Sie haben so typische Deutsch-Leistungskurs-Namen wie „Anapher“ oder „Metapher“, doch sprachliche Stilmittel können auch fernab von Gedichtband & Co. glänzen – und zwar in juristischen Schriftsätzen! Im nüchternen Rechtstext entfalten sie ihre volle sprachliche Kraft und hauchen selbst dem trockensten Schriftsatz Leben ein. Etwas eingestreute sprachliche Raffinesse darf es neben all den Fakten und Argumenten schon sein.
Struktur, Dynamik, Verständnis: Warum Stilmittel in anwaltlichen Schriftsätzen so wichtig sind
Juristische Texte sind oft trocken und schwer verständlich. Schachtelsätze, Passivformulierungen und übermäßiger Fachjargon (Juristendeutsch) machen jeden Satz zäh wie Kaugummi. Doch Stilmittel helfen.
Sie bringen Variation rein und lockern auf.
Sie helfen, zu überzeugen.
Sie fördern Struktur und Übersichtlichkeit.
Sie erleichtern das Verständnis.
Sie erzeugen eine klare, einprägsame Darstellung von Argumenten.
Sie verleihen dem Text Dynamik.
(Hier wurde übrigens gerade auch schon ein Stilmittel eingesetzt. Erkennen Sie’s?)
Mit etwas rhetorischer Verve, einem stilistischen Augenzwinkern und der einen oder anderen cleveren Formulierung wird Ihr Schriftsatz nicht nur argumentativ besser verfangen, sondern kann schlichtweg beeindrucken.
Sechs Sahnehäubchen – Diese Stilmittel werden Ihre Texte veredeln
Etwas mehr stilistische Brillanz im Schriftsatz gefällig? Dann verinnerlichen Sie diese sechs Klassiker. Ihre Texte werden danach nicht mehr die gleichen sein!
1. Betonung durch Anaphern
Die Wiederholung der gleichen Wörter am Anfang aufeinanderfolgender Sätze (Anapher) betont zentrale Aussagen. Das verleiht ihnen mehr Gewicht. Sie bleiben besser im Gedächtnis.
Beispiel: Ein Anwalt kämpft für Gerechtigkeit. Ein Anwalt steht für seine Mandanten ein. Ein Anwalt kennt das Gesetz.
2. Rhythmus durch Parallelismus
Die Wiederholung gleicher Satzstrukturen (Parallelismus) setzt wichtige Punkte rhetorisch in Szene. Ein sprachlicher Gleichklang, der wirkt, ohne sich aufzudrängen.
Beispiel: Vertrauen schaffen, Konflikte lösen, Rechte durchsetzen – das ist unser Anspruch.
Der Parallelismus ist nicht zu verwechseln mit der Alliteration, bei der zwei oder mehrere aufeinanderfolgende Wörter mit demselben Anfangslaut beginnen (Beispiel: „Klage, Kosten, Konsequenzen“, oft in Überschriften).
So viele Wiederholungen und irgendwie ähnelt sich alles? Hier nochmal kurz zusammengefasst, was wobei weshalb wiederholt wird:
- Anapher: dasselbe Wort oder Wortgruppe am Anfang aufeinanderfolgender Sätze oder Satzteile. Zweck: Betonung.
- Parallelismus: dieselbe grammatische Struktur in mehreren Satzteilen. Zweck: Rhythmus und Klarheit.
- Alliteration: derselbe Anfangslaut bei aufeinanderfolgenden Wörtern. Zweck: Prägnanz und Sprachmelodie.
3. Präzision durch Akkumulation
Ein Begriff ist gut, doch drei sind noch besser! Durch die differenzierte Aufzählung mehrerer Unterbegriffe zu einem Oberbegriff (Akkumulation) lässt sich ein Sachverhalt präziser, ausdrucksstärker oder vielschichtiger darstellen. Statt nur von „Vertragsverletzung“ zu sprechen, heißt es dann etwa „verspätete Lieferung, mangelhafte Ware, fehlende Kommunikation“. So wird aus einem Vorwurf ein ganzes Bündel an Argumenten – das überzeugt!
Beispiele:
Der Beklagte hat arglistig getäuscht, bewusst verschwiegen und irreführend informiert.
Die Klägerin hat schriftlich, telefonisch und persönlich Kontakt gesucht.
4. Anschaulichkeit durch Metaphern
Metaphern verwandeln abstrakte juristische Themen in verständliche Bilder. So fördern Sie besonders bei rechtsunkundigen Lesern ein besseres Verständnis, das mit reinem Fachjargon schwer zu erreichen ist.
Beispiel: Das Vertragsverhältnis gleicht einem Fundament: ohne Einhaltung der Pflichten bricht es zusammen.
5. Subtiles Überzeugen durch rhetorische Fragen
Rhetorische Fragen helfen, die eigene Argumentation zu untermauern, die der Gegenseite zu entkräften oder den Leser zum Nachdenken anzuregen, ohne eine Antwort zu erwarten. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Schlussfolgerung, ohne sie direkt auszusprechen. Sozusagen ein Erwirken der Zustimmung durch Suggestion – perfekt!
Beispiel:
Ist es nicht offensichtlich, dass der Beklagte seine Pflichten verletzt hat?
Soll ein Arbeitnehmer ernsthaft für Fehler haften, die allein im Organisationsbereich des Arbeitgebers liegen?
6. Provokation durch Ironie
Ironie ist ein pointiertes Stilmittel, um beispielsweise mehr oder weniger subtil Kritik zu üben. Doch Obacht: nicht jeder ist kritikfähig oder nimmt’s mit Humor!
Beispiel: Eine geradezu brillante Strategie, die allerdings in jeder Hinsicht gescheitert ist.
Übrigens: In diesem Beispiel könnte man statt des Kommas auch – ganz verwegen – einen Gedankenstrich einsetzen. Der zweite Satzteil wird damit noch mehr betont.
Das Auge liest mit: Stilmittel machen den Unterschied
Haben Sie ein Stilmittel gefunden, das Ihnen spontan besonders gefällt? Bauen Sie’s doch mal im nächsten Brief oder Schriftsatz ein! Natürlich lassen sich diese Stilmittel auch im Gespräch oder einer Diskussion verwenden. Doch gerade in der oftmals trockenen Einöde formeller Schriftsätze bieten Sie dem Leser eine Oase der geistigen Erfrischung. Ein anwaltlicher Schriftsatz sollte schließlich nicht nur fachlich überzeugen, sondern auch sprachlich und optisch. Mit Stilmitteln verleihen Sie ihm den letzten Schliff – elegant, prägnant und überzeugend. Eine klare Typografie und ein strukturierter Aufbau runden das Ganze ab. Absätze, Nummerierungen und Bulletpoints leiten den Leser durch die Argumentation, erleichtern das Verständnis und helfen, relevante Informationen schnell zu erfassen. So wird aus einem guten Schriftsatz ein glänzender Schriftsatz und der Richter wird sich fragen: „Warum lese ich so schön formulierte Texte nicht öfter?“




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