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Bundesrat billigt Verlängerung pandemiebedingter Sonderregelungen

Bundesrat billigt Verlängerung pandemiebedingter Sonderregelungen

Der Bundesrat hat in seiner 1017. Sitzung am 11.3.2022 der Verlängerung pandemiebedingter Sonderregelungen zugestimmt und zudem eine Reihe eigener Gesetzesinitiativen beschlossen. Unter anderem wollen die Länder damit den Gerichtsstandort Deutschland stärken und das Kindeswohl in familiengerichtlichen Verfahren besser berücksichtigen. Im Einzelnen:

  • Verlängerte Sonderregelungen zum KurzarbeitergeldWie erwartet billigte die Länderkammer die bereits vom Bundestag beschlossene Verlängerung des erleichterten Zugangs zum Kurzarbeitergeld über den 31. März hinaus (s. dazu bereits Anwaltsmagazin ZAP 6/2022, S. 262). Die’coronabedingten Sonderregeln zum Kurzarbeitergeld gelten damit vorerst bis zum 30.’Juni 2022 fort. Mit der Verlängerung der Corona-Sonderregeln will der Gesetzgeber dafür sorgen,’dass Beschäftigungsverhältnisse stabilisiert, Arbeitslosigkeit und ggf. Insolvenzen vermieden sowie Einkommensverluste für bereits lange von Kurzarbeit betroffene Beschäftigte’abgemildert werden. Bis zum 30.6.2022 gelten auch die sog. Akuthilfen für pflegende Angehörige im Pflegezeit- und im Familienpflegezeitgesetz fort: Beschäftigte könnten in einer akuten Pflegesituation weiterhin bis zu 20’Arbeitstage der Arbeit fernbleiben, um die’bedarfsgerechte Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen.
  • Verlängerung coronabedingter Sonderregelungen für die PflegeDer Bundesrat billigte zudem die Verlängerung der coronabedingten Sonderregelungen für den Pflegebereich; auch diese gelten nun zumindest bis zum 30. Juni fort. Damit ist z.B. eine Pflegebegutachtung weiter ohne Untersuchung der Versicherten in ihrer Wohnung allein anhand von Unterlagen und einer telefonischen oder digitalen Befragung möglich. Beratungsgespräche können auf Wunsch pflegebedürftiger Personen weiterhin telefonisch, digital oder per Videokonferenz durchgeführt werden. Bestehen bleiben zudem die’Anzeigepflicht wesentlicher Beeinträchtigungen der Leistungserbringung, die Kostenerstattung von pandemiebedingten Mehrausgaben und Mindereinnahmen für zugelassene Pflegeeinrichtungen sowie für nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag, die Kostenerstattung in Höhe der ambulanten Sachleistungen zur Vermeidung von pflegerischen Versorgungsengpässen im häuslichen Bereich sowie der flexible Einsatz des Entlastungsbetrages bei Pflegegrad 1 durch Pflegebedürftige. Der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld bleibt befristet für 20 Arbeitstage statt wie regulär für zehn Arbeitstage bestehen. Mit dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz vom 27.3.2020 waren befristete Sonderregelungen in das SGB’XI eingefügt worden. Das Bundesgesundheitsministerium kann diese bei fortbestehendem’Corona-Infektionsrisiko um jeweils bis zu’einem halben Jahr verlängern, was bereits mehrfach geschehen ist.
  • Grünes Licht für den ERP-WirtschaftsplanGebilligt wurde von den Ländern auch der Wirtschaftsplan zum Sondervermögen des European Recovery Program ERP 2022, den der Bundestag am 17. Februar verabschiedet hatte. Zur Unterstützung der deutschen Wirtschaft aus dem ERP-Sondervermögen stehen damit im Jahr 2022 etwa 901 Mio. € zur Verfügung. Insbesondere mittelständische Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft und Angehörige freier Berufe sollen dadurch zinsgünstige Darlehen und Beteiligungskapital mit einem Volumen von insgesamt etwa 9,8 Mrd. erhalten, heißt es in der Gesetzesbegründung. Das ERP-Sondervermögen des Bundes geht auf den Marshallplan der Nachkriegszeit zurück. Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft – v.a. mittelständische Betriebe – und Angehörige freier Berufe werden aus ERP-Mitteln mit zinsgünstigen Darlehen und Beteiligungskapital gefördert.
  • Korrektur in der StPONicht zuletzt stimmte der Bundesrat Korrekturen zu, die dazu dienen sollen, um Verweisungsfehler in der Strafprozessordnung zum Richtervorbehalt zu korrigieren. Sie betreffen u.a. strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts auf Kindesmissbrauch oder Kinderpornografie. Diese Verweisungsfehler waren durch ein früheres Gesetzgebungsverfahren mit umfangreichen Änderungen im Strafprozessrecht entstanden, das der 19. Deutsche Bundestag im Juni 2021 kurz vor Ende der Legislatur verabschiedet hatte (vgl. dazu bereits Anwaltsmagazin ZAP 1/2022, S. 6).

Neben diesen Zustimmungen zu bereits vom Bundestag beschlossenen Vorhaben brachte die Länderkammer am 11. März 2022 auch eine Reihe eigener Entwürfe in das Gesetzgebungsverfahren ein:

  • Deutschland als Gerichtsstandort für internationale HandelssachenUnter anderem möchte der Bundesrat Deutschland als Gerichtsstandort für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten stärken. Er schlägt deshalb vor, an den Zivilgerichten besondere Kammern für internationale Handelssachen einzurichten, die Prozesse auch auf Englisch führen können. Mit seinem Vorstoß möchte der Bundesrat auf die Globalisierung, den Brexit, immer komplexere Rechtsbeziehungen in der Wirtschaft und umfangreichere Verfahren reagieren. Sein Vorschlag: Die speziellen Senate der Oberlandesgerichte sollen künftig Wirtschaftsstreitigkeiten mit internationalem Bezug und einem Streitwert ab zwei Millionen Euro verhandeln – sogar erstinstanzlich, wenn die Parteien dies vereinbaren. Diese internationalen Handelsverfahren könnten dann teilweise oder ganz in englischer Sprache stattfinden. Diese „Commercial Courts“ dürften zudem sensible Informationen zu Verträgen auf Antrag einer Partei unter bestimmten Umständen als geheimhaltungsbedürftig einstufen. Die Verfahrensbeteiligten sollen in gewissem Umfang auch auf die Verfahrensgestaltung Einfluss nehmen können, heißt es im Gesetzentwurf. Um’die Effizienz der Justiz in diesem Bereich zu steigern und für internationale Unternehmen ein übersichtliches Angebot in Deutschland zu schaffen, soll jedes Bundesland nur an einem Oberlandesgericht Commercial Courts einrichten. Der Vorschlag ist nicht neu: Bereits 2021 hatte der Bundesrat einen entsprechenden Vorstoß gemacht (vgl. Anwaltsmagazin ZAP 14/2021, S. 682), der jedoch durch das Ende der Legislatur ausgebremst wurde.
  • Kindeswohl in familiengerichtlichen VerfahrenDie Länder wollen zudem den Familiengerichten mehr Instrumente an die Hand geben, um das Kindeswohl besser zu gewährleisten. So sollen Kinder von den Gerichten intensiver angehört und einbezogen werden, auch wenn sie sich altersbedingt noch nicht hinreichend artikulieren können. Zur intensiveren Sachverhaltsaufklärung sollen verstärkt Drittpersonen und Sachverständige hinzugezogen werden. Nötig sei auch ein intensiverer Informationsaustausch zwischen Gerichten und Jugendämtern, betont der Bundesrat. Der Gesetzesentwurf sieht vor, gerichtlich angeordnete Maßnahmen bei Kindeswohlgefährdungen regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob sie in der Praxis auch umgesetzt wurden und sich als wirksam erwiesen haben. Der Bundesrat will mit seinem Entwurf Lehren aus dem sog. Staufener Missbrauchsfall ziehen, der 2017 bundesweit Aufmerksamkeit ausgelöst hatte. Er setzt Empfehlungen der Kommission Kinderschutz um, die nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals eingesetzt worden war. Auch dieses Vorhaben hatte die Länderkammer bereits in der alten Legislaturperiode eingebracht; es unterfiel allerdings ebenfalls der sog. Diskontinuität.
  • Herrenlose KontenErben sollen künftig leichter Auskünfte über mögliche Konten oder Depots von Verstorbenen aus allgemein zugänglichen Quellen erhalten. Hintergrund des Bundesratsvorstoßes sind Schätzungen, wonach zwischen 2 und 9 Mrd.’€ auf sog. herrenlosen Konten von Verstorbenen liegen, ohne dass ihre Erben davon wissen: Hinterlässt ein Verstorbener keine Hinweise auf ihm gehörende (Online-)Konten, so ist es für Erben nach aktueller Rechtslage schwer, davon Kenntnis zu erhalten. Auskunftsersuchen privater Personen ins Blaue hinein scheitern häufig am Bankgeheimnis. Zur Lösung des Problems schlägt der Bundesrat ein bundesweites Verzeichnis beim Bundesamt für Justiz vor, an das automatisiert Daten Verstorbener sowie die Namen ihrer Kreditinstitute zu melden sind, sofern kein Erbe in angemessener Zeit Anspruch darauf erhoben hat. Ein entsprechendes Verfahren wird seit 2015 beim Abruf von Kirchensteuerabzugsmerkmalen praktiziert. Das Bundesamt soll die Daten in einem öffentlich einsehbaren Register im Internet führen. Mögliche Erben könnten so Informationen erhalten, mit denen sie ihre Vermögensansprüche gegenüber den Banken geltend machen können. Anlassloses Durchstöbern Nichtberechtigter soll durch Registrierungsvorgaben verhindert werden.
  • Verbesserte Aufklärung von SteuerstraftatenDie Länder wollen auch Konsequenzen aus dem sog. Cum-Ex-Skandal ziehen. Bei den Cum-Ex-Geschäften wurden Aktien in kurzer Frist ge- und wieder verkauft, um unentdeckt ungerechtfertigte Steuergutschriften zu erhalten. Es sei deutlich geworden, dass die bestehende Verschwiegenheitspflicht nicht mehr zeitgemäß geregelt sei, heißt es zur Begründung: Sie hindere die Börsen, aber auch die Börsenaufsichtsbehörden der Länder in vielen Fällen daran, Auskunftsersuchen der Finanzbehörden zu beantworten. Ein besserer Informationsaustausch sei dringend erforderlich, mahnte der Bundesrat. Nach derzeitiger Rechtslage dürfen Börsenorgane und Börsenaufsicht Handelsdaten nur dann den Finanzbehörden mitteilen, wenn dies in zwingendem öffentlichem Interesse liegt oder der Verfolgung einer Steuerstraftat dient. Für normale Betriebs- und Steuerprüfungen gilt das nicht.
  • Digitaler HausfriedensbruchDer Bundesrat möchte Computer und IT-Systeme besser vor Hackerangriffen und unbefugter Benutzung schützen. Sein Gesetzentwurf enthält einen neuen Straftatbestand, den „digitalen Hausfriedensbruch“. Die Vorschrift stellt den unerlaubten Zugriff auf fremde Computer, Smartphones, Webcams und Navigationssysteme mit einem Freiheitsentzug von bis zu zehn Jahren unter Strafe. Ziel ist – technikoffen – ein lückenloser strafrechtlicher Schutz aller Systeme und die Strafbarkeit nahezu aller Angriffsarten. Die bestehenden Strafvorschriften sind nach Ansicht der Länder nicht geeignet, die modernen Erscheinungsformen der Kriminalität in der digitalen Welt zu erfassen. So werden derzeit nur Daten geschützt, nicht aber IT-Systeme selbst. Gegen die massenhaften unbemerkten Infiltrationen durch Botnetze und Schadsoftware, DDos-Attacken und das Ausspähen von Daten durch international agierende’Cyber-Kriminelle könnten sich selbst aufmerksamste Nutzer nicht wehren. So gehen die Länder laut der Entwurfsbegründung davon aus, dass bereits bis zu 40 % aller internetfähigen informationstechnischen Systeme in Deutschland mit Schadsoftware verseucht sind. Die neue Strafvorschrift soll v.a. auch Bürgerinnen und Bürger schützen, die keine Technik-Experten sind.

[Quelle: Bundesrat]

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