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Nachweis einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls

1. Die Versicherungsfälle in Form eines „Vandalismusschadens“ und eines „Unfalls“ können nebeneinander bestehen, ohne dass der VN nachweisen muss, dass der Versicherungsfall gegen seinen Willen geschehen ist.

2. Wird dieser Nachweis erbracht, obliegt es dem Versicherungsnehmer, nachzuweisen, dass der VN oder einer seiner Repräsentanten den Versicherungsfall vorsätzlich im Sinne des § 81 VVG herbeigeführt hat.

3. Dieser Nachweis ist geführt, wenn ein vom äußeren Bild atypischer Vandalismusschaden vorliegt, dieser sich drei Tage vor Ende des Versicherungsvertrages ereignet hat und sich in eine Reihe von weiteren Versicherungsfällen und Verdachtsmomenten einreiht.

LG Saarbrücken, Urt. v. 18.11.202414 O 206/22

I. Sachverhalt

VN macht Vandalismusschaden geltend

Der Kläger hat die beklagte Vollkaskoversicherung wegen eines Vandalismusschadens an seinem Fahrzeug in Anspruch genommen, bei dem er behauptet hat, dass unbekannte Personen das Fahrzeug über Nacht mit einer Vielzahl an Kratzern an unterschiedlichen Stellen beschädigt hätten. Es handelt sich nach Auffassung des Klägers um mut- und böswillige Handlungen als Vandalismus, die mit einem unbekannten spitzen Gegenstand durchgeführt worden wären. Die beklagte Kaskoversicherung ging dagegen von einer vorsätzlichen Herbeiführung des behaupteten Versicherungsfalls bei einem atypischen Schadensbild aus.

II. Entscheidung

Beweislast des VN ohne Beweiserleichterung

Das Landgericht Saarbrücken hat darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung der Versicherungsfall des Vandalismusschadens neben dem Versicherungsfall des Unfallbegriffs erfüllt sein bzw. treten kann. Beide Versicherungsfälle können sich überlappen und müssen vom Versicherungsnehmer nachgewiesen werden, ohne dass eine Beweiserleichterung auf ein äußeres Bild (anders als bei einem Diebstahltatbestand) zugunsten des VN eingreifen würde.

Dabei wäre es allerdings auch nicht erforderlich, dass der Versicherungsnehmer nachweisen müsste, dass der Unfall oder die mut- oder böswillige Handlung als Vandalismusschaden ohne oder gegen seinen Willen durchgeführt worden wäre. Für den Unfallbegriff soll es nach Ansicht der Kammer ausreichen, dass eine Einwirkung von außen und damit Versicherungsschutz in Form eines Unfalls wie z.B. einem Zerkratzen von Lack bestehen würde, ohne dass es auf die Motive des Einwirkenden ankommt.

Versicherungsfall als Unfall i.S.d. AKB

Ob allerdings bei dem hier vorhandenen Schadensbild diese Voraussetzungen innerhalb des versicherten Zeitraums erfüllt sind, hat das Landgericht offen gelassen, da es davon ausgegangen ist, dass der Versicherer den ihm obliegenden Nachweis nach § 81 VVG wegen der vorsätzlichen Herbeiführung des behaupteten Versicherungsfalls geführt hätte. Dafür wäre auf eine Reihe an Indizientatsachen abzustellen, die im Rahmen einer Gesamtschau für einen solchen manipulierten Versicherungsfall sprechen würden.

Nachweis einer vorsätzlichen Herbeiführung

Dazu zählt in erster Linie die Erkenntnis, dass es sich nach einem eingeholten Sachverständigengutachten um einen sog. atypischen Vandalismusschaden handelt, da die Schäden eine besonders auffällige Art der Verursachung und Lage aufweisen, die bei einem Vandalismusschaden durch Dritte normalerweise nicht auftritt. Hier wäre eine Vielzahl an Flächen betroffen, bei denen eine verdeckte Beschädigung nicht ohne Weiteres möglich ist, die nur partiell beschädigt wurden und die einen Täter nur durch besondere Anstrengungen und Bewegungen am Fahrzeug mit einem damit verbundenen erhöhten Entdeckungsrisiko erreichen kann. Teilweise wurde sogar nur kleine überlagernde Kratzer an unterschiedlichen Bauteilen angesetzt, was eine gewinnbringende fiktive Abrechnung ermöglicht, aber keine erheblichen Fahrzeugschäden herbeiführt. Auffällig waren auch die Schadensbilder im Bereich der Fensterscheiben, bei denen eine höhere Krafteinwirkung mit einem filigranen Arbeiten erforderlich gewesen ist – typischerweise würde ein Vandalismustäter dagegen derartige Scheiben einfach einschlagen, wenn er diese beschädigen möchte. Es fehlt an einem klassischen Vandalismusschaden im Vorbeigehen mit einem spitzen Gegenstand, bei dem an einzelnen Stellen langgezogene Kratzspuren herbeigeführt werden oder durch blinde Zerstörungswut Teile des Fahrzeuges komplett eingeschlagen werden. Hier wurde durch filigrane, sorgfältige Arbeit eine Vielzahl an Fahrzeugteilen so beschädigt, dass sie leicht wieder instandgesetzt, aber erst einmal als Schaden abgerechnet werden können.

Zur Bewertung der Indizien

Ins Bild passt es dabei aus Sicht der Kammer auch, dass grundsätzlich der hier betroffene Grundstücksbereich, auf dem das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt abgestellt gewesen sein soll, durch eine Videokamera überwacht worden ist, diese Kamera dann aber ausgerechnet zur Tatzeit keine Aufzeichnung aufweisen würde und ein technischer Defekt eingetreten sein soll. Als dies für nicht glaubwürdig erachtet wurde, hatte sodann der Kläger seinen Vortrag gewechselt und darauf hingewiesen, dass eine solche Überwachung den Bereich, in dem das Fahrzeug abgestellt worden sein soll, gar nicht erfassen würde – worauf sich natürlich die Frage gestellt hat, warum das Fahrzeug denn ausgerechnet zum Tatzeitpunkt bei diesem nicht von der Videoüberwachung erfassten Bereich abgestellt wird, wenn die Überwachung ja gerade die Sicherung wertvoller Objekte wie des Fahrzeuges sicherstellen soll.

Darüber hinaus war es aus Sicht der Kammer auffällig, dass dieser Schadensfall drei Tage vor Ablauf des Versicherungsfalls gemeldet worden ist und sich in einer Reihe von weiteren Versicherungsfällen eingereiht hat, die bereits „Sachkunde des Klägers“ bei der Abwicklung derartiger Schadensfälle erkennen lassen.

III. Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des Landgerichts bewegt sich im Einklang mit einer Auffassung in der Rechtsprechung, welche die Versicherungsfälle des Vandalismus mit einer mut- und böswilligen Beschädigung eines Fahrzeuges und des Unfalls nebeneinandertreten lässt. Nach dieser Ansicht in der Rechtsprechung reicht auch bei einem solchen „Vandalismusfall“ für einen Unfall als Versicherungsfall ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Darunter lässt sich dann auch die Beschädigung eines Fahrzeuges durch Kratzer erfassen, sodass grundsätzlich zumindest dieser Versicherungsfall „Unfall“ im Regelfall bei einem solchen Schadensbild erfüllt sein kann (vgl. dazu auch OLG Celle VRR 11/2024, 21, strenger dagegen OLG Köln 11/2024, 24).

Unterschiedliche Ansichten zum Versicherungsfall

Im Gegenzug steht es dem Versicherer aber dann frei, im Rahmen der bekannten Indizienrechtsprechung nachzuweisen, dass von einem vorsätzlich herbeigeführten Versicherungsfall nach dem Maßstab des § 81 VVG auszugehen ist und daher ein Risikoausschluss zu seinen Gunsten eingreift. Dabei kommt einem auffälligen, atypischen Schadensbild für einen Vandalismusfall eine besondere Bedeutung zu (Rechtsprechung füge ich anbei). Wenn dann noch weitere Verdachtsmomente hinzutreten, wozu insbesondere der Eintritt des Versicherungsfalls unter verdächtigen Umständen und kurz vor Ablauf eines Versicherungsvertrages gehören wird, kann in der Tat der Nachweis für eine vorsätzliche Schadensherbeiführung entsprechend erfüllt sein.

RA Dr. Michael Nugel, FA für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, Essen

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