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Forderungskatalog zur Bundestagswahl

Forderungskatalog zur Bundestagswahl

Mit Blick bereits auf die nächste Bundestagswahl haben sich der Deutsche Anwaltverein (DAV) und der Deutsche Richterbund (DRB) mit gemeinsamen Forderungen an die Parteien gewandt. In einem Ende Mai vorgelegten Positionspapier dringen beide Verbände darauf, den Bund-Länder-Rechtstaatspakt fortzusetzen und die Digitalisierung der Justiz zu beschleunigen. Zudem mahnen sie einen niederschwelligen Zugang zum Recht, einen wirksamen Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses sowie eine angemessene Praxisbeteiligung bei der Gesetzgebung an.

Ein effektiver Zugang zum Recht steht bei DAV und DRB an erster Stelle der Forderungen. Dieser stelle die im Grundgesetz verankerte Daseinsvorsorge dar, erläuterte die Präsidentin des DAV, Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann. Gerade während der Pandemie habe sich gezeigt, wie wichtig es sei, dass die Justiz den Menschen einen effektiven Rechtsschutz gewähre, erklärten auch die DRB-Vorsitzenden Barbara Stockinger und Joachim Lüblinghoff. „Ein Erfolgsmodell könne der Rechtsstaat nur bleiben, wenn die Justiz für ihre wachsenden Aufgaben gut genug besetzt und technisch zeitgemäß ausgestattet sei.“ In beiden Punkten bestehe deshalb weiterhin Handlungsbedarf. Auch die Digitalisierung in der Justiz steht im Fokus beider Juristenorganisationen. Die Corona-Pandemie habe hier erhebliche Defizite offengelegt, so Lüblinghoff. Es müssten nicht nur die technischen Voraussetzungen in vielen Gerichten deutlich verbessert werden; v.a. brauche es einheitliche Standards bei der Videotechnik für Gerichtsverhandlungen. Im Lichte der Digitalisierung gehörten zudem die Verfahrensordnungen auf den Prüfstand. Im Einzelnen enthält das Positionspapier folgende sechs Forderungen:

  • Sicherung des Zugangs zum Recht: Gerichtsstandorte mit ihren Justizdienstleistungen müssten geschützt werden und dürfen nicht einer immer stärkeren Zentralisierung durch Zusammenlegung von Standorten zum Opfer fallen. Dafür gelte es, die erforderliche Infrastruktur der Rechtspflege in der Fläche und in den Städten bereitzuhalten und auszubauen. Gerichte müssten schnell erreichbar und für jedermann zugänglich sein.
  • Verlängerung des Rechtsstaatspakts: Mit den Gesetzen gegen Hass und Hetze im Netz, gegen Geldwäsche sowie gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie habe die Bundesregierung 2021 weitere umfangreiche Regelungen auf den Weg gebracht, die in den Ländern durch hunderte zusätzliche Stellen zu unterlegen seien. Es bedürfe daher dringend einer Verlängerung des bis 2021 befristeten Bund-Länder-Rechtsstaatspaktes, um den Personalaufwuchs weiter zu forcieren. Die Corona-Krise habe zudem gezeigt, dass nicht nur die Justiz, sondern auch die Anwaltschaft systemrelevant sei. Auch sie müsse daher in einem Pakt für den Rechtsstaat mitgedacht und einbezogen werden.
  • Digitalisierung: Die Corona-Pandemie habe die bisherigen Defizite bei der Digitalisierung in aller Schärfe offengelegt. Sie habe z.B. gezeigt, wie wichtig es sei, in geeigneten Fällen auf Videoverhandlungen ausweichen zu können. Deshalb müssten die technischen Voraussetzungen in vielen Gerichten durch Videoanlagen, mobile Hardware mit Webcams etc. noch deutlich verbessert werden. Es brauche zudem einheitliche Standards bei der Videotechnik für Gerichtsverhandlungen in den Ländern. Die Austauschformate für die elektronische Gerichtskorrespondenz müssten bundesweit identisch sein. Mit Blick auf den schon ab dem nächsten Jahr verpflichtenden elektronischen Rechtsverkehr fordern beide Verbände einen schnelleren Ausbau von Breitbandzugängen im gesamten Bundesgebiet. Vor allem im ländlichen Raum sei eine ausreichende Verfügbarkeit schneller Netze bisher nicht gewährleistet.
  • Anpassung der Verfahrensordnungen: Nach Auffassung von DAV und DRB bedürfen die Verfahrensordnungen (ZPO, StPO, VwGO, ArbGG, SGG etc.) einer Reform im Lichte der Digitalisierung. „Es ist an der Zeit für ein Update“, heißt es in dem Positionspapier. Nicht alle Regelungen aus der Papierwelt würden sich übernehmen lassen. Die rechtlichen Möglichkeiten für den Einsatz von Videoverhandlungen z.B. sollten erweitert und die Gerichte hierfür gut ausgestattet werden. Zugleich dürften die bewährten Prozessmaximen und das Prinzip der Kostenerstattung nicht aufgegeben werden. Die Möglichkeiten digitaler Anträge und Verfahren sollten erweitert werden, dürften aber keinesfalls zu einer Beschränkung des Zugangs zum Recht führen.
  • Berufsgeheimnisträgerschutz: Aus Sicht der Anwaltschaft besonders wichtig ist der absolute Schutz des Berufsgeheimnisses. Der Schutz der anwaltlichen Berufsausübung vor staatlicher Kontrolle liege nicht nur im Interesse der Anwaltschaft und der Rechtsuchenden, sondern auch im Interesse der Allgemeinheit an einer rechtsstaatlich geordneten und funktionierenden Rechtspflege, heißt es in dem Papier. Der geschützte Freiraum vertraulicher Kommunikation sei ein für das demokratische Gemeinwesen unverzichtbarer Bereich. Bei allen künftigen Gesetzesänderungen müsse daher der Berufsgeheimnisträgerschutz umfassend gewährleistet bleiben.
  • ultima-ratio-Prinzip im Strafrecht: Beide Verbände appellieren bereits jetzt an die nächste Bundesregierung, das Strafrecht nur als letztes Mittel, als ultima ratio, einzusetzen. Wer immer weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens mit dem Strafrecht regeln wolle, überdehne es und überfordere Polizei und Justiz. Neben etwaigen Gesetzesverschärfungen gelte es, in der nächsten Legislaturperiode am Maßstab kriminologischer Evidenz zu überprüfen, wo Straftatbestände sich bewährt hätten und wo sie begrenzt oder gestrichen werden könnten. Zudem empfehlen DAV und DRB eine unabhängige Evaluation der Strafgesetze mit diesem Ziel.

Die neue Bundesregierung müsse der Qualitätskontrolle durch Experten während des Gesetzgebungsverfahrens wieder einen höheren Stellenwert einräumen, fordern die Verbände abschließend in ihrem Positionspapier.

[Quellen: DAV/DRB]

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