Stützt der Vermieter seinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung auch auf einen anderen Rechtsgrund – hier Eigentum –, richtet sich der Streitwert nach § 41 Abs. 2 S. 2 GKG. Maßgebend ist danach der jährliche Nutzungswert der Wohnung und nicht das vereinbarte Entgelt.
Sachverhalt
Die Parteien hatten einen Mietvertrag geschlossen, wonach der Mieter lediglich die Betriebskosten i.H.v. jährlich ca. 2.400,00 EUR zu übernehmen, aber für die Überlassung der Wohnung selbst kein Entgelt zu zahlen hatte. Es kam dann später zur Kündigung und zur Klage der Vermieterin auf Räumung und Herausgabe. Das LG hat den Streitwert mit dem Jahresbetrag der zu zahlenden Betriebskosten auf 2.400,00 EUR festgesetzt. Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Beschwerde erhoben und geltend gemacht, die Klägerin habe ihren Räumungsanspruch auch auf Eigentum gestützt. Daher sei nicht § 41 Abs. 2 S. 1 GKG einschlägig, sondern § 41 Abs. 2 S. 2 GKG. Unabhängig von dem tatsächlichen Entgelt sei auf den jährlichen Nutzungswert abzustellen. Dieser sei anhand vergleichbarer Objekte auf monatlich 600,00 EUR zu schätzen. Das LG hat der Streitwertbeschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG vorgelegt. Das OLG hat der Beschwerde stattgegeben und den Streitwert auf 7.200,00 EUR festgesetzt.
Keine Anwendung des § 42 Abs. 2 S. 1 GKG
Die vom LG herangezogene Bewertungsvorschrift des § 41 Abs. 2 S. 1 GKG, die i.V.m. § 41 Abs. 1 S. 1 GKG unter bestimmten Umständen auch den Ansatz eines Streitwerts unterhalb des Jahresentgelts zulässt (vgl. BGH NZM 2006, 138), kommt aus besonderen sozialen Erwägungen nur zur Anwendung, wenn der Räumungsanspruch ausschließlich wegen der Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses geltend gemacht wird.
Anwendbarkeit des § 42 Abs. 2 S. 2 GKG
Wird das Räumungsverlangen nicht nur auf die Beendigung eines entgeltlichen Nutzungsverhältnisses gestützt, sondern auch auf eine andere Anspruchsgrundlage (z.B. Besitzherausgabe an den Eigentümer), so bemisst sich der Streitwert nach § 41 Abs. 2 S. 2 GKG stets nach dem einjährigen Nutzungswert, welchen die Beklagtenvertreter und die erste Instanz unstreitig mit 7.200,00 EUR angeben. Wird die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils verlangt und wird dieser Anspruch nicht nur auf die Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses, sondern auch auf eine andere Anspruchsgrundlage gestützt, ist ohne Rücksicht darauf, ob über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses Streit besteht, stets der Wert der Nutzung eines Jahres maßgebend, § 41 Abs. 2 S. 2 GKG.
So verhält es sich im Streitfall. Die Klägerin hat ihren Anspruch nicht nur auf die Beendigung des Mietverhältnisses gestützt, sondern auch auf den Herausgabeanspruch der Eigentümerin. Dass die Klägerin die Anspruchsgrundlage (§ 985 BGB) nicht (ausdrücklich) genannt hat, spielt keine maßgebliche Rolle. Entscheidend ist, dass sie den Beklagten nicht nur als Vermieterin, sondern daneben auch als Eigentümerin in Anspruch genommen hat. Die vom LG herangezogene Bewertungsvorschrift des § 41 Abs. 2 S. 1 GKG, die i.V.m. § 41 Abs. 1 S. 1 GKG unter bestimmten Umständen auch den Ansatz eines Streitwerts unterhalb des jährlichen Nutzwertes zulässt, kommt aus besonderen sozialen Erwägungen nur zur Anwendung, wenn der Räumungsanspruch ausschließlich wegen der Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses geltend gemacht wird (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 2011, 199 = ZMR 2011, 805).
Bedeutung für die Praxis
Wird die Herausgabe eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils verlangt, gilt für den Gebührenstreitwert die Vorschrift des § 41 Abs. 2 GKG. Dabei ist zu unterscheiden,
ob der Räumungs- und Herausgabeanspruch ausschließlich auf die vertragliche Grundlage (§ 546 BGB) oder
ob er daneben auch auf weitere Anspruchsgrundlagen, insbesondere dingliche Ansprüche aus Eigentum, Nießbrauch o.ä., gestützt wird.
Im ersten Fall gilt § 41 Abs. 2 S. 1 GKG. Maßgebend ist zum einen das vereinbarte Nutzungsentgelt, unabhängig davon, ob es wertangemessen ist, also unabhängig davon, ob der tatsächliche Nutzungswert höher oder niedriger liegt. Zum anderen gilt hier zwar grds. auch der Jahreswert. Sofern die streitige Zeit bis zur Räumung allerdings geringer als ein Jahr beträgt, kann auch ein geringerer Wert festzusetzen sein.
Wird der Räumungsanspruch dagegen auch auf eine andere Anspruchsgrundlage gestützt, gilt immer der Jahreswert, unabhängig davon, ob die streitige Zeit geringer ist. Ob der Kläger sich auf diese Anspruchsgrundlage beruft, ist unerheblich. Entscheidend ist nur, dass dieser Anspruch in Betracht kommt. Soweit das der Fall ist, gilt der Nutzungswert der Wohnung. Wird also eine Wohnung unter Wert vermietet, ergibt sich ein höherer Jahreswert als im Fall des § 41 Abs. 2 S. 1 GKG. Um dem Gericht von vornherein die richtige Bewertung zu ermöglichen, sollte in der Klageschrift stets vorgetragen werden, ob der klagende Vermieter auch Eigentümer oder anderweitig dinglich Berechtigter ist, damit das Gericht den Streitwert von vornherein zutreffend festsetzen kann.