Verkehrsgerichtstag: VGT 2025
Der Verkehrsgerichtstag 2025 findet vom 29. bis 31.1.2025 in Goslar statt. Die Themen der acht Arbeitskreise lauten:
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AK I – Cannabis-Missbrauch im Straßenverkehr
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AK II – MPU-Vorbereitung unter der Lupe
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AK III – Hinterbliebenengeld und Schockschaden
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AK IV – Die „sieben Todsünden“ des § 315c StGB auf dem Prüfstand
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AK V – Kfz-Schadensgutachten: Gut ist nicht genug!
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AK VI – Fußgänger im Straßenverkehr – Opfer oder Täter?
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AK VII – Fahrtüchtigkeitstest der Polizei
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AK VIII – Aktuelle Probleme bei Fahrgastrechten im Schienenersatzverkehr
Vandalismusschaden: Vandalismus in der Kaskoversicherung
Der Versicherungsnehmer hat die mutwillige bzw. böswillige des versicherten Kfz als Anspruchsvoraussetzung zu beweisen. Erfolgt die Beschädigung aufgrund einer Einwirkung mit einen oder mehreren Gegenständen auf das versicherte Fahrzeug kann auch ein Unfall im Sinne der AKB als von außen auf das Fahrzeug mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis gegeben sein, bei dem der Versicherer nach § 81 VVG beweisen muss, dass dies der Versicherungsnehmer selber herbeigeführt hat. Dieser Nachweis ist allerdings geführt, wenn die Beschädigungen im Heckbereich nur bei einer geöffneten Fahrzeugklappe entstanden sein sollen, nach dem Vorbringen des VN unbekannte Täter bei einem verschlossenen Fahrzeug von außen die Beschädigungen hervorgerufen haben sollen.
OLG Celle, Urt. v. 8.8.2024 – 11 U 64/23
Vandalismusschaden: Anforderung an den Nachweis
In der Kfz-Kaskoversicherung kommt der Versicherungsnehmer für den durch die Vollkaskoversicherung gedeckten Fall der Beschädigung durch Unfall oder mut- oder böswillige Handlung unberechtigter Personen nicht die Beweiserleichterung zu, die (allein) für den Diebstahlfall entwickelt worden ist, sondern er muss den Vollbeweis für das Vorliegen derartiger Beschädigungen erbringen. Dieser vom Versicherungsnehmer zu führende Nachweis einer bedingungsgemäßen Beschädigung kann bereits am Schadensbild scheitern, wenn aus der Art der Schäden zu schließen ist, dass die Beschädigung nicht durch eine mut- oder böswillige Handlung verursacht worden ist. Dies ist der Fall, wenn die fachgerechte Beseitigung vieler, aber sehr oberflächlicher Kratzer an zahlreichen Karosserieteilen einen hohen Kostenaufwand erfordert, jedoch eine optische Instandsetzung mit vergleichsweise geringem Aufwand möglich ist und die Beschädigung akribisch mit entsprechender Sorgfalt als Grundlage für eine gewinnbringende fiktive Abrechnung angefertigt worden sind.
OLG Köln, Beschl. v. 1.8.2024 – 9 O 85/24
Kreuzungsunfall: Sichtbehinderung
Kann der bei Grün in eine Kreuzung Einfahrende wegen der Sichtbehinderung durch einen abbiegenden Lkw nicht sicher abschätzen, ob sich im Kreuzungsbereich bevorrechtigte Nachzügler befinden, muss er besondere Vorsicht walten lassen.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.9.2024 – 3 U 28/24
Wiedereinsetzung: Elektronischer Fristenkalender
Auch bei einer elektronischen Kalenderführung bedarf es einer Kontrolle des Fristenkalenders, um Datenverarbeitungsfehler des eingesetzten Programms sowie Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig erkennen und beseitigen zu können.
BGH, Beschl. v. 26.9.2024 – III ZB 82/23
Besorgnis der Befangenheit: Unsachliche Kritik
Besorgnis der Befangenheit liegt vor, wenn der abgelehnte Richter in einer dienstlichen Stellungnahme auf ein nicht ganz abwegiges Ablehnungsgesuch hin mit unsachlicher Kritik reagiert.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.10.2024 – 13 W 20/24
Pauschalreisevertrag: Umbuchung der Beförderungsklasse für Langstreckenflüge
Konfrontiert der Reiseveranstalter den Reisenden nach Vertragsschluss mit einer erheblichen Änderung wesentlicher Eigenschaften der Reiseleistungen oder kann er besondere vertragsgegenständliche Vorgaben des Reisenden doch nicht einhalten, darf der Reisende vom Pauschalreisevertrag zurücktreten und allein deshalb – ohne dass im Rahmen des § 651n Abs. 2 BGB nochmals die Erheblichkeit der (in dieser Fallgestaltung mangels Antritts der Reise ohnehin nur hypothetischen) Beeinträchtigung der Reise zu prüfen wäre – eine Entschädigung nach § 651n Abs. 2 BGB beanspruchen. Eine solche besondere Vorgabe kann darin bestehen, dass der Reisende dem Reisebüro vor der Buchung einer Fernreise mitgeteilt hat, die Langstreckenflüge mindestens in der „Premium-Economy-Class“ absolvieren zu wollen. Der Reiseveranstalter darf dann den Reisenden nach einem dieser Vorgabe entsprechenden Abschluss des Pauschalreisevertrags zur Meidung eines Rücktritts nicht einfach einseitig auf einen Flug in der „Economy-Class“ umbuchen. Auch die einseitige Umbuchung des Reisenden von dem vertraglich geschuldeten Langstreckenflug als Direktflug mit einer Dauer von rund 11 ½ Stunden auf einen Flug mit Umsteigeerfordernis und einer Dauer von mehr als 17 Stunden kann eine erhebliche Änderung wesentlicher Eigenschaften der Reiseleistung darstellen und den Reisenden unter den Voraussetzungen des § 651g Abs. 1, 3 BGB zum Rücktritt sowie zur Geltendmachung einer Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit berechtigen.
OLG Celle, Beschl. v. 4.9.2024 – 11 U 43/24
Mobiltelefon: Ausschalten des Motors
Nur das händische Ausschalten des Motors suspendiert das Verbot des § 23 Abs. 1a StVO.
KG, Beschl. v. 9.10.2024 – 3 ORbs 139/24 – 122 Ss Rs 32/24
Fahrverbot wegen Beharrlichkeit außerhalb des Regelfalles: Voraussetzungen
Sind die Voraussetzungen für ein Regelfahrverbot nach der BKatV nicht gegeben, bedarf es näherer Feststellungen, ob die Anordnung eines Fahrverbotes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Nur wenn die Beharrlichkeit der Pflichtverletzung von ähnlich starkem Gewicht wie in der ausdrücklich normierten Konstellation des § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV ist, kommt die Anordnung eines Fahrverbotes wegen der Vorahndungslage in Betracht. Denn nur dann wird es geboten sein, mit der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme auf den Betroffenen gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 BKatV einzuwirken. Daher bedarf es in den Urteilsgründen nähere Darlegung zum Zeitmoment (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV), zur Anzahl, zur Tatschwere und zu den Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße und deren Vergleichbarkeit mit der verfahrensgegenständlichen Zuwiderhandlung.
KG, Beschl. v. 26.6.2024 – 3 ORbs 93/24
Fahrverbot: Dysfunktionales Absehen vom Fahrverbot
Möchte der Tatrichter vom Regelfahrverbot absehen, so muss sich aus den Urteilsgründen ergeben, dass er sich der gesetzlichen Indizwirkung der BKatV bewusst war. Zur Bewertung einer Einlassung, der Betroffene habe sein Fahrzeug aus technischen Gründen beschleunigen müssen, um dessen Liegenbleiben zu verhindern. Aufgrund der Regelung des § 3 Abs. 1 BKatV ist es grundsätzlich fehlerhaft, die Herabsetzung der Regelgeldbuße damit zu begründen, der Betroffene habe keine Voreintragung im Fahrerlaubnisregister. Dass der Betroffene seit 26 Jahren Inhaber einer Fahrerlaubnis ist, gibt nicht ohne Weiteres Anlass, die Regelgeldbuße herabzusetzen. Die tatrichterliche Bewertung, durch eine Geschwindigkeitsüberschreitung (hier: innerorts um 42 km/h) werde die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigt, ist nicht nachvollziehbar. Möchte der Tatrichter vom Regelfahrverbot absehen, weil dieses den Betroffenen aus familiären und beruflichen Gründen besonders hart treffe, so ist diese Bewertung mit Tatsachen zu belegen. Gehen diese auf die Einlassung des Betroffenen zurück, bedarf es einer kritischen Würdigung und gegebenenfalls Überprüfung. Andeutungen, die Prozessökonomie hätte Anlass gegeben, die Regelgeldbuße herabzusetzen (hier von 800 auf 55 EUR) und vom Fahrverbot abzusehen, stellen keine tragfähige Grundlage für eine entsprechende Rechtsfolgenentscheidung dar.
KG, Beschl. v. 11.9.2024 – 3 ORbs 165/24 – 122 SsBs 25/24
Rechtsmittelbegründung: Verantwortlichkeit des Verteidigers
Gibt der Verteidiger durch einen distanzierenden Zusatz zu erkennen, dass er nicht die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen will oder kann, ist die Rechtsbeschwerdebegründung nach § 345 StPO formunwirksam.
KG, Beschl. v. 7.6.2024 – 3 ORbs 99/24
Beschränkung des Einspruchs: Wirksamkeit der Beschränkung auf die Rechtsfolgen
Die horizontale Beschränkung eines Einspruchs auf die Rechtsfolgen ist zulässig, soweit der Bußgeldbescheid die in § 66 OWiG niedergelegten Voraussetzungen erfüllt, die Erklärung des Betroffenen zweifelsfrei und unbedingt erfolgt im Fall der Vertretung eine wirksame Ermächtigung zur Abgabe der Einspruchsbeschränkung vorlag und die Erklärung dem erkennenden Richter vor Erlass einer erstinstanzlichen Entscheidung vorliegt. Ein etwaig erteilter richterlicher Hinweis betreffend die Schuldform (hier: mögliche Verurteilung wegen einer Vorsatz-Tat) steht dem nicht entgegen, selbst wenn der Bußgeldbescheid keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Schuldform enthält, die vorgesehene Rechtsfolge sich aber innerhalb des Regelrahmens der Bußgeldkatalogverordnung bewegte und die vorgeworfene Schuldform (hier: Fahrlässigkeit) hieraus abgeleitet werden kann.
OLG Jena, Beschl. v. 2.9.2024 – 1 ORbs 371 SsBs 96/24
Strafbefehl: Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Einspruchsfrist
Die Versäumung der Einspruchsfrist gegen einen Strafbefehl ist entsprechend § 44 Satz 2 StPO als unverschuldet anzusehen, wenn § 408b StPO verletzt wurde.
LG Kempten (Allgäu), Beschl. v. 13.6.2024 – 2 Qs 80/24
Einspruchsverwerfung: Nur „körperlich erschienener“ Angeklagter
Wenn der Angeklagte im Strafbefehlsverfahren aufgrund seines Weltbildes meint, er könne sich nicht hinreichend mit der angeklagten Person identifizieren, um als diese an der Hauptverhandlung teilzunehmen, und er die Hauptverhandlung stattdessen als Bühne für politische Ausführungen missbrauchen will, verhält er sich rechtsmissbräuchlich. Hält er daran trotz richterlichen Hinweises fest, kann sein Einspruch gegen den Strafbefehl trotz seines körperlichen Erscheinens gemäß §§ 412 S. 1, 329 Abs. 1 S. 1 StPO verworfen werden.
AG Mönchengladbach-Rheydt, Urt. v. 17.9.2024 – 21 Cs-130 Js 322/24-358/24
Entziehung der Fahrerlaubnis: Alkoholmissbrauch
Es entspricht gesicherten Erkenntnissen der Alkoholforschung, dass Betroffene mit Blutalkoholkonzentrationen ab 1,6 Promille über deutlich abweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Trinkfestigkeit verfügten.
BayVGH, Beschl. v. 15.7.2024 – 11 ZB 24.505
Streitwert: Hauptsacheverfahren wegen Rücknahme einer Fahrlehrererlaubnis
Der Streitwert in einem Hauptsacheverfahren, in dem um die Erteilung, die Rücknahme oder den Widerruf einer Fahrlehrerlaubnis gestritten wird, richtet sich nach dem Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten (Netto-)Gewinns und beträgt mindestens 15.000,– EUR (im Anschluss an Nds. OVG, Beschl. v. 12.3.2020 – 12 OA 31/20; a.A. BayVGH, Beschl. v. 16.3.2012 – 11 C 12.360).
VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 24.9.2024 – 9 S 960/24
Bußgeldverfahren: Rahmengebühren; zusätzliche Verfahrensgebühr; Privatgutachten
Bei durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeiten können im Regelfall nur unter den Mittelgebühren liegende Verteidigergebühren als angemessen angesehen werden. Für das Entstehen der Gebühr Nr. 5115 VV RVG ist es nicht ausreichend, wenn das Verfahren ausschließlich von Amts wegen eingestellt wird. Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens sind– ausnahmsweise – als notwendige Kosten anzuerkennen, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind oder wenn aus Sicht des Betroffenen ex-ante ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre. Es müssen aber von Seiten des Betroffenen entweder zum Zeitpunkt der Gutachtenbeauftragung oder später Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der Messung vorgetragen werden, die ihn ex ante dazu veranlasst haben könnten, ein solches Gutachten einzuholen. Das gilt auch bei einem standardisierten Messverfahren.
LG Münster, Beschl. v. 14.6.2024 – 12 Qs 16/24