nicht modifiziert durch die umfassenden und grundlegenden Änderungen, welche die bis zum Inkrafttreten des CanG vom 27.3.2024 am 1.4. 2024 geltende Fassung der Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV durch das CanG und durch das Sechste Gesetz zur Änderung des StVG und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 16.8.2024 erfahren hat.

VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 5.9.2025 – 6 L 526/25

Adhäsionsverfahren: Gebühr im Berufungsverfahren

War der Rechtsanwalt bereits in erster Instanz tätig und hat somit die Gebühr Nr. 4143 VV RVG verdient, erhält er eine (zusätzliche) Vergütung gemäß Nr. 4144 VV RVG nur, wenn mit der Berufung auch erneut über den vermögensrechtlichen Anspruch entschieden wird.

LG Koblenz, Beschl. v. 1.8.2025 – 12 Qs 32/25

Mandatsvertrag: Fernabsatzgeschäft

Ist ein Rechtsanwalts-Mandatsvertrag als Fernabsatzgeschäft abgeschlossen worden, und ist der Mandant dabei nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden, so kann der Anwalt nach einem Widerruf keine Vergütung für seine bereits geleistete Tätigkeit verlangen, auch nicht nach Bereicherungsrecht, weil § 357a BGB insoweit eine abschließende Regelung enthält.

LG Flensburg, Urt. v. 9.10.2025 – 4 O 80/25

Terminsgebühr im Strafverfahren: Bemessung

Hat der Verteidiger im Termin für den Angeklagten eine Erklärung abgegeben, die ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls einen Großteil des Termins ausgemacht hat und auch entsprechender Vorbereitung bedurfte, und wurde anschließend in dem Termin darüber hinaus noch die Sach- und Rechtslage erörtert, ist für einen Hauptverhandlungstermin beim AG die Mittelgebühr angemessen, auch wenn die Hauptverhandlungsdauer nur 15 Minuten betragen hat.

AG Bad Neuenahr-Ahrweiler, Beschl. v. 9.7.2025 – 2 Cs 2030 Js 76894/22 (2)

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