Wirtschaftskanzleien gründen eigenen Verband
Erst kürzlich hatte der Deutsche Anwaltverein (DAV) den Versuch unternommen, die Abwanderung großer Wirtschaftskanzleien, die damit drohten, einen eigenen Interessensverband zu gründen, zu verhindern. Der DAV kündigte für Anfang April den Launch eines „Forums für Wirtschaftskanzleien“ an, der die Interessen und speziellen Bedürfnisse auch der größeren Kanzleien fokussierter als bisher in die Vereinsarbeit integrieren soll (vgl. näher Anwaltsmagazin ZAP 7/2022, S. 325).
Offenbar scheint dieser Versuch nun aber gescheitert zu sein. Ende März kündigten rd. 50 Wirtschaftskanzleien an, dass sie eine eigene Interessenvertretung namens „Bundesverband der Wirtschaftskanzleien in Deutschland“ gründen wollen. Wie die Fachpresse berichtete, zählen zu den Gründungsmitgliedern etwa die Kanzleien Becker Büttner Held, CMS Hasche Sigle, Esche Schümann Commichau, Graf von Westphalen, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Luther, Osborne Clarke, Rödl & Partner, Taylor Wessing und Wellensiek. Auffällig sei, so die Kommentierung, dass einige der „absoluten Top-Kanzleien“ offenbar bislang nicht dabei seien, etwa Allen & Overy, Clifford Chance, Freshfields Bruckhaus Deringer, Linklaters, Gleiss Lutz, Hengeler Mueller und auch Baker McKenzie.
Fraglich ist deshalb, ob es dem neuen Verband gelingen wird, noch weitere Größen aus der Branche zu gewinnen und sich auch gegenüber der Politik als „der“ Ansprechpartner für die Interessen und die Expertise der Wirtschaftsanwaltschaft zu etablieren. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich künftig zwei Plattformen die Lobbyarbeit für dieselbe Zielgruppe teilen und es hierbei auch zu Konkurrenz- und Konfliktsituationen kommt (in diesem Sinne auch Lange, Quo vadis Interessensvertretung, ZAP 22/2021, S. 1115). Als kein gutes Zeichen eines künftigen koordinierten Vorgehens, sondern eher als „Affront“ gegenüber dem DAV wurde bereits das Datum der Bekanntgabe der Gründung des neuen Bundesverbandes gewertet. Denn diese geschah nur wenige Tage, bevor der DAV mit seinem eigenen „Forum für Wirtschaftskanzleien“ an den Start ging.
[Quelle: Juve]