1. Wenn im Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss eine Beschränkung im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO nicht vorgenommen wurde, obwohl diese geboten gewesen wäre, ist der Urkundsbeamte im Vergütungsfestsetzungsverfahren gleichwohl an diese vom Gericht getroffene Entscheidung gebunden.
2. Eine Beschränkung der Beiordnung im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO hat aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit grundsätzlich ausdrücklich zu geschehen. (Leitsatz des Gerichts)
I. Sachverhalt
Auswärtiger Rechtsanwalt im Rahmen der PKH ohne Beschränkung bestellt
Die Beteiligten streiten um den Vergütungsanspruch der nicht im Gerichtsbezirk ansässigen Erinnerungsführerin. In dem Verfahren hatte das VG dem in Bremen wohnenden Kläger mit Beschl. v. 21.12.2020 Prozesskostenhilfe bewilligt und eine auswärtig niedergelassene Rechtsanwältin beigeordnet. Eine Beschränkung der Beiordnung im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO enthält der Beschluss des VG weder im Tenor noch in den Gründen.
Streit um Reisekosten
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des VG hat für die Rechtsanwältin die Reisekosten zum Gerichtstermin und das Abwesenheitsgeld nicht festgesetzt. Diese seien nicht erstattungsfähig, da es sich hierbei anteilig um Kosten handele, die entstanden seien, weil die Rechtsanwältin nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts ansässig sei. Auf die Erinnerung der Rechtsanwältin hat das VG diese Kosten festgesetzt. Hiergegen richtet sich der Vertreter der Staatskasse mit der vorliegenden Beschwerde, der die Rechtsanwältin entgegengetreten ist. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg
II. Entscheidung
OVG folgt VG
Nach Ansicht des OVG ist das VG zu Recht davon ausgegangen, dass eine Beschränkung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung auf die Kosten einer im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwältin im konkreten Fall nicht in Betracht kommt.
Auswärtige Rechtsanwalt grundsätzlich mit Be- schränkung
Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO dürfe das Gericht einen Rechtsanwalt, der nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist, grundsätzlich nur dann beiordnen, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen. Dadurch solle sichergestellt werden, dass ein Prozesskostenhilfeberechtigter nicht bessergestellt werde als ein kostenbewusster und vernünftiger Prozessbeteiligter, der seine Prozesskosten selbst zu tragen habe (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 30.4.2015 – 11 S 124/15, AGS 2015, 298). Daher sei bei einem auswärtigen Rechtsanwalt zur Vermeidung entbehrlicher Reisekosten eine Beschränkung der Beiordnung auf die für einen im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt geltenden Bedingungen grundsätzlich geboten (OVG Bremen, Beschl. v. 25.5.2020 – 2 B 66/20, BayVGH, Beschl. v. 19.6.2017 – 10 C 17.1076).
Vergessene Beschränkung kann nicht nachgeholt werden
Wenn im Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss, wie vorliegend, eine Beschränkung im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO nicht vorgenommen worden sei, obwohl dies geboten gewesen wäre, sei der Urkundsbeamte im Vergütungsfestsetzungsverfahren gleichwohl an diese vom Gericht getroffene Entscheidung gebunden (Gerold/Schmidt/ Müller-Rabe, RVG, 26. Aufl. 2023, § 46 Rn 7). Der Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss sei im Vergütungsfestsetzungsverfahren einer materiell-rechtlichen Überprüfung entzogen. Selbst eine fehlerhafte Beiordnung sei deshalb im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu beachten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.1.2014 – II-10 WF 1/14; OLG Dresden, Beschl. v. 1.10.2008 – 8 W 958/08; OLG Celle, Beschl. v. 20.3.2007 – 23 W 31/07; VG München, Beschl. v. 21.5.2024 – M 3 M 20.50423; VG Würzburg, Beschl. v. 18.3.2021 – W 8 M 20.31222; Schultzky, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 121 Rn 27; Reichling, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 54. Ed. Stand: 1.3.2024, § 121 Rn 34; a.A. LAG München, Beschl. v. 10.2.2022 – 6 Ta 244/21 sowie v. 12.6.2007 – 10 Ta 229/05 m.w.N.; OLG Celle, Beschl. v. 14.4.2000 – 18 WF 90/00).
Keine Auslegung/Umdeutung des Beiordnungsbeschlusse
Es komme auch keine Auslegung oder Umdeutung des Beschlusses dergestalt in Betracht, dass die Rechtsanwältin vorliegend trotz der uneingeschränkten Tenorierung nur eingeschränkt beigeordnet worden wäre. Denn eine Beschränkung der Beiordnung habe aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit grundsätzlich ausdrücklich zu geschehen (OLG Dresden, Beschl. v. 1.10.2008 – 8 W 958/08). Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass das in § 121 Abs. 3 ZPO normierte Mehrkostenverbot den ihre Beiordnung beantragenden Rechtsanwälten bekannt ist bzw. bekannt sein müsse. Nur ausnahmsweise könne einem Beiordnungsbeschluss daher eine Beschränkung auch ohne ausdrückliche Tenorierung entnommen werden, etwa wenn sich die Beschränkung zwar nicht aus dem Tenor, wohl aber aus den Entscheidungsgründen ergibt oder wenn der Prozesskostenhilfe- und Beiordnungsantrag bereits beschränkt gestellt wurde (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 1.10.2008, a.a.O.). Hier bestünden jedoch keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Ausnahmekonstellation.
III. Bedeutung für die Praxis
Ständige Rechtsprechung der h.M.
1. Wie man an der vom OVG zitierten Rechtsprechung sieht, handelt es sich bei der Entscheidung um nichts Neues, sondern „lediglich“ um die Bestätigung der h.M. der Rechtsprechung. Davon abzuweichen, besteht kein Anlass. Dem steht m.E. schon der Vertrauensgrundsatz entgegen, denn der beigeordnete auswärtige Rechtsanwalt muss sich darauf verlassen können, dass von ihm infolge der Beiordnung gemachte Aufwendungen für Reisen zum Prozessort später auch ersetzt werden.
Strafverfahren
2. Im Strafverfahren gelten im Rahmen der Pflichtverteidigung dieselben Grundsätze. Auch hier ist die Staatskasse bei der Vergütungsfestsetzung an den Inhalt des Beiordnungsbeschlusses gebunden (§ 48 RVG). Wird also ein auswärtiger Pflichtverteidiger bestellt, sind auch die ggf. entstehenden Reisekosten zu erstatten (vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A Rn 261 ff. m.w.N., zugleich auch zur Zulässigkeit der Beschränkung „zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts“).