RVG-Erhöhung im Bundestag beschlossen
Am 31.1.2025 ist das Kosten- und Betreuervergütungsrechtsänderungsgesetz 2025 (KostBRÄG 2025) vom Bundestag beschlossen worden. Darin enthalten sind in Art. 11 die lange geforderten Anpassungen des RVG an die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse, und zwar im Wesentlichen durch die lineare Erhöhung der Gebühren. Zu mehr hat es nach dem Scheitern der Ampelkoalition nicht mehr gereicht.
Jetzt muss nur noch der Bundesrat zustimmen, der dem Grundsatz der Diskontinuität nicht unterfällt. Die nächste dort vorgesehene Sitzung am 14.2.2025 wird das Gesetz aber wohl nicht mehr erreichen, da die entsprechenden Ausschusssitzungen bereits in der Zeit vom 27. bis 31.1.2025 stattgefunden haben. Voraussichtlich wird das Gesetz damit am 21.3.2025 im Bundesrat beraten werden und könnte dann am 1.5.2025 in Kraft treten (s. Art. 13 des Gesetzes)..
Durchsuchung: Anfangsverdacht bei KiPo
In einem frühen Stadium der strafrechtlichen Ermittlungen wegen des Besitzes oder der Weitergabe jugendpornografischer Inhalte ist es für die Annahme eines Anfangsverdachts für die Begehung einer Straftat nach § 184c StGB verfassungsrechtlich ausreichend, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die in einem pornografischen Video abgebildete Person jünger als 18 Jahre ist; ein höherer Verdachtsgrad wie etwa eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit oder gar eine Schuldüberzeugung sind nicht erforderlich.
BVerfG, Beschl. v. 21.10.2024 – 1 BvR 2215/24
Eröffnungsbeschluss: „Ersatzmaßnahme“
Zur Eröffnung des Hauptverfahrens genügt jede schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts, die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen. Dies kann auch aus dem Zusammenhang eines Haftbefehls und einer weiteren getroffenen Haftentscheidung, mit der der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt worden ist, folgen.
BGH, Beschl. v. 6.11.2024 – 4 StR 383/24
Strafantrag: altes/neues Recht
Die durch das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz vom 12.7.2024 erfolgte Änderung des § 158 Abs. 2 StPO a.F. findet keine rückwirkende Anwendung, da das Gesetz eine entsprechende Regelung nicht enthält.
BGH, Beschl. v. 21.8.2024 – 3 StR 97/24
Beiordnung eines Pflichtverteidigers: Terminsvertreter
Wird die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht angefochten und wird auch hiernach kein Antrag auf Aufhebung der Beiordnung gestellt, so ist allein die Beiordnung eines für den beigeordneten Rechtsanwalt erschienenen Terminsvertreters nicht ohne Weiteres mit der Begründung anfechtbar, die Voraussetzungen der Beiordnung hätten zu keinem Zeitpunkt bestanden.
KG, Beschl. v. 29.11.2024 – 3 Ws 47/24 – 121 GWs 201/24
Pflichtverteidigerbestellung: Aufhebung der Beiordnung
Der Beschluss, durch den eine Pflichtverteidigerbestellung aufgehoben worden ist, muss eine Begründung enthalten, damit für die Beschwerdekammer die Entscheidung des aufhebenden Gerichts entweder bezogen auf eine fehlerfreie Rechtsanwendung oder auf eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung nachprüfbar ist.
LG Bonn, Beschl. v. 9.12.2024 – 63 Qs 77/24
Entnahme von Körperzellen: Einwilligung des Beschuldigten
Eine wirksame Einwilligung des Beschuldigten in die Entnahme von Körperzellen setzt den Hinweis auf die Reichweite des Grundrechtseingriffs, der durch die Einwilligung gedeckt werden soll, namentlich außer dem Zweck der Datenerhebung die weitere Nutzung und insbesondere deren Dauer, voraus.
AG Chemnitz, Beschl. v. 15.3.2024 – 11 Gs 432/23
Pflichtverteidiger: Analphabet
Unfähigkeit der Selbstverteidigung ist anzunehmen für einen Beschuldigten, der nur eingeschränkt lesen oder schreiben kann oder an Legasthenie leidet, und somit erst recht, wenn der Beschuldigte Analphabet ist.
AG Osnabrück, Beschl. v. 9.12.2024 – 245 Gs (173 Js 70558/24) 1185/24
Verteidigererklärung: Bewertung
Ein Angeklagter kann aus einer Verteidigererklärung eines Mitangeklagten, die „nur“ als Anlage zum Protokoll der Hauptverhandlung genommen worden ist, keine anderen Schlüsse als das Tatgericht ziehen. Der genaue Wortlaut der Erklärung ist nur im Falle der förmlichen Verlesung der Erklärung im Wege des Urkundenbeweises Maßstab der Überprüfung der Beweiswürdigung.
BGH, Beschl. v. 24.10.2024 – 4 StR 249/24
Letztes Wort: Wiedereintritt in die Beweisaufnahme
Ein Wiedereintritt in die Beweisaufnahme liegt vor, wenn das Gericht einen Hilfsbeweisantrag des Verteidigers entgegennimmt und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft hierzu eine Erklärung abgegeben hat.
OLG Schleswig, Beschl. v. 20.12.2024 – 2 ORs 4 SRs 89/24
Berufungsverwerfung: genügende Entschuldigung; Vertretungsvollmacht
Nicht jede stationär behandlungsbedürftige psychische Erkrankung entschuldigt ein Fernbleiben von einem bereits seit Längerem anberaumten Gerichtstermin. Selbst ein stationärer Aufenthalt in einem Krankenhaus ist in der Regel kein Entschuldigungsgrund, wenn er aufschiebbar ist. Ein nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nachgeschobenes Vorbringen zu einer Diagnose ist nicht mehr geeignet, eine zunächst unzulässige Verfahrensrüge zu heilen. Mit einer Bestellung als Pflichtverteidiger endet eine vormals im Rahmen des Wahlmandats erteilte Vertretungsvollmacht. Will der Angeklagte sich von dem nunmehrigen Pflichtverteidiger in der Berufungshauptverhandlung vertreten lassen, muss er diesem nach der Pflichtverteidigerbestellung eine neue Vollmacht erteilen.
BayObLG, Beschl. v. 9.12.2024 – 203 StRR 591/24
Schwierige Fristberechnung: Wiedereinsetzung
Fristen, deren Berechnung Schwierigkeiten oder Besonderheiten aufweist, wie etwa die Frist zur Begründung eines Zulassungsantrags im Verfahren vor dem OVG oder VGH, bedürfen besonderer Sorgfalt und dürfen daher von einem Rechtsanwalt grundsätzlich nicht vollständig seinem Büropersonal überlassen werden.
VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.11.2024 – 9 S 1510/23
Beschleunigungsgebot: kranker Vorsitzender; Terminierung, SV-Gutachten
Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen gilt während des gesamten Ermittlungsverfahrens. Es ist daher uneingeschränkt mit Beginn des Vollzugs der Untersuchungshaft zu beachten und nicht etwa – solange die Sechs-Monats-Frist (gerade noch) eingehalten werden kann – bis zur besonderen Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO mit geringeren Anforderungen. Eine mit Haftsachen befasste Große Strafkammer muss – anders als bei einer unvorhergesehenen und kurzen Erkrankung – dafür Sorge tragen, dass bei einem längerfristigen Ausfall eines Kammermitgliedes gleich aus welchem Grund eine angemessene Verfahrensförderung und ggf. auch die Durchführung einer Hauptverhandlung mit einer Vertretung gewährleistet ist. Ein unabsehbares Zuwarten stellt schon für sich eine Verletzung des Beschleunigungsgebots dar. Es ist seitens der Staatsanwaltschaft grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Eingang von Gutachten abgewartet wird, um bei Anklageerhebung sämtliche Beweismittel anführen zu können. Verzögert sich dies aber, ist dieser Verzögerung zum einen dadurch zu begegnen, dass die Gutachtenerstellung maximal priorisiert wird und zum anderen der Abschluss der Ermittlungen so weit vorangebracht wird, dass bei Eingang der restlichen Ermittlungsergebnisse diese zeitnah eingearbeitet werden können. Dass es gerade im Hinblick auf die Auslastung von Verteidigern und Sachverständigen zu Konstellationen kommt, die dem Beschleunigungsgebot bei der Terminierung zuwiderlaufen, ist ein Problem, welches in Haftsachen geradezu typischerweise besteht. Es ist daher von einem mit Haftsachen befassten Spruchkörper zu erwarten, dass dem durch frühzeitige Planung und Terminabstimmung wirksam begegnet wird. Bei der Annahme der Verhinderung eines Verteidigers ist ein Maßstab zugrunde zu legen, der sich an der Vorrangigkeit von Haftsachen orientiert. In einer Haftsache kommt deshalb grundsätzlich lediglich eine Verhinderung durch andere bereits bestimmte Hauptverhandlungstermine in Haftsachen in Betracht, die von dem Verteidiger grundsätzlich auch zu belegen ist. Eine Beiordnung hat zu unterbleiben oder ist zu beenden, wenn ein Verteidiger nicht gewährleisten kann, das ihm übertragene Mandat auch tatsächlich wahrzunehmen.
OLG Schleswig, Beschl. v. 3.12.2024 – 1 Ws 17/24 H
(Vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis: längerer Zeitablauf
Zwar rechtfertigt ein längerer bloßer Zeitablauf nicht zwangsläufig die Annahme, der durch die Tatbegehung indizierte Eignungsmangel sei im Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung entfallen. Mit zunehmender zeitlicher Distanz zwischen Tatgeschehen und dem Zeitpunkt des vorläufigen Entzuges der Fahrerlaubnis sind aber erhöhte Anforderungen an die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz der Allgemeinheit einerseits und dem Interesse des Fahrerlaubnisinhabers an der uneingeschränkten Nutzung seiner Fahrerlaubnis andererseits zu stellen.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.12.2024 – 2 Ws 355/24
KCanG: Zuständigkeiten
Zuständig für die Entscheidungen nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 EGStGB ist nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern stets das Gericht des ersten Rechtszugs. Art. 313 Abs. 4 S. 1 EGStGB ist in den Fällen des Art. 313 Abs. 3 EGStGB entsprechend anzuwenden.
BGH, Beschl. v. 23.10.2024 – 2 ARs 179/24
Neufestsetzung einer Strafe: noch nicht erledigte Maßregel
Trifft ein Gericht bei der Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 4 EGStGB keine ausdrückliche Entscheidung zu der mit der Gesamtstrafe angeordneten – noch nicht erledigten – Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, so ist damit die Maßregel nicht zwangsläufig in Wegfall gebracht. Ob sich der (Einzel-)Straferlass unter Neufestsetzung einer Gesamtstrafe auf die Maßregel erstreckt, ist vielmehr durch Auslegung zu ermitteln. Zwar ordnet das Gesetz in Art. 313 Abs. 1 S. 2 EGStGB an, dass sich der Straferlass auch auf Maßregeln erstreckt. Aber erst dann, wenn durch den Straferlass die für die Maßregelanordnung maßgeblichen Anlasstaten betroffen sind, ist überhaupt eine Entscheidung über dieselbe veranlasst gewesen.
OLG Hamm, Beschl. v. 19.11.2024 – 3 Ws 368/24
KCanG: Erwerb zum Eigenverbrauch
Unterhalb der Schwellenwerte des § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG kommt es für die Straflosigkeit des Erwerbs von Cannabis zum Eigenverbrauch nicht darauf an, ob der Bezug aus einer legalen oder illegalen Quelle erfolgte. Eine Einschränkung der Straflosigkeit nur auf legale Bezugsquellen widerspräche dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG und verstieße zudem gegen den Grundsatz „nullum crimen sine lege“ (Art. 103 Abs. 2 GG; § 1 StGB). Der Anwendungsbereich des § 261 StGB ist dahingehend einzuschränken, dass der Erwerb und Besitz von Cannabis unterhalb der Schwellenwerte von § 34 Abs. 1 Nrn. 1, 12 KCanG nicht zu einer Geldwäschestrafbarkeit führt. Eine solche teleologische Reduktion des § 261 StGB ist erforderlich, um die Entkriminalisierungsabsicht des Gesetzgebers zu beachten.
OLG Hamburg, Urt. v. 12.12.2024 – 5 ORs 21/24
Verwerfungsurteil: Nichterscheinen einer vertretungsberechtigten Person der Nebenbeteiligten
§ 74 Abs. 2 OWiG knüpft allein an den Betroffenen an. Betroffener im Sinne des Ordnungswidrigkeitengesetzes ist die natürliche Person, gegen die sich das Verfahren richtet. Für eine entsprechende Anwendung des § 74 Abs. 2 OWiG auf nebenbeteiligte juristische Personen und Personenvereinigungen ist kein Raum. Deren Rechtsstellung richtet sich prozessual weitgehend nach den Regelungen für Einziehungsberechtigte.
KG, Beschl. v. 20.11.2024 – 3 ORbs 206/24
Befriedungsgebühr: Kausalität der Tätigkeit des Verteidigers
Für das Entstehen der sog. Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG genügt jede anwaltliche Tätigkeit, die auf eine Verfahrensförderung gerichtet ist, ohne dass sie auch kausal für die Verfahrensbeendigung geworden oder besonders aufwändig gewesen sein muss. Dabei trifft die Beweislast für das Fehlen der anwaltlichen Mitwirkung die Staatskasse als Gebührenschuldner.
LG Berlin I, Beschl. v. 9.12.2024 – 525 Qs 169/24
Zusätzliche Verfahrensgebühr: Entfallen von Fortsetzungsterminen
Die zusätzliche Verfahrensgebühr gemäß Nrn. 4141, 5115 VV RVG entsteht dann nicht, wenn die Einstellung des Verfahrens in der Hauptverhandlung erfolgt, selbst wenn dadurch weitere Hauptverhandlungstage entbehrlich werden.
LG Bochum, Beschl. v. 20.12.2024 – II-9 Qs-152 Js 120/24-35/24
Rahmengebühr: Berufungsverfahren
Für die Bemessung der festzusetzenden Gebührenhöhe ist die gegen einen Beschuldigten verhängte bzw. die ihm für die ihm vorgeworfene Tat drohende Strafe nicht der alleinige Anknüpfungspunkt. Von maßgeblicher Bedeutung sind vielmehr auch der Umfang der rechtsanwaltlichen Tätigkeit und die Bedeutung der Sache für ihn. Die Beschränkung eines Rechtsmittels auf das Strafmaß rechtfertigt die Ermäßigung der Mittelgebühr nicht.
LG Cottbus, Beschl. v. 11.12.2024 – 22 Qs 188/24
Aktenversendungspauschale und elektronische Akte
Die Vorschrift des § 107 Abs. 5 OWiG ist im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte dahingehend auszulegen, dass die Aktenversendungspauschale für einen Ausdruck einer eigentlich elektronisch geführten Akte nur dann anfällt, wenn der Antragsteller (der Verteidiger) die Übersendung eines Papierauszugs ausdrücklich beantragt.
AG Radolfzell, Beschl. v. 9.2.2024 – c 1 OWi 323/23





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