Ein (Pflicht-)Verteidiger hat hinsichtlich seiner Aufwendungen im Zusammenhang mit der Überlassung bzw. Reproduktion von bei den Akten befindlichen Datenträgern einen Anspruch nach Vorbemerkung 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB.
(Leitsatz des Verfassers)
I. Sachverhalt
Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger des Angeklagten. Ihm ist Akteneinsicht gewährt worden. Nach Abschluss des Verfahrens hat der Rechtsanwalt seine Gebühren und Auslagen gegenüber der Staatskasse geltend gemacht. Abgerechnet hat er u.a. auch eine Gebühr für Kopierkosten nach Nr. 7000 Ziff. 2 VV RVG in Höhe von 20 EUR im Hinblick auf ihm im Rahmen der Akteneinsicht überlassene vier DVDs. Die Rechtspflegerin hat diese festgesetzt. Dagegen richtet sich die Erinnerung der Staatskasse. Die hatte jedoch beim Gericht keinen Erfolg.
II. Entscheidung
Erstattungsfähige Aufwendungen
Nach Auffassung des Richters waren dem Pflichtverteidiger die Aufwendungen, die für die Kopie von DVDs erforderlich waren, mithin 5 EUR pro DVD (netto), gem. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB zu erstatten.
… nicht nach Nr. 7000 VV RVG
Zwar führe der Bezirksrevisor zunächst zu Recht aus, dass sich der Erstattungsanspruch nicht aus Nr. 7000 VV RVG ergebe. Denn der Pflichtverteidiger habe weder Ablichtungen oder Ausdrucke aus den Gerichtsakten hergestellt (Nr. 7000 Ziff. 1 VV RVG) noch habe er „im Einverständnis mit dem Auftraggeber“ elektronisch gespeicherte Dateien überlassen (Nr. 7000 Ziff. 2, 1d VV RVG). Der Gebührentatbestand der Nr. 7000 VV RVG finde auf die Überlassung bzw. Reproduktion von bei den Akten befindlichen Datenträgern keine unmittelbare Anwendung. Dies folge bereits daraus, dass Nr. 7000 Ziff. 2 VV RVG, welche auf Ziff. 1d Bezug nehme, im Verhältnis zwischen Landeskasse und Pflichtverteidiger nicht anwendbar sei (Kroiß, in: Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl. 2021, Nr. 7000 VV RVG Rn 9 m.w.N.). Die Regelung in Nr. 7000 Ziff. 1d VV RVG beziehe sich ausschließlich auf das privatrechtliche Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.3.2008 – III-3 Ws 72/08, NJW 2008, 2058). Hingegen seien weder das Gericht noch der Beschuldigte Auftraggeber des Pflichtverteidigers (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Aufl. 2023, Nr. 7000 VV RVG Rn 155), dessen Bestellung als besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken einem begünstigenden Verwaltungsakt (vgl. BVerfGE 39, 238; NJW 1975, 1015; OLG Düsseldorf a.a.O.), nicht aber einem Auftragsverhältnis gleiche.
… aber nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB
Der Pflichtverteidiger habe jedoch bezüglich seiner Aufwendungen im Zusammenhang mit der Überlassung bzw. Reproduktion von bei den Akten befindlichen Datenträgern einen Anspruch nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB. Wie vorstehend dargestellt könne eine entsprechende Erstattung der Auslagen nicht nach Nr. 7000 VV RVG erfolgen. Zudem seien die Aufwendungen keine Gemeinkosten, die für den allgemeinen Bürobetrieb angefallen seien, sondern diese seien durch die Bearbeitung des konkreten Mandats veranlasst. Die durch den Pflichtverteidiger getätigten Aufwendungen seien auch erforderlich i.S.d. § 670 BGB gewesen. Denn die kopierten Datenträger seien Bestandteile der Sachakten gewesen und enthielten Beweismittel, deren Kenntnis für eine sachgerechte Verteidigung unerlässlich gewesen sei.
Nach der Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB seien dem Pflichtverteidiger die tatsächlich entstandenen Aufwendungen zu ersetzen. Hierzu zählen vorliegend die Sachkosten für vier DVDs sowie die für die Erstellung der Kopien entstehenden Personalkosten, nicht aber die (anteiligen) Beschaffungskosten für die Hard- und Software, die als Gemeinkosten nicht gesondert erstattungsfähig sind. Dabei scheine es angemessen, sich im Hinblick auf den Aufwand hierfür an den Beträgen der Nr. 7000 Ziff. 2 VVRVG zu orientieren, welche für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien an einen Dritten für die in einem Arbeitsgang überlassenen, bereitgestellten oder in einem Arbeitsgang auf denselben Datenträger übertragenen Dokumente insgesamt bis zu 5 EUR je Datenträger festsetzen. Da vorliegend insgesamt vier DVDs überlassen worden seien, betrage die Gesamtsumme der Erstattung hierfür 20 EUR zzgl. Umsatzsteuer.
III. Bedeutung für die Praxis
Die zutreffende Entscheidung ist zu begrüßen. Zwar handelt es sich in diesem und in vergleichbaren Fällen häufig nicht um hohe Beträge, aber bekanntlich macht ja auch Kleinvieh Mist und die Erstattung reduziert den Kostenapparat des Verteidigers. Die Entscheidung liegt auf der Linie der (ober)gerichtlichen Rechtsprechung. So hat z.B. das KG (vgl. AGS 2014, 50 = zfs 2014, 223 = RVGreport 2014, 233) die Erstattungsfähigkeit der Anschaffungskosten von CDs, die der Pflichtverteidiger dafür verlangt hatte, dass er bei den Akten befindliche CDs mit Aufnahmen von Überwachungskameras kopiert hat, bejaht. Das OLG Hamm (RVGreport 2015, 266 = StRR 2015, 316) hat die Aufwendung des Verteidigers für die Anschaffung von zwei Festplatten zur Speicherung der Akten in einem Strafverfahren mit einem außergewöhnlich umfangreichen Aktenumfang als erstattungsfähig angesehen. Und das OLG Jena (Beschl. v. 27.12.2023 – 3 St 2 BJs 4/21, AGS 2024, 210) hat schließlich die Aufwendungen für die Beschaffung einer externen Festplatte bzw. eines gleichwertigen Speichermediums zum Zwecke des Empfangs bzw. der Einsichtnahme von verfahrensgegenständlichen Audio-Dateien als erforderliche Auslagen i.S.v. § 46 Abs. 1 RVG anerkannt. Aber: Erstattet werden immer nur die Sachkosten für die Hilfsmittel, nicht aber (anteilige) Beschaffungskosten für Hard- und Software, die gem. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 1 VV RVG als Gemeinkosten nicht gesondert erstattungsfähig sind.




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