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Kritik an Neuregelung zu Kindesentführungen

Kritik an Neuregelung zu Kindesentführungen

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat sich differenziert zu dem vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der EU-Verordnung 2019/1111 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen geäußert. Diese auch als Brüssel-IIb-Verordnung bezeichnete Verordnung wird ab dem 1.8.2022 die derzeit geltende Brüssel-IIa-Verordnung ablösen.

Der Referentenentwurf des BMJV dient der dazu notwendigen Schaffung ergänzender nationaler Verfahrensvorschriften und ändert dazu das Internationale Familienrechtsverfahrensgesetz (IntFamRVG) entsprechend. Die BRAK begrüßt den Entwurf des BMJV im Grundsatz. Das vorgesehene neue Vollstreckungsversagungsverfahren bei internationalen Kindesentführungen lehnt sie jedoch entschieden ab. Es verlängere das Vollstreckungsverfahren bei Kindesherausgabe, anstatt es schneller und effektiver zu gestalten. Die deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie mache das Verfahren aufwendig und kostenintensiv; zudem eröffne es Missbrauchsmöglichkeiten.

Die Kritik der BRAK betrifft insb. die im Referentenentwurf vorgesehene Hinweispflicht des Gerichts. Diese Hinweispflicht auf das Vollstreckungsversagungsverfahren, die der Vollstreckung vorgeschaltet ist, beinhalte, so die BRAK, schon als solche eine Verzögerung der Vollstreckung von mindestens zwei bis drei Wochen, nachdem zugestellt und die Frist des § 44 Abs. 3 S. 1 IntFamRVG-E abgewartet werden muss. Eine solche Hinweispflicht des Gerichts sei auch’weder vom Unionsgesetzgeber vorgegeben noch sei sie dazu geeignet, die Arbeit der Gerichte, die die Vollstreckung zu bewerkstelligen haben, zu erleichtern. Das Gegenteil sei der Fall: Die Hinweisflicht werde in der Praxis als eine Art Einladung an den zur Herausgabe des Kindes verpflichteten Elternteil gesehen werden, das Rechtsmittel einzulegen, die Vollstreckung zu verzögern und vollstreckungsverzögernde Tatsachen zu schaffen. Dies gelte erst recht, wenn der Referentenentwurf auch dann noch vorsehe, dass der zur Herausgabe des Kindes verpflichtete Elternteil den Antrag auch noch nach Fristablauf sowie einen Antrag auf Wiedereinsetzung stellen und sich zudem in diesem Zusammenhang darauf beziehen könne, dass die Gründe für den Antrag auf Vollstreckungsuntersagung erst nach Ablauf der Frist entstanden seien.

Insgesamt mache die geplante deutsche Umsetzung der EU-Vorgaben das Verfahren nicht nur für die Gerichte aufwendig und kostenintensiv. Den zur Herausgabe verpflichteten Elternteilen werde es dadurch auch ermöglicht, die Vollstreckungsverfahren missbräuchlich in die Länge zu ziehen, während das betroffene Kind in einer Art Schwebezustand lebe. Das gesamte System des HKÜ und der Brüssel-IIb-VO, das auf einer effektiven Vollstreckung getroffener Entscheidungen beruhe, werde konterkariert.

[Quelle: BRAK]

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