Kategorie: Strafrecht

Strafrecht 2023 #07

Verfassungsbeschwerde: Wiedereinsetzung Eine Verfassungsbeschwerde ist fristgerecht erhoben, wenn der vollständige Beschwerdeschriftsatz bis zum Ablauf der Begründungsfrist zusammen mit allen für eine verfassungsrechtliche Prüfung des Beschwerdevorbringens unverzichtbaren Unterlagen tatsächlich in die Verfügungsgewalt des BVerfG gelangt ist. Dafür reicht es aus, dass ein Zugang auf dem Telefaxempfangsgerät des BVerfG erfolgt ist. Ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 93 Abs. 2 BVerfGG […]
I. Einführung Mit dem voraussichtlich am 1.10.2023 in Kraft tretenden „Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt“ hat der Gesetzgeber die in § 64 StGB geregelten Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in mehrfacher Hinsicht verschärft und überdies die in § 67 Abs. 5 […]
Nicht ausreichend für die Annahme eines Anfangsverdachts (einer Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 S. 2 StGB a.F.) ist es, wenn keine über bloße Vermutungen hinausgehenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Vortat bestehen oder wenn lediglich angenommen wird, das betroffene Geld oder der betroffene Vermögensgegenstand rühre aus irgendeiner Straftat her. (Leitsatz des Verfassers) BVerfG, Beschl. v. 19.4.2023 – 2 […]
Eine Erklärung, mit welcher der Angeklagte dem Verteidiger Vollmacht zur Vertretung, auch im Fall der Abwesenheit des Angeklagten, in allen Instanzen – ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die Abwesenheitsvertretung in der Berufungshauptverhandlung – erteilt hat, genügt den Anforderungen der in § 329 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 StPO vorausgesetzten Vertretungsvollmacht. (Leitsatz des Gerichts) BGH, Beschl. v. 24.1.2023 – […]
1. Gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung ist der Wiedereinsetzungsantrag der maßgebliche Rechtsbehelf, wenn es das Berufungsgericht versäumt hat, vorgebrachte Tatsachen im Verwerfungsurteil zu würdigen. 2. Im Falle einer Infektion mit dem Coronavirus ist das Fernbleiben des Angeklagten von der Hauptverhandlung bereits durch die Schutzbedürftigkeit anderer Prozessbeteiligter gerechtfertigt. (Leitsätze des Verfassers) OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.2.2023 […]
1. Eine Rechtsbeugung kann durch Unterlassen begangen werden, wenn dies angesichts der objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls nicht nur eine fehlerhafte Sachbehandlung darstellt, sondern wenn bewusst gegen eine Vorschrift verstoßen wird, die ein bestimmtes Handeln unabweislich zur Pflicht macht, wenn der Richter untätig bleibt, obwohl besondere Umstände sofortiges Handeln zwingend gebieten, oder wenn die […]
Die für jedermann zugängliche Veröffentlichung eines sogenannten Judensterns mit dem Zusatz „Ungeimpft“ auf der Plattform Facebook ist zur Störung des öffentlichen Friedens jedenfalls dann nicht geeignet, wenn sie auf ein kritisches persönliches Umfeld trifft und sich aus ihrem übrigen Inhalt – hier der Ankündigung, sich einen „Judenstern“ zu „basteln“ – ergibt, dass sie nicht auf […]
1. Die Kosten von Drogenscreenings im Rahmen von Bewährungsweisungen sind nach dem Veranlassungsprinzip zwar grundsätzlich vom Verurteilten zu tragen, weil die Screenings durch seine Straftaten erst erforderlich geworden sind. Die Zurechnung dieser Kosten aber findet ihre Grenze im verfassungsrechtlich verankerten Übermaßverbot, einfachrechtlich in der Zumutbarkeitsklausel des § 56c Abs. 1 S. 2 StGB. 2. Bei fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit […]
Eine Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) mit einem E-Scooter begründet die Regelvermutung der Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kfz. Von der Entziehung der Fahrerlaubnis kann nur in Ausnahmefällen abgesehen werden. (Leitsätze des Gerichts) OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.5.2023 – 1 Ss 276/22 I. Sachverhalt E-Scooter mit 1,64 Promille geführt Das AG hat den Angeklagten wegen Trunkenheit […]
1. Dass bei einem standardisierten Messverfahren (hier: PoliScan M1 HP) Messdaten nicht gespeichert werden, führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Die Verwertbarkeit des Messergebnisses hängt nicht von der Rekonstruierbarkeit des Messvorgangs anhand gespeicherter Messdaten ab. 2. Die Aussetzung des Verfahrens, um die Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde in anderer Sache abzuwarten, liegt im Ermessen des Gerichts. In […]
Wird eine Hauptverhandlung ausgesetzt und findet am selben Tag ein neuer Hauptverhandlungstermin statt, entstehen zwei Terminsgebühren. (Leitsatz des Verfassers) LG Freiburg, Beschl. v. 25.5.2023 – 9 Qs 5/23 I. Sachverhalt Hauptverhandlung wird wegen Nichterscheinens des Angeklagten ausgesetzt Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger in einem BtM-Verfahren. In dem ist der Angeklagte zwar zur Hauptverhandlung am 15.3.2022 geladen […]
1. Wird ein Rechtsanwalt einem Mandanten zunächst als Pflichtverteidiger „für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen“ beigeordnet und dann später als Pflichtverteidiger für das Verfahren, handelt es sich nicht um dieselbe Angelegenheit, sodass eine Anrechnung von Gebühren nicht in Betracht kommt. 2. Erfolgt die Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 1 Nr. 10 StPO, handelt […]

Strafrecht 2023 #06

TKÜ beim Nichtbeschuldigten: Anforderungen an die Begründung Unter den Voraussetzungen des § 100a Abs. 3 StPO kann eine Telekommunikationsüberwachung auch gegenüber Nichtbeschuldigten angeordnet werden, etwa wenn anzunehmen ist, dass die Person für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennimmt oder weitergibt. Für die Annahme einer solchen Nachrichtenmittlereigenschaft ist von Verfassungs wegen eine gesicherte Tatsachenbasis unerlässlich. […]
I. Einführung Erfahrene Strafrichter warnen ihre Kollegen regelmäßig davor, Anträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens vorschnell unter Hinweis auf eigene Sachkunde des Gerichts gem. § 244 Abs. 4 S. 1 StPO abzulehnen, denn die Handhabung dieser Vorschrift ist, vor allem wenn es nicht „nur“ um die Beurteilung von Zeugenaussagen geht, nicht einfach. Insbesondere besteht die Gefahr, dass das Gericht […]
Die Nichtgewährung des Konfrontationsrechts gegenüber einer Vertrauensperson mit vollumfänglichem Sperrvermerk ist der Justiz zuzurechnen, führt aber nicht zur Unverwertbarkeit der Angaben der Vernehmungsperson, wenn diese durch andere gewichtige Gesichtspunkte außerhalb der Aussage bestätigt werden. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Urt. v. 15.2.2023 – 2 StR 270/22 I. Sachverhalt Sperrvermerk für Vertrauensperson Das LG hat die Angeklagten […]
Zur Amtsaufklärungspflicht, im zweiten Rechtsdurchgang die Berufsrichter des ersten Rechtsdurchgangs als Zeugen zu dortigen Angaben von Angeklagten und Zeugen zu vernehmen, wenn diese indizielle Umstände für die Täterschaft eines Angeklagten begründen können. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Urt. v. 30.3.2023 – 4 StR 318/22 I. Sachverhalt Zweiter Durchgang Das LG hat im ersten Rechtsgang die Angeklagten […]
1. Mit der Tatbestandsvoraussetzung der bestimmten Behauptung einer konkreten Tatsache in § 244 Abs. 3 S. 1 StPO normiert der Gesetzgeber ein Optimierungsgebot. Es hält den Antragsteller, der die Anhörung eines Sachverständigen begehrt, dazu an, möglichst genau zu beschreiben, welche Umstände in Kombination mit bestimmten Erfahrungssätzen darauf fußende Schlussfolgerungen nahelegen oder ausschließen. 2. Jedenfalls das Konnexitätsgebot aus § 244 […]
Eine sofortige Beschwerde des zum Pflichtverteidiger bestellten Wahlverteidigers ist in Ermangelung einer Beschwer auch dann unzulässig, wenn die Beiordnung ohne Antrag von Amts wegen erfolgt. (Leitsatz des Verfassers) LG Zweibrücken, Beschl. v. 27.4.2023 – 1 Qs 27/23 I. Sachverhalt Beiordnung als Pflichtverteidiger ohne Antrag Der Rechtsanwalt vertritt den Angeklagten in einem betäubungsmittelstrafrechtlichen Verfahren vor dem […]
Lehnt das Tatgericht bei einem Kfz-Rennen mit tödlichem Ausgang das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes bei gleichzeitiger Annahme eines bedingten Gefährdungsvorsatzes (§ 315d Abs. 2 StGB) ab, bedarf es insoweit in sich widerspruchsfreier Feststellungen und Wertungen. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Urt. v. 16.2.2023 – 4 StR 211/22 I. Sachverhalt „Moerser Raser-Fall“ Das LG hatte den Angeklagten im ersten […]
Ob der Grenzwert für eine absolute Fahrunsicherheit von Kraftfahrern (1,1 ‰ BAK) auf die neu aufgenommene Fahrzeugklasse der Elektrokleinstfahrzeuge übertragen werden kann, bleibt offen. (Leitsatz des Verfassers) BGH, Beschl. v. 13.4.2023 – 4 StR 439/22 I. Sachverhalt Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt und eine isolierte Sperre für die Fahrerlaubnis […]
Eine Nötigung durch Festkleben auf einer Straße, um Autofahrer an der Weiterfahrt zu hindern und dadurch auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen, ist nicht durch Art. 20 Abs. 4 GG, § 34 StGB direkt oder analog oder wegen „zivilen Ungehorsams“ gerechtfertigt. (Leitsatz des Verfassers) BayObLG, Beschl. v. 21.4.2023 – 205 StRR 63/23 I. Sachverhalt Straßenblockade […]
Zur Beachtung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen während laufender Hauptverhandlung. (Leitsatz des Gerichts) OLG Brandenburg, Beschl. v. 5.4.2023 – 1 Ws 34/23 (S) I. Sachverhalt Grober Verfahrensablauf Der Angeklagte befindet sich seit nunmehr zehn Monaten und zwei Wochen ununterbrochen in Untersuchungshaft wegen BtM-Delikten. In dem Verfahren wird ihm und mehreren Mitangeklagten bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 30a […]
An der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Privatgutachters fehlt es grundsätzlich, wenn der zu beurteilende Sachverhalt überschaubar ist und das gerichtliche Gutachten die Beweisfragen umfassend beantwortet hat. (Leitsatz des Gerichts) OLG Celle, Beschl. v. 14.11.2022 – 14 W 30/22 I. Sachverhalt Vorschuss für die Einholung eines Privatgutachtens? Der dem Kläger im Rahmen von PKH in einem […]
1. Eine Stunde endet mit Ablauf der Sekunde 59:59, danach beginnt die nächste Stunde. 2. Nach Vorb. 4.1 Abs. 3 VV RVG sind auch Wartezeiten und Unterbrechungen an einem Hauptverhandlungstag als Teilnahme zu berücksichtigen, ausgenommen hiervon sind nur Wartezeiten und Unterbrechungen, die der Rechtsanwalt zu vertreten hat, sowie Unterbrechungen von jeweils mindestens einer Stunde. (Leitsätze des […]
Die Befriedungsgebühr bemisst sich bei einer Beendigung des Verfahrens im vorbereitenden Verfahren nicht nach Nr. 4104 VV RVG, sondern danach, welches Gericht mit dem Verfahren befasst worden wäre, wenn sich das Verfahren nicht erledigt hätte. (Leitsatz des Verfassers) AG Oldenburg (Oldb), Beschl. v. 17.11.2022 – 28 Gs 1204 Js 38031/20 (3373/21) I. Sachverhalt Totschlagsverfahren wird eingestellt […]

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