I. Allgemeines
Die persönliche Steuerpflicht ist in § 2 ErbStG geregelt. Hier wird die Frage beantwortet, welche der in § 1 ErbStG bezeichneten Vorgänge der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen. Ähnlich wie bei anderen Steuerarten wird auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht unterschieden. Die Beschränktheit der Steuerpflicht bezieht sich dabei auf den Umfang des Vermögensanfalls. Während die unbeschränkte Steuerpflicht grundsätzlich den gesamten Vermögensanfall umfasst, also unabhängig vom Lageort der einzelnen übergegangenen Vermögensgegenstände ist, erstreckt sich der Umfang der Besteuerung bei der beschränkten Steuerpflicht nur auf das so genannte Inlandsvermögen (§ 121 BewG).
Zur Anpassung des ErbStG an das zum 1.1.2024 in Kraft getretene MoPeG (Gesetz vom 10.8.2021, BGBl I 2021, 3436.) wurde ein neuer § 2a ErbStG in das Gesetz eingefügt, der die rechtsfähige GbR (§§ 706 ff. BGB n.F.) sowie auch alle weiteren rechtsfähigen Personengesellschaften (i.S.v. § 14a Abs. 2 Nr. 2 AO) für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke als Gesamthand definiert bzw. fingiert. So wird die künftige Anwendung der BFH-Rechtsprechung zur transparenten Behandlung der (aller) Personengesellschaften im Bereich des ErbStG (Vgl. BFH v. 5.2.2020 – II R 9/17, ZEV 2020, 570.) ermöglicht bzw. gesetzlich abgesichert. Steuerpflichtige sind die Gesellschafter, nicht etwa die Personengesellschaft (selbst).
II. Unbeschränkte Steuerpflicht
1. Inländischer Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt
2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 ErbStG knüpft die unbeschränkte Steuerpflicht an die Inländereigenschaft des Erblassers, des Schenkers oder des Erwerbers. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer, der sich nach § 9 ErbStG richtet. Inländer ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 ErbStG jede natürliche Person, die im Inland einen Wohnsitz (§ 8 AO) oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) hat. Die Staatsangehörigkeit ist insoweit zunächst unbeachtlich. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung wird ein Wohnsitz im Sinne von § 8 AO nicht erst dadurch begründet, dass eine Wohnung ständig genutzt wird und gleichzeitig die Absicht besteht, in ihr einen Wohnsitz zu haben (BFH v. 23.11.1988 – II R 139/8,7, BStBl II 1989, 182.). Vielmehr ist der steuerrechtliche Wohnsitzbegriff weitgehend objektiviert und stellt daher auf äußerliche Merkmale ab, deren Vorliegen als Indiz für die subjektiven Absichten des Steuerpflichtigen anzusehen sind (Riedel, in: Daragan/Halaczinsky/Riedel, ErbStG und BewG, § 2 ErbStG Rn 7.).
Gerade vor dem Hintergrund, dass eine Person ohne Weiteres gleichzeitig mehrere Wohnsitze sowohl im In- als auch im Ausland besitzen kann (BFH v. 19.3.1997 – I R 69/96, BStBl II 1997, 447.), sind die Anforderungen an die Begründung bzw. das Beibehalten eines inländischen Wohnsitzes sowohl nach Verwaltungsauffassung als auch aus der Sicht der Rechtsprechung eher gering (Vgl. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 2 Rn 17; Strunck/Kaminski, Stbg 2009, 158; Geck, ZEV 1995, 249, 250.). So hat der BFH in einer viel zitierten Entscheidung eine im Eigentum des Steuerpflichtigen stehende Doppelhaushälfte, die nur wenige Wochen im Jahr (dies aber regelmäßig) zu Jagdaufenthalten genutzt wurde, als inländischen Wohnsitz angesehen (BFH v. 23.11.1988 – II R 139/8,7 BStBl II 1989, 182.). Hat einer von zwei Ehegatten eine inländische Wohnung, gilt diese – jedenfalls bei intakter Ehe –auch als inländischer Wohnsitz des anderen Ehegatten (Vgl. FG Hamburg v. 15.4.1994 – V 61/92, EFG 1994, 730, rkr.).
Soweit ein Wohnsitz im Inland nicht besteht, kann die unbeschränkte Steuerpflicht durch das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 9 AO eintreten. Insoweit setzt das Gesetz voraus, dass sich jemand an einem Ort unter solchen Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Ein zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten ist grundsätzlich ausreichend. Regelmäßig wiederkehrende Kur- oder Erholungsaufenthalte sind grundsätzlich nicht geeignet, einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu begründen (BFH v. 23.4.1969 – I R 159/66, BStBl II 1969, 439.). Dies gilt selbst bei Aufenthalten von mehr als sechs Monaten, wenn diese ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken unternommen werden und nicht länger als ein Jahr dauern (§ 9 S. 3 AO).
Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 S. 1 ErbStG könnte man den Eindruck gewinnen, die Inländereigenschaft des Erblassers/Schenkers sowie des Erwerbers führten im selben Umfang zur unbeschränkten Steuerpflicht. Insoweit ist der Wortlaut des Gesetzes jedoch irreführend. Tatsächlich führen Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers/Schenkers grundsätzlich zur unbeschränkten Steuerpflicht hinsichtlich des gesamten Vermögensübergangs, und zwar unabhängig davon, wer Erwerber ist und ob dieser oder einer von ihnen ebenfalls Inländer ist. Soweit der Erblasser/Schenker nicht Inländer im oben beschriebenen Sinne ist, wird aber nur derjenige Erwerber als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, in dessen Person die Inländereigenschaft vorliegt. Mithin wird, wenn nur einer von mehreren Erwerbern, nicht aber der Erblasser Inländer ist, lediglich der auf den inländischen Erwerber entfallene Teil von der unbeschränkten Steuerpflicht erfasst. Der Begriff „gesamter Vermögensanfall“ in § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 ErbStG greift also bei einem inländischen Erblasser oder Schenker weiter als in dem Fall, in dem nur ein Erwerber Inländer ist (Riedel, in: Daragan/Halaczinsky/Riedel, ErbStG und BewG, § 2 ErbStG Rn 31.).
Beispiel
Der zuletzt in Deutschland ansässige verwitwete Erblasser E wird von seiner ebenfalls in Deutschland lebenden Tochter T und seinem seit sechs Jahren im Ausland lebenden Sohn S zu jeweils 12 beerbt. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus im Ausland belegenen Vermögenswerten. Lösung T und S unterliegen gleichermaßen der unbeschränkten Steuerpflicht für den gesamten Vermögensanfall. Die Belegenheit des Vermögens im Ausland ist ohne Belang. Darauf, dass sich S seit sechs Jahren im Ausland aufhält, kommt es hier nicht an, weil der Erblasser Inländer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1a) ErbStG war. Wäre E dagegen bei sonst identischem Sachverhalt zusammen mit seinem Sohn in das Ausland gezogen und hätte er seinen inländischen Wohnsitz aufgegeben, wäre nur der auf T entfallende hälftige Vermögensanteil in Deutschland steuerpflichtig (Nach Landsittel, Gestaltungsmöglichkeiten von Erbfällen und Schenkungen, Rn 380.). |
2. Wegzug vor nicht mehr als fünf Jahren
Für die unbeschränkte Steuerpflicht i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG ist – wie gesehen – die Staatsangehörigkeit des Erblassers oder des Erwerbers ohne Belang. Demgegenüber knüpft die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1b und c ErbStG an die Staatsangehörigkeit der Beteiligten an.
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG gelten solche deutsche Staatsangehörige, die im Inland keinen Wohnsitz mehr haben, sich aber noch nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufhalten, für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer weiterhin als Inländer. Eine Beendigung der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht kann demzufolge nicht bereits durch den bloßen Wegzug in das Ausland erreicht werden. Vielmehr ist es erforderlich, für einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren (gar) keinen Wohnsitz in Deutschland zu haben und auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu unterhalten. Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift („…, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben“) führt die – auch nur kurzfristige – Wohnsitznahme in Deutschland zu einer Unterbrechung des in § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2b ErbStG normierten Fünf-Jahres-Zeitraums; die entsprechende Frist beginnt nach der (letzten) Aufgabe eines letzten inländischen Wohnsitzes jeweils neu zu laufen. Ein zwischenzeitlicher gewöhnlicher Aufenthalt im Inland ist hinsichtlich des Fristlaufs jedoch unschädlich (Auch wenn während der Dauer dieses gewöhnlichen Aufenthalts natürlich unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 a) ErbStG besteht.). Schließlich ist hinsichtlich der Fünf-Jahres-Frist darauf hinzuweisen, dass sich diese für deutsche Staatsangehörige, die in die USA wegziehen, auf zehn Jahre verlängert (Zustimmungsgesetz vom 15.9.2000 (BGBl II 2000, 1170; BStBl I 2001, 110) zum Ergänzungsprotokoll vom 14.12.1998 zum DBA USA (BGBl II 2001, 62, 65; BStBl I 2001, 114).
Ergänzend ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass auch beim Tod von so genannten Wegzüglern, die deutschen Finanzbehörden regelmäßig von deren Tod in Kenntnis gesetzt werden. Denn nach § 9 ErbStDV müssen die diplomatischen Vertreter und die Konsuln des Bundes dem Bundesminister der Finanzen die Sterbefälle von Deutschen im Ausland melden. Gleiches gilt für Zuwendungen ausländischer Erblasser oder Schenker an Inländer, soweit diese den diplomatischen Vertretern oder Konsuln bekannt werden.
3. Deutsche Auslandsbedienstete
Als Inländer gelten schließlich gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2c ErbStG – unabhängig von der Fünf-Jahres-Frist nach Buchstabe b) – deutsche Staatsangehörige, die zwar im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, aber zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen, für das sie aus einer inländischen öffentlichen Kasse Arbeitslohn beziehen. Weitere Voraussetzung ist, dass sie in ihrem Wohnsitzstaat bzw. in dem Staat, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, lediglich in einem der beschränkten Steuerpflicht (i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) ähnlichen Umfang zu einer Nachlass- oder Erbanfallsteuer herangezogen werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1c S. 2 ErbStG). Im Wesentlichen geht es hier um Angehörige diplomatischer Vertretungen, die auf längere Dauer ins Ausland entsandt sind und in Deutschland daher keinen Wohnsitz mehr unterhalten.
2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2c ErbStG erstreckt sich neben den Auslandsbediensteten selbst auch auf ihre Angehörigen, soweit diese deutsche Staatsangehörige sind und zum Haushalt des Auslandsbediensteten gehören. Für sie ist die Inländereigenschaft nach denselben Kriterien zu beurteilen wie für den Auslandsbediensteten selbst (vgl. oben), dies gilt auch für die Heranziehung zu einer ausländischen Erbschaftsteuer, die ihrem Umfang nach der Besteuerung der deutschen beschränkten Erbschaftsteuerpflicht ähnlich sein muss. Bei der Abgrenzung der Haushaltsangehörigen von anderen Personen ist weniger auf § 15 AO abzustellen, sondern vielmehr auf Art. 37 Abs. 1 WÜD (Vgl. Anhang zu § 2 ErbStG Wiener Übereinkommen vom 18.4.1961 über diplomatische Beziehungen, BGBl II 1964, S. 959 ff.). Dieser spricht ausdrücklich von Familienmitgliedern, meint also insbesondere den Ehegatten und die Kinder, die zum Haushalt gehören (Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 2 Rn 32.).
4. Unbeschränkte Steuerpflicht von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen
Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2d ErbStG gelten auch Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben, als erbschaftsteuerrechtliche Inländer. Körperschaften in diesem Sinne sind neben den privatrechtlichen (insbesondere Stiftungen und Kapitalgesellschaften) auch juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland. Die Begriffe Personenvereinigungen und Vermögensmassen umfassen alle rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen Vereine, Anstalten, Stiftungen, Zweckvermögen, etc., die unter § 1 Abs. 1 KStG fallen (Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 2 Rn 37.). Die Definition der Begriffe „Sitz“ und „Geschäftsleitung“ ergibt sich aus § 11 bzw. § 10 AO. Demnach wird der Sitz nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag, Satzung oder vergleichbarem Organisationsstatut festgelegt. Die Geschäftsleitung ist demgegenüber als Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung definiert, wobei die tatsächlichen Verhältnisse des einzelnen Falles maßgeblich sind. Soweit Sitz und Geschäftsleitung sich an unterschiedlichen Orten befinden, genügt für die Inländereigenschaft die Belegenheit eines von beiden im Inland. Der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt der Gesellschafter oder des Stifters spielt hingegen keine Rolle.
Ein Auszug aus: Riedel, Steuern beim Erben und Schenken, 1. Auflage (1-157)