Werden die für den Besitz, Anbau und Erwerb von Cannabis erlaubten Mengen überschritten, unterliegt dieses vollständig der Einziehung (§ 37 KCanG, § 74 Abs. 2 StGB).
(Leitsatz der Verfasserin)
I. Sachverhalt
Einziehung von Cannabis angeordnet
Das LG hat den Angeklagten wegen mehrerer – ausschließlich auf den Umgang mit Cannabisprodukten bezogener – Verstöße gegen das BtMG zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt und u.a. die Einziehung des sichergestellten Cannabis angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
II. Entscheidung
Zurückverweisung
Vor dem Hintergrund des am 1.1.2024 in Kraft getretenen und vom Revisionsgericht nach § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO zu berücksichtigenden KCanG hebt der Senat das Urteil mit den Feststellungen auf und verweist die Sache an eine andere Strafkammer des LG zurück.
Schuldspruchanpassung versus rechtlicher Hinweis
Einer Schuldspruchanpassung durch den Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO hinsichtlich des nunmehr dem grundsätzlich milderen KCanG unterfallenden Umgangs mit Cannabis stehe § 265 Abs. 1 StPO entgegen. Zwar habe das LG nach der zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechtslage hinsichtlich des in vier von fünf Fällen zum Eigenkonsum erworbenen Cannabis rechtlich zutreffend jeweils einen Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG angenommen. Da dieser Qualifikationstatbestand nur die Handlungsformen des Handeltreibens, Herstellens, Abgebens und Besitzens einem höheren Strafrahmen unterstelle, trete die lediglich nach dem Grundtatbestand des § 29 Abs. 1 BtMG strafbare Handlungsform des Erwerbs hinter dem spezielleren Tatbestand des Besitzes einer nicht geringen Menge zurück. Demgegenüber sehe das KCanG für den – nicht nach § 34 Abs. 4 KCanG qualifizierten – Umgang mit Cannabis in nicht geringer Menge ein alle in § 34 Abs. 1 KCanG unter Strafe gestellte Handlungsformen erfassendes Regelbeispiel vor. Nach neuer Rechtslage komme daher der Tatbestand des Erwerbs von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG) in Betracht, mithin eine andere Handlungsform, die überdies gegenüber dem Besitz eine niedrigere Freigrenze vorsehe und sich damit als für den Angeklagten ungünstiger erweise. Es sei nicht auszuschließen, dass sich der Angeklagte in Kenntnis der abweichenden rechtlichen Bewertung wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Freigrenzen
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat u.a. darauf hin, dass die in § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG normierten Einschränkungen der Strafbarkeit des Besitzes, Anbaus und Erwerbs von Cannabis Freigrenzen darstellen würden. Dies habe zur Folge, dass bei Überschreitung derselben die Handlung hinsichtlich des gesamten besessenen, angebauten oder erworbenen Cannabis strafbewehrt sei und das Cannabis als Bezugsgegenstand vollständig der Einziehung unterliege (§ 37 KCanG, § 74 Abs. 2 StGB). Für dieses Verständnis sprechen der Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG, die Systematik des KCanG und der Wille des Gesetzgebers.
III. Bedeutung für die Praxis
Erste Entscheidung zur Einziehung nach § 37 KCanG
1. Mit dieser Entscheidung verhält sich der BGH erstmals zum Umfang der Einziehung nach § 37 KCanG. Die Regelung ist an § 33 BtMG angelehnt (vgl. BT-Drucks 20/8704, S. 134) und stellt die Einziehung von Gegenständen, auf die sich eine Straftat nach § 34 KCanG oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 36 KCanG bezieht, in das Ermessen des Gerichts.
Eingezogen werden kann alles
2. Ganz überwiegend wurde bislang die Auffassung vertreten, dass die Einziehung allein die Menge an Cannabis erfasst, welche die nach dem KCanG vorgesehenen Freimengen überschreitet (so AG Westerstede, Urt. v. 2.4.2024 – 375 Js 83173/22; AG Bautzen, Beschl. v. 27.5.2024 – 47 Gs 409/24; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., KCanG § 37 Rn 1; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 325). Der BGH ist dem nicht gefolgt. Er hat – wenn auch nicht tragend – den Standpunkt vertreten, dass die gesamte Menge der Einziehung nach § 37 KCanG unterliegt. Das hat zur Folge, dass etwa bei einem Besitz von vier – statt der gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 KCanG erlaubten drei – lebenden Cannabispflanzen alle vier Pflanzen der Einziehung unterliegen.
Bedeutung für die Praxis
3. Die Entscheidung wird in der Praxis insbesondere für die Sicherstellung und Beschlagnahme von Cannabisprodukten Bedeutung haben. Denn liegen keine Anhaltspunkte für einen nicht auf Eigenkonsum bezogenen Umgang bzw. einen Verstoß gegen eine Verbotsnorm ohne Freigrenze (z.B. Handeltreiben) vor und können die ermittelnden Polizeibeamten vor Ort den legalen vom illegalen Anteil unterscheiden, kommt eine Sicherstellung der gesamten Menge als Beweismittel gemäß § 94 Abs. 1 StPO nicht in Betracht (Patzak/Fabricius, a.a.O., KCanG § 34 Rn 23). Die hier vertretene Auffassung des BGH würde jedoch auch in diesen Fällen eine Beschlagnahme der gesamten vorhandenen Menge Cannabis bzw. Cannabisprodukt zur Sicherung der Einziehung gemäß § 111b Abs. 1 StPO ermöglichen. Jedenfalls aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden wäre dies zu begrüßen, da hierdurch praktische Schwierigkeiten bei der Individualisierung der letztlich zu beschlagnahmenden Mengen vermieden würden.
Allerdings nicht tragend
4. Die Entscheidung ist insoweit allerdings nicht tragend. Ob sich die anderen Strafsenate anschließen werden, bleibt abzuwarten.