1. Eine Allgemeine Geschäftsbedingung, nach der ein Arbeitnehmer ein auch privat nutzbares Dienstfahrzeug im Fall der berechtigten Freistellung während der Kündigungsfrist entschädigungslos an den Arbeitgeber zurückgeben muss, ist wirksam. Die Regelung genügt den formellen Anforderungen von § 308 Nr. 4 BGB. Nach dem dort vorgesehenen Transparenzgebot muss eine solche Klausel klar und verständlich gefasst sein und zumindest die Richtung angeben, aus der der Widerruf möglich sein soll. Hinsichtlich der möglichen Leistungsänderung muss für den Arbeitnehmer ein gewisses Mindestmaß an Kalkulierbarkeit bestehen. Auch materiell ist die Widerrufsklausel wirksam, weil sie unter Berücksichtigung der Freistellung die dienstliche und private Nutzung in sachgerechter Weise verknüpft.
2. Ein in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung enthaltener Widerrufsvorbehalt unterliegt neben einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB auch der auf den konkreten Einzelfall bezogenen Ausübungskontrolle nach § 315 Abs. 1 BGB. In die gebotene Interessenabwägung sind das Interesse des Arbeitgebers an einer unverzüglichen Rückgabe und das Interesse des Arbeitnehmers an einer weiteren privaten Nutzung einzustellen. Da die private Nutzung eines Dienstwagens bei gewählter Pauschalversteuerung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG auch dann mit der vollen Monatspauschale zu versteuern ist, wenn der Arbeitnehmer das Fahrzeug nicht im gesamten Kalendermonat nutzen kann, wird im Regelfall nur ein Widerruf zum Monatsende billigem Ermessen entsprechen.
3. Entspricht ein Widerruf der Privatnutzung wegen einer zu kurz gewählten Auslauffrist nicht billigem Ermessen, können die Gerichte eine Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 2 BGB vornehmen.
[Orientierungssätze der Richter des BAG]
I. Der Fall
Privatnutzung des Dienstwagens
Der Kläger war als kaufmännischer Leiter eines Seniorenzentrums angestellt. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag sah u.a. die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens, der auch zu privaten Zwecken genutzt werden durfte, vor. In den Entgeltabrechnungen war für die private Nutzung ein Betrag in Höhe von 457 EUR brutto monatlich im Rahmen der pauschalen Versteuerung berücksichtigt.
Widerrufsvorbehalt
In dem von der beklagten Arbeitgeberin vorgelegten Arbeitsvertrag war für die Gewährung der Privatnutzung des Dienstwagens folgende Regelung festgehalten: „Die private Nutzung des Dienstfahrzeugs kann vom Arbeitgeber widerrufen werden, wenn der Mitarbeiter das Dienstfahrzeug vertragswidrig benutzt, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt ist und der Arbeitgeber den Mitarbeiter berechtigt von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt oder suspendiert hat, und wenn der Mitarbeiter wegen Krankheit oder aus einem anderen persönlichen Grund für mehr als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert ist. (…) Ein Anspruch des Mitarbeiters wegen des Entzugs der privaten Nutzung besteht in diesen Fällen nicht.“
Freistellung, Rückgabe des Dienstwagens
Darüber hinaus sah der Arbeitsvertrag vor, dass die Beklagte berechtigt sei, den Kläger im Falle des Ausspruchs einer Kündigung bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses von der Arbeitsleistung freizustellen. Mit Schreiben vom 8.5.2023 kündigte die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis fristgerecht zum 31.8.2023 und erklärte gleichzeitig die unwiderrufliche sofortige Freistellung des Klägers. Darüber hinaus forderte sie den Kläger auf, das ihm zur Verfügung gestellte Fahrzeug bis spätestens zum 24.5.2023 zurückzugeben. Dieser Aufforderung kam der Kläger am 23.5.2023 nach.
Verfahrensgang
Mit seiner Klage machte der Kläger u.a. den Nutzungsausfall für die Zeit seit der Rückgabe des Fahrzeuges am 24.5.2023 bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geltend. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen (ArbG Köln, Urt. v. 27.10.2023 – 7 Ca 2358/23). Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision zugelassen (LAG Köln, Urt. v. 24.4.2024 – 5 Sa 659/23). Die Revision hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg.
II. Die Entscheidung
Zulässigkeit des Widerrufsvorbehalts
Das Bundesarbeitsgericht stellte in seiner Entscheidung fest, dass die als Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizierende vertragliche Regelung über den Widerruf der Privatnutzung dem Transparenzgebot gemäß § 308 Nr. 4 BGB gerecht werde. Danach ist eine vertragliche Regelung, die einem Vertragspartner eine einseitige Änderung seiner Leistungsverpflichtungen einräumt, dann zulässig, wenn sich aus der Regelung die Gründe für den möglichen Widerruf ergeben. Das BAG hielt hierzu fest, dass eine solche Regelung dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben muss, etwaige Einschränkungen von vorneherein feststellen zu können. Die etwaige Vertragsänderung müsse kalkulierbar sein, was in dem zu entscheidenden Sachverhalt der Fall sei. In der Regelung würden die Fälle, die einen Widerruf der Privatnutzung des Dienstfahrzeuges rechtfertigen könnten, klar benannt. Zusammen mit den dem Arbeitnehmer monatlich erteilten Gehaltsabrechnungen sei die durch den Widerruf eintretende Vergütungsreduzierung ohne weiteres kalkulierbar gewesen.
Widerruf zumutbar
Die in der vertraglichen Regelung hergestellte Verbindung zwischen der (zulässigen) Freistellung nach Ausspruch einer Kündigung und dem Widerruf der Möglichkeit zur Privatnutzung des Dienstfahrzeuges, sei auch zumutbar. Da nach der erfolgten Freistellung die Verpflichtung zur Durchführung von Dienstfahrten ende, stelle der Widerruf der Privatnutzung eine sachgerechte Verknüpfung der dienstlichen und privaten Nutzung des Fahrzeuges dar.
keine grundlegende Vergütungsänderung
Die durch den Vertrag eingeräumte Möglichkeit, die vereinbarte Leistung zu widerrufen, stelle im konkreten Sachverhalt auch keine grundlegende Änderung der vereinbarten Vergütung dar. Eine solche Änderung trete erst dann ein, wenn der Widerruf einen über 25 % der vereinbarten Vergütung hinausgehenden Anteil betreffe, was in dem zu beurteilenden Sachverhalt nicht der Fall war.
billiges Ermessen
Entgegen der Entscheidung der Vorinstanzen hielt das BAG allerdings in der Entscheidung fest, dass der Widerruf der Privatnutzung auch billigem Ermessen entsprechen müsse. Soweit der Arbeitgeber die Rückgabe des Fahrzeuges vor dem Monatsende verlangt habe, entspräche dies nicht billigem Ermessen. Das gelte jedenfalls dann, wenn, wie bei der Zurverfügungstellung von Dienstwagen vorgesehen, eine Besteuerung der privaten Nutzung des Dienstwagens erfolge. Da der Arbeitnehmer die Privatnutzung für einen ganzen Monat zu versteuern habe, stelle der vorherige Entzug des Fahrzeuges und die Untersagung der privaten Nutzung einen nicht zu rechtfertigenden Nachteil dar. Allein für diesen Zeitraum stehe dem Arbeitnehmer deshalb ein Anspruch auf Zahlung des Nutzungsausfalls zu.
III. Der Praxistipp
Bestätigung der Widerrufsmöglichkeit
Das Bundesarbeitsgericht bestätigt mit seinem Urteil die Möglichkeit, in einem Arbeitsvertrag einen einseitigen Widerrufsvorbehalt für einen Teil der vereinbarten Vergütung zu vereinbaren. Die Entscheidung bewegt sich danach auf der Basis von anderen Entscheidungen zu einer einseitigen Widerrufsmöglichkeit von Vergütungen, sofern diese einen Anteil von 25 % an der Gesamtvergütung nicht überschreiten.
vertragliche Regelungen prüfen
Aus Sicht von Arbeitgebern stellt die Entscheidung eine erfreuliche Klarstellung des in vielen Fällen konfliktbeladenen Widerrufs der Privatnutzung eines Dienstfahrzeuges dar. Allerdings hält das BAG auch fest, dass die Regelungen, nach denen ein solcher Widerruf erfolgen kann, in dem Vertrag eindeutig und für den Arbeitnehmer nachvollziehbar festgehalten sein müssen. Insoweit ist eine Überprüfung der genutzten bisherigen vertraglichen Regelungen dringend geboten.
Markus Pillok, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln, pillok@michelspmks.de