Wir haben zuletzt in VRR 4/2023, 5 ff. über die vergütungsrechtliche Rechtsprechung in Verkehrszivilsachen zum Paragrafenteil des RVG und zu den Teilen 1 bis 3 und 7 VV RVG aus den Jahren 2021 bis 2023 berichtet. An diese Übersicht schließt die nachfolgende Übersicht für die Jahre 2023 und 2024 an, die auch die Rechtsprechung der Fachgerichtsbarkeiten berücksichtigt, sofern sie für die Zivilgerichtsbarkeit von Bedeutung ist. Der Beitrag hat den Stand von Ende September 2024.
§ 3a RVG
BGH, Urt. v. 12.9.2024 – IX ZR 65/23
1. Eine formularmäßig getroffene anwaltliche Zeithonorarabrede ist auch im Rechtsverkehr mit Verbrauchern nicht allein deshalb unwirksam, weil der Rechtsanwalt weder dem Mandanten vor Vertragsschluss zur Abschätzung der Größenordnung der Gesamtvergütung geeignete Informationen erteilt noch sich dazu verpflichtet hat, ihm während des laufenden Mandats in angemessenen Zeitabständen Zwischenrechnungen zu erteilen oder Aufstellungen zu übermitteln, welche die bis dahin aufgewandte Bearbeitungszeit ausweisen.
2. Ist eine formularmäßig getroffene anwaltliche Vergütungsvereinbarung aus AGB-rechtlichen Gründen insgesamt unwirksam, richten sich die Honoraransprüche des Rechtsanwalts nach den Vorschriften des RVG.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.11.2023 – I-24 U 116/22, VRR 6/2024, 27 = AGS 2024, 107
Eine besonders ins Auge fallende Verortung der Bezeichnung als „Vergütungsvereinbarung“ (§ 3a Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 RVG) entbindet nicht von der kumulativen Pflicht des „deutlichen Absetzens“ der Vergütungsvereinbarung i.S.v. § 3a Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 RVG.
OLG Bamberg, Urt. v. 15.6.2023 – 12 U 89/22, NJW 2023, 3516
1. Das Textformerfordernis des § 3a Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 126b BGB für eine anwaltliche Vergütungsvereinbarung ist gewahrt, wenn die schriftliche Vereinbarung ausreichend bestimmt ist, sich daraus ergibt, für welche Tätigkeiten der Auftraggeber eine höhere als die gesetzliche Vergütung zahlen soll und dies Niederschlag in der schriftlichen Vergütungsvereinbarung gefunden hat.
2. Eine schriftliche Vergütungsvereinbarung über ein Honorar von 290 EUR zuzüglich Umsatzsteuer pro Stunde mit dem Inhalt, dass diese Vergütung für „sämtliche mandatsbezogenen außergerichtlichen und gerichtlichen Tätigkeiten“ (hier: in einer Betreuungssache) gilt, soweit „nichts anderes in dem Vertrag vereinbart wird“ und der anschließenden beispielhaften Auflistung der Tätigkeiten, die danach mit dem Zeithonorar abgerechnet werden, ist insoweit ausreichend bestimmt.
3. Eine solche Vergütungsvereinbarung verstößt auch nicht gegen § 307 BGB. Für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegt, ist aus europarechtlicher Sicht entscheidend, ob dem Verbraucher bei Berücksichtigung aller den Vertragsschluss begleitenden Umstände bei Vertragsschluss sämtliche Tatsachen mitgeteilt wurden, die sich auf den Umfang seiner Verpflichtungen auswirken können und ihm erlauben, die finanziellen Folgen seiner Verpflichtung einzuschätzen (vgl. EuGH (4. Kammer), Urt. v. 12.1.2023 – C-395/21, NJW 2023, 903).
OLG Brandenburg, Urt. v. 25.4.2023 – 6 U 78/22
1. Ein Rechtsanwalt darf über die ihm nach § 49 RVG zustehenden Gebühren hinaus keine zusätzliche Rechtsanwaltsvergütung auf Grundlage einer Vergütungsvereinbarung von einem Mandanten verlangen und entgegennehmen, wenn er diesem aufgrund gerichtlicher Entscheidung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 121 ZPO beigeordnet worden ist.
2. Die Abrechnung von Gebühren, auf die ein Rechtsanwalt gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO keinen Anspruch hat, erfüllt den Tatbestand des § 352 Abs. 1 StGB und ist damit unlauter i.S.d. §§ 3, 3a UWG. Die Vorschrift des § 352 Abs. 1 StGB hat eine preisregulierende Wirkung zum Schutz der Verbraucher und stellt damit eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG dar.
§ 11 RVG
OLG Jena, Beschl. v. 15.4.2024 – 1 W 118/24, VRR 5/2024, 4 = AGS 2024, 260
1. Der Einwand, bei dem Mandatsverhältnis handele es sich um Gefälligkeitsverhältnis, ist eine nichtgebührenrechtliche Einwendung, die im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu entscheiden ist.
2. Vielmehr ist die Frage, ob ein solches tatsächlich vorliegt und ob es bzw. in welchem Umfang ein solches einem Vergütungsanspruch entgegensteht, im Klageverfahren auf Zahlung der Anwaltsvergütung zu prüfen.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.2.2024 – 20 WF 25/24, JurBüro 2024, 293
1. Der Einwand fehlender Fälligkeit hindert die Festsetzung der anwaltlichen Vergütung gegenüber dem Auftraggeber im Verfahren nach § 11 Abs. 1 RVG grundsätzlich nicht.
2. Bei dem Einwand der Verjährung handelt es sich um eine nicht gebührenrechtliche Einwendung. Diese steht der Vergütungsfestsetzung gemäß § 11 Abs. 5 RVG jedoch dann nicht entgegen, wenn sie im Einzelfall nach Aktenlage offensichtlich unbegründet ist.
OLG Bremen, Beschl. v. 20.4.2023 – 3 W 6/23, Rpfleger 2024, 58
Grundsätzlich dient das Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG auch dazu, dem in einem gerichtlichen Verfahren tätig gewordenen Rechtsanwalt eine Möglichkeit zu verschaffen, wegen seiner gesetzlichen Vergütung einfach und schnell zu einem Vollstreckungstitel gegen seinen Auftraggeber zu gelangen. Eines solchen Vollstreckungstitels bedarf es jedoch nicht, wenn bereits eine vollständige, vorbehaltlose Zahlung an den Rechtsanwalt auf eine den Anforderungen des § 10 Abs. 3 RVG entsprechende Rechnung erfolgt ist.
§ 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG
OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. vom 30.7.2024 – 2 O 64/24
1. Für die Eröffnung des Ermessens zur Bestimmung eines höheren Gebührensatzes als 1,3 nach Nr. 2300 S 2 VV RVG genügt bereits eine geringfügige Überschreitung des Durchschnitts von Umfang oder Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit.
2. Die für die Bestimmung der Gebühr oder des Gebührensatzes innerhalb eines vorgegebenen Rahmens nach § 14 Abs. 1 RVG stehen die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG selbstständig und gleichwertig nebeneinander.
3. Bei der Gewichtung der Kriterien des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen des § 14 Abs. 1 S 1 RVG ist – anders als bei Nr. 2300 VV RVG – von Bedeutung, in welchem Maß der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit über dem Durchschnitt liegen.
OLG Koblenz, Urt. v. 31.8.2021 – 1 U 1870/22, MDR 2024, 127
1. Das Gericht ist bei der Bemessung der einem Rechtsanwalt zustehenden Gebühren nicht an das Ergebnis des eingeholten Gutachtens der Rechtsanwaltskammer gebunden.
2. Ein Toleranzzuschlag (im Allgemeinen von 20 %) steht dem Rechtsanwalt lediglich bei der Erstellung seiner Gebührenrechnung zu. Bei einem Rechtsstreit über die Anwaltsvergütung hat das zur Entscheidung über die Angemessenheit des Gebührenansatzes entscheidende Gericht keine Möglichkeit, einen Toleranzzuschlag auf die ermittelte Gebührenhöhe hinzuzurechnen.
OLG Schleswig, Beschl. v. 26.7.2023 – 7 U 42/23
Bei der Bestimmung der angemessenen Gebühr gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG handelt es sich um eine Leistungsbestimmung im Sinne von § 315 BGB. Diese ist als einseitige Willenserklärung grundsätzlich unwiderruflich und für den bestimmungsberechtigten Rechtsanwalt bindend.
§ 15 Abs. 4 RVG
OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.3.2023 – 6 W 13/20
1. Eine nachträgliche Verfahrensverbindung zeitigt gebührenrechtlich keine Rückwirkung.
2. Wenn vor der Verfahrensverbindung für beide Rechtsstreitigkeiten bereits eine Terminsgebühr angefallen ist, scheidet eine Anrechnung von vornherein aus. Dies gilt insbesondere dann, wenn nach Verfahrensverbindung kein Verhandlungstermin (mehr) mit einem insoweit erstmaligen Anfall einer Terminsgebühr nach dem gemeinsamen höheren Streitwert stattgefunden hat, auf die eine Anrechnung der früher entstandenen Gebühren überhaupt hätte erfolgen können.
§ 15a RVG
Sächsisches OVG, Beschl. v. 6.3.2024 – 5 E 4/23
Bei einem Vergütungsanspruch, der auf der Grundlage einer Vergütungsvereinbarung gem. § 3a RVG berechnet wird, handelt es nicht um die Abrechnung von „Gebühren“, weil dieser seine Rechtsgrundlage in der Vergütungsvereinbarung und nicht in den Vorschriften des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz findet (vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2014 – III ZB 13/14), sodass § 15a RVG keine Anwendung findet.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.4.2023 – 6 W 30/23
Auf die Pflicht zur Anrechnung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühr auf die Verfahrensgebühr kann sich ein Dritter, also ein am Mandatsverhältnis nicht Beteiligter, gemäß § 15a Abs. 3 RVG nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn gelten gemacht werden
§ 32 Abs. 2 RVG
OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.5.2024 – 14 OA 60/24
Bei einer – wie hier durch den Prozessbevollmächtigten im eigenen Namen geltend gemachten – zu niedrigen Streitwertfestsetzung kann der Prozessbevollmächtigte des Verfahrensbeteiligten beschwert sein. Diesem steht daher gemäß § 32 Abs. 2 RVG eine Beschwerdebefugnis aus eigenem Recht zu.
OLG Koblenz, Beschl. v. 12.3.2024 – 3 W 72/24, MDR 2024, 864
Die vom Prozessbevollmächtigten einer Partei im eigenen Namen gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG, 32 Abs. 2 Satz 1 RVG erhobene Beschwerde gegen die zum Zwecke der Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit erfolgte Festsetzung des Streitwerts ist nicht statthaft, da die Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwerts nicht eigenständig anfechtbar ist. Die Beschwerdemöglichkeit nach §§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG, 32 Abs. 2 Satz 1 RVG ist allein gegen die Wertfestsetzung für die Gebühren eröffnet. Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass die Entscheidung über den Zuständigkeitsstreitwert auch für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebend ist, §§ 62 Satz 1 GKG, 32 Abs. 1 RVG.
OLG Dresden, Beschl. v. 15.2.2024 – 4 W 80/24, JurBüro 2024, 248
1. Eine mit dem Ziel der Streitwertheraufsetzung durch einen Rechtsanwalt eingelegte Streitwertbeschwerde gilt regelmäßig als in dessen Namen eingelegt.
2. Ist eine über das beA eingegangene Streitwertbeschwerde weder mit der qualifizierten elektronischen Signatur noch mit einer einfachen Signatur versehen, weil die Unterschriftenzeile nicht mitübermittelt wurde, liegt eine wirksame elektronische Einreichung nicht vor.
OVG Bremen, Beschl. v. 14.2.2024 – 1 S 17/24
1. Für eine Streitwertbeschwerde, die im Namen eines Beteiligten mit dem Ziel der Heraufsetzung eines vermeintlich zu niedrig festgesetzten Streitwerts erhoben wird, besteht in der Regel kein Rechtsschutzinteresse.
2. Bei einer ausdrücklich namens und in Vollmacht des Klägers eingelegten Streitwertbeschwerde scheidet eine Umdeutung in eine im eigenen Namen erhobene Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten nach § 32 Abs. 2 RVG aus.
Bayerischer VGH, Beschl. v. 28.7.2023 – 10 C 23.1057
Ein Bevollmächtigter eines Beteiligten, der aus eigenem Recht gemäß § 32 Abs. 2 RVG Streitwertbeschwerde einlegen kann, ist durch einen Streitwertfestbeschluss nur dann beschwert, wenn der festgesetzte Streitwert von der begehrten Festsetzung zu Unrecht nach unten hin abweicht, also wenn der Bevollmächtigte ihn als zu niedrig angreift und eine Heraufsetzung begehrt.
§§ 32, 33 RVG
OLG Bremen, Beschl. v. 4.3.2024 – 1 U 12/22, JurBüro 2024, 239
1. Der Grundsatz des § 32 RVG, wonach die gerichtliche Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Werts auch für die Gebühren des Rechtsanwalts bestimmend ist, gilt nur, wenn sich der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit mit derjenigen des Rechtsanwalts deckt.
2. Eine zeitlich gestaffelte Festsetzung des Gegenstandswerts für die Gerichtsgebühren wegen einer teilweisen Reduzierung des Streitwertes findet nicht statt.
3. Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG richtet sich nach dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung. Bei einer schriftsätzlichen Teilerledigungserklärung oder Teilrücknahme der Klage bzw. des Rechtsmittels vor dem Termin ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung auf die verbleibenden Anträge beschränkt und der Gegenstandswert für die Bestimmung der Anwaltsgebühren ist nach § 33 Abs. 1 RVG auf Antrag selbstständig festzusetzen.
4. Eine schriftsätzliche Teilerledigungserklärung oder Teilrücknahme der Klage bzw. des Rechtsmittels in Fällen des Diesel-Abgasskandals wegen einer Beschränkung des klagweise geltend gemachten Anspruchs auf den Differenzschaden anstelle einer Rückgängigmachung des Kaufvertrags führt zur Reduzierung des Gegenstandswerts für nachfolgend entstehende Terminsgebühren.
OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2024 – I-10 W 12/23
1. Der zur Bemessung der wertabhängigen Gerichtsgebühr maßgebende Gebührenstreitwert ist in einem Klageverfahren einheitlich nach dem Wert eines jeden Streitgegenstandes zum Zeitpunkt der Anhängigmachung zu bestimmen. Wird der Antrag im weiteren Verlauf des Verfahrens ermäßigt, d.h. die Klage teilweise zurückgenommen oder übereinstimmend für erledigt erklärt, so hat dies auf den Wert für die Gerichtsgebühren keinen Einfluss; es bleibt bei dem Wert zu Beginn des Rechtszugs. Eine nach bestimmten Verfahrensabschnitten gestaffelte Festsetzung des (Gebühren-)Streitwerts von Amts wegen ist danach für die Festsetzung der Gerichtsgebühren nicht erforderlich und vom Gerichtskostengesetz auch nicht vorgesehen.
2. Die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit wirkt nicht allgemeinverbindlich, sondern nur inter partes, also zwischen einem bestimmten Anwalt und seinem Auftraggeber.
OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2024 – I-10 U 9/22
1. Der zur Bemessung der wertabhängigen Gerichtsgebühr maßgebende Gebührenstreitwert ist in einem Klageverfahren einheitlich nach dem Wert eines jeden Streitgegenstandes zum Zeitpunkt der Anhängigmachung zu bestimmen.
2. Wird der Antrag im weiteren Verlauf des Verfahrens ermäßigt, d.h. die Klage teilweise zurückgenommen oder übereinstimmend für erledigt erklärt, so hat dies auf den Wert für die Gerichtsgebühren keinen Einfluss; es bleibt bei dem Wert zu Beginn des Rechtszugs.
3. Eine nach bestimmten Verfahrensabschnitten gestaffelte Festsetzung des (Gebühren-)Streitwerts von Amts wegen ist danach für die Festsetzung der Gerichtsgebühren nicht erforderlich und vom Gerichtskostengesetz auch nicht vorgesehen.
4. Die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit wirkt nicht allgemeinverbindlich, sondern nur inter partes, also zwischen einem bestimmten Anwalt und seinem Auftraggeber.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.2.2024 – 9 W 1/24, VRR 3/2024, 5
Sofern teilweise Klagerücknahmen oder Erledigungserklärungen dazu führen, dass der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Gebührenstreitwert nicht für sämtliche zur Bemessung der RVG-Gebühren maßgeblichen Gegenstandswerte gilt, kann der Gebührenstreitwert bei einem Antrag gemäß § 33 RVG nach Zeitabschnitten festgesetzt werden, nachdem eine strenge Trennung zwischen Gebührenstreitwert und Gegenstandswert bei der Streitwertfestsetzung in der Rechtspraxis weitgehend unüblich ist.
LG Itzehoe, Beschl. v. 25.1.2024 – 7 O 77/22
Nach § 33 RVG setzt das Gericht den Wert der anwaltlichen Tätigkeit in einem Gerichtsverfahren auf Antrag fest, wo er von dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert abweicht. Das schließt eine Festsetzung von Amts wegen, insbesondere gemeinsam mit dem Streitwert nach § 63 GGG, nicht aus (sog. gestaffelte Streitwertfestsetzung).
OLG Brandenburg, Beschl. v. 9.11.2023 – 12 W 26/23
1. Zwar werden bei der Streitwertbemessung grundsätzlich die Werte mehrerer Streitgegenstände gemäß § 39 Abs. 1 GKG zusammengerechnet. Eine Zusammenrechnung findet aber nicht statt, wenn zwischen den Ansprüchen wirtschaftliche Identität besteht.
2. Nach § 33 Abs. 1 RVG kann auf Antrag der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit durch Beschluss selbstständig festgesetzt werden, wenn sich die Rechtsanwaltsgebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert errechnen, etwa weil gegen mehrere Beklagte Ansprüche in unterschiedlicher Höhe geltend gemacht werden
BGH, Beschl. v. 29.8.2023 – VIII ZR 227/22
1. Das Gericht des Rechtszugs setzt den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen.
2. Für den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Wird der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt, ist die Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend. Dies gilt allerdings nur, wenn der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens mit dem der anwaltlichen Tätigkeit identisch ist (Festhaltung BGH, Beschl. v. 30.10.2019 – V ZR 299/14).
3. Liegt der Wert der bei der Einlegung des Rechtsmittels entfalteten anwaltlichen Tätigkeit allerdings höher als der Wert des später durchgeführten Rechtsmittelverfahrens, ist der Rechtsanwalt nicht gehindert, für seine auf einem umfassenderen Auftrag beruhende Tätigkeit entsprechende Gebühren gegenüber seinem Mandanten geltend zu machen (Festhaltung BGH, Beschl. v. 26.4.2023 – VIII ZR 136/22).
BGH, Beschl. v. 22.6.2023 – KZR 42/20
Der Antrag auf Festsetzung der anwaltlichen Tätigkeit setzt nach § 33 Abs. 1 RVG voraus, dass sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Grundsätzlich bestimmt sich in gerichtlichen Verfahren der Gegenstandswert für die Tätigkeit des Anwalts nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG). Wird der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Wert gerichtlich festgesetzt, ist diese Festsetzung gemäß § 32 Abs. 1 RVG auch für die Gebühren des Anwalts maßgeblich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Gegenstand der gerichtlichen mit dem der anwaltlichen Tätigkeit identisch ist. Nur wenn der Gegenstandswert der gerichtlichen Tätigkeit nicht mit der anwaltlichen Tätigkeit übereinstimmt, kann eine gesonderte Festsetzung verlangt werden (Festhaltung BGH, Urt. v. 14.12.2017 – IX ZR 243/16).
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.5.2023 – I-15 W 9/23, NJW-RR 2023, 844
1. Dem Prozessbevollmächtigten einer Partei steht – anders als der Partei selbst – ein Beschwerderecht gegen eine zu niedrige Streitwertfestsetzung zu. Seine Beschwer ergibt sich regelmäßig aus dem Umstand, dass der Honoraranspruch des Anwalts streitwertabhängig ist und sich deshalb mit einer Heraufsetzung des Streitwerts erhöht (Bestätigung OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2013 – 2 W 35/13).
2. Bei der Bestimmung des Streitwerts für die zu erhebenden Gerichtsgebühren ist eine nach Zeitabschnitten gestaffelte Streitwertfestsetzung nicht veranlasst. Maßgebend für die Berechnung ist der Zeitpunkt der den Rechtszug einleitenden Antragstellung, mithin in erster Instanz der Eingang der Klageschrift (Fortführung OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.4.2022 – 15 W 9/22).
3. Nachdem Teil-Klagerücknahmen und Teil-Erledigungen nicht mehr zu einer Reduzierung der anfallenden Gerichtsgebühren führen besteht für eine Herabsetzung des Streitwerts nach bestimmten Verfahrensabschnitten oder Zeiträumen kein Anlass und auch kein Raum. Das Gericht hat im Verfahren nach § 63 Abs. 2 GKG lediglich den für die Berechnung der Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert festzusetzen (Fortführung OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.3.2023 – 15 W 7/23).
4. Nichts anderes ergibt sich aus der Koppelung des Gegenstandswerts an den Streitwert; der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Streitwert ist auch für die Rechtsanwaltsgebühren insoweit grundsätzlich maßgebend, als sich der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit mit derjenigen des Rechtsanwalts deckt (Anschluss OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2023 – 24 W 2/23; OLG Dresden, Beschl. v. 19.7.2022 – 12 W 367/22 und OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.1.2022 – 2 W 4619/21). Dementsprechend eröffnet § 33 Abs. 1 RVG die Möglichkeit, den Wert für die anwaltliche Vergütung – sofern er sich nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert richtet – durch Beschluss selbstständig festzusetzen.
5. Diese Gegenstandswertfestsetzung erfolgt – anders als die Wertfestsetzung der Gerichtsgebühren – nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag. Sofern ein derartiger Antrag nicht gestellt worden ist, besteht kein Raum für eine Entscheidung des Gerichts, einen von dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert abweichenden Wert für die Rechtsanwaltsgebühren festzusetzen (Fortführung OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.4.2022 – 15 W 9/22).
6. Ein Vergleichswert darf nur festgesetzt werden, wenn eine Gerichtsgebühr aus dem Vergleich anfällt. Das wiederum ist nach Nr. 1900 KV GKG nur dann der Fall, wenn in einen Vergleich nicht gerichtlich anhängige Gegenstände mit einbezogen werden. Ein Vergleich über anhängige Gegenstände – und sei es auch anderweitig anhängige Gegenstände – löst keine Vergleichsgebühr bei Gericht aus.
OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2023 – 24 W 2/23, AGS 2023, 179
1. Der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Wert ist für die Gebühren des Rechtsanwalts nach § 32 Abs. 1 RVG nur maßgebend, soweit der Gegenstand der gerichtlichen mit dem der anwaltlichen Tätigkeit identisch ist.
2. Wird die Klage vor der mündlichen Verhandlung teilweise zurückgenommen, so berechnet sich die Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG jedenfalls dann nicht nach dem ursprünglichen Wert, sondern nach dem verbleibenden Gegenstand der Klage, wenn die Rücknahme vor dem Aufruf der Sache wirksam geworden ist und dem Gericht bei der Verhandlung bekannt war.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 3.2.2023 – 11 W 2/23
1. Für die Wertberechnung der Gerichtsgebühren ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet. Abzustellen ist insoweit auf den Eingang der Klageschrift bzw. der Rechtsmittelschrift (Anschluss BGH, Beschl. v. 30.7.1998 – III ZR 56/98).
2. Für eine Herabsetzung des Streitwerts nach bestimmten Verfahrensabschnitten besteht – nachdem Teil-Klagerücknahmen und Teilerledigungen nicht mehr zu einer Reduzierung der anfallenden Gerichtsgebühren führen können – kein Raum mehr. Das Gericht hat lediglich den für die Berechnung der Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert festzusetzen. Unbeachtlich ist dabei, dass diese Wertfestsetzung mittelbar auch Einfluss auf die Rechtsanwaltsgebühren hat (Anschluss KG Berlin, Beschl. v. 2.3.2018 – 26 W 62/17).
3. Weil die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren auch für die Anwaltsgebühren maßgeblich ist und diese nach verschiedenen Verfahrensabschnitten und deren Wert unterscheiden, kann allerdings eine nach den Zeitabschnitten vor und nach der Ermäßigung differenzierende Wertfestsetzung allenfalls deshalb erforderlich werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich die Gerichtsgebühren nach dem höchsten verfallenen Wert während des gesamten Rechtszugs bemessen.
4. Eine nachträgliche Anpassung des durch die einleitende Antragstellung begründeten Streitwerts für die Gerichtskosten kommt lediglich in den Fällen der Klageerhöhung, der Widerklageerhebung oder in ähnlichen Fällen der Erweiterung des Streitgegenstands ab dem Zeitpunkt in Betracht, in dem die Erweiterung des Streitgegenstandes durch den Eingang eines entsprechenden bestimmenden Schriftsatzes anhängig gemacht worden ist (Anschluss KG, Beschl. v. 2. 3.2018 – 26 W 62/17).
OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.1.2023 – 6 W 73/22, AGS 2023, 333
Der Gebührenstreitwert ist in einem Klageverfahren einheitlich nach dem Wert eines jeden Streitgegenstandes zum Zeitpunkt der Anhängigmachung zu bestimmen. Bei der Wertfestsetzung für die einheitliche gerichtliche Verfahrensgebühr ist deshalb eine nach Verfahrensabschnitten oder Zeiträumen gestaffelte Festsetzung nicht veranlasst. Soweit bei den Rechtsanwaltsgebühren unterschiedliche Werte für einzelnen Gebühren maßgeblich sein können, erfolgt – allerdings nur auf Antrag – eine gesonderte Wertfestsetzung.
§§ 46, 55 RVG
OVG Bremen, Beschl. v. 23.7.2024 – 1 S 93/24, NJW-Spezial 2024, 540
1. Wenn im Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss eine Beschränkung im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO nicht vorgenommen wurde, obwohl diese geboten gewesen wäre, ist der Urkundsbeamte im Vergütungsfestsetzungsverfahren gleichwohl an diese vom Gericht getroffene Entscheidung gebunden.
2. Eine Beschränkung der Beiordnung im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO hat aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit grundsätzlich ausdrücklich zu geschehen.
3. Bei einem auswärtigen Rechtsanwalt ist zur Vermeidung entbehrlicher Reisekosten eine Beschränkung der Beiordnung auf die für einen im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt geltenden Bedingungen grundsätzlich geboten, um sicherzustellen, dass ein Prozesskostenhilfeberechtigter nicht bessergestellt wird als ein kostenbewusster und vernünftiger Prozessbeteiligter, der seine Prozesskosten selbst zu tragen hat.
§ 47 RVG
OVG NRW, Beschl. v. 12.7.2023 – 4 E 110/23, AGS 2024, 209
Ein Vorschuss auf voraussichtlich entstehende Gebühren (hier: der geltend gemachte Vorschuss auf die Terminsgebühr) ist von dem Vorschussanspruch nach § 47 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht umfasst, da die Terminsgebühr keine bereits entstandene Gebühr und keine bereits entstandene oder entstehende Auslage ist.
Nrn. 1000, 1003 VV RVG
OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.3.2024 – 6 W 115/23
Für das Entstehen der Einigungsgebühr genügt es nicht, dass der Rechtsanwalt an einem zwischen anderen Prozessparteien geschlossenen Vergleich mitwirkt, selbst wenn sein Mandant von den Vereinbarungen mittelbar betroffen ist.
Nr. 1008 VV RVG
OLG Hamburg, Beschl. v. 6.4.2024 – 4 W 32/24, JurBüro 2024, 241
Vertritt ein Rechtsanwalt im streitigen Verfahren erster Instanz nur einen Auftraggeber und erst in der nachfolgenden Berufungsinstanz mehrere Auftraggeber, so erhöht sich die Verfahrensgebühr für die erste Instanz nach Nr. 3100 VV RVG nicht, weil die Vertretung in der ersten Instanz und die Vertretung im Berufungsverfahren nicht dieselbe Angelegenheit i.S.d. Nr. 1008 VV RVG sind.
Nr. 1010 VV RVG
OLG Hamburg, Beschl. v. 20.20.2024 – 4 W 21/24, AGS 2024, 164
Eine Zusatzgebühr nach Nr. 1010 VV RVG entsteht nicht, wenn in weniger als drei gerichtlichen Terminen Sachverständige oder Zeugen vernommen wurden. Eine entsprechende Anwendung von Nr. 1010 VV RVG auf andere Fälle umfangreicher Beweisaufnahmen scheidet aus.
Nr. 2300 VV RVG
AG Berlin-Mitte, Urt. v. 9.10.2023 – 3 C 26/22, AGS 2024, 65
1. Ein Rechtsanwalt darf eine Gebühr von mehr als 1,3 fordern, wenn die Tätigkeit sowohl schwierig als auch umfangreich war.
2. Der Begriff des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit bezieht sich auf den tatsächlichen zeitlichen Aufwand des Anwalts bei der Bearbeitung des konkreten Mandats. In durchschnittlichen Fällen ist ein Aufwand von drei Stunden gegeben.
Vorbem. 3 Abs. 1, Nrn. 2300, 3100 VV RVG
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.12.2023 – 8 U 528/21
1. Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr.
2. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen.
OLG Bremen, Beschl. v. 20.9.2023 – 1 U 96/22, JurBüro 2023, 580
Wenn ein Rechtsanwalt beauftragt ist, den Gegner vorgerichtlich zur Zahlung bzw. zur Unterbreitung eines Vergleichsvorschlags aufzufordern, und er anderenfalls beauftragt ist, nach fruchtlosem Fristablauf gerichtlich vorzugehen, so ist ein lediglich bedingt erteilter Prozessauftrag anzunehmen, der einer Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegensteht.
OLG Dresden, Beschl. v. 24.8.2023 – 4 U 444/23, NJWE-Spezial 2023, 763
1. Wird nicht dargelegt, dass der Prozessbevollmächtigte zunächst lediglich mit der außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen und erst später mit der Prozessführung beauftragt war, kommt der Ansatz einer Geschäftsgebühr für eine vorprozessuale Zahlungsaufforderung nicht in Betracht.
2. Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage des Innenverhältnisses, nämlich der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden, lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr (so BGH VRR 8/2021, 12 = AGS 2022, 16.
3. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwaltes beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Der Kläger hat darzulegen und im Streitfall zu beweisen, dass er seinen Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder ihm einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt hat.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.3.2023 – 25 U 55/22
Erteilt ein Mandant einen unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden, lösen Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren auch dann aus, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. In diesem Fall ist kein Raum für das Entstehen einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG.
Vorbem. 3 Abs. 2, 3 VV RVG
LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 27.5.2024 – L 5 SF 42/24 B E
Die Abgeltungsbereiche von Verfahrens- und Terminsgebühr stehen in zeitlicher Hinsicht zueinander nicht in einem Exklusivitätsverhältnis, sondern sie überschneiden sich in dem Sinne, dass auch während eines Termins das Geschäft betrieben wird.
Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG, Nrn. 3104, 3202 VV RVG
BGH, Urt. v. 20.6.2024 – IX ZR 80/23, VRR 8/2024, 5
Eine Terminsgebühr fällt an, wenn der Gegner eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Erklärung zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei entgegennimmt.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.2.2024 – 15 W 70/23, NJW-Spezial 2024, 539
Auch Besprechungen mit Dritten, etwa dem Prozessbevollmächtigten eines Streithelfers oder einer mithaftenden Partei, können eine Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG auslösen, sofern der Gegner vorab seine grundsätzliche Bereitschaft für Vergleichsgespräche kundgetan hat.
VG Regensburg, Beschl. v. 23.1.2024 – RO 8 M 23.1225
1. Vertritt ein Rechtsanwalt mehrere Kläger in mehreren Klageverfahren mit übereinstimmendem Klageziel, ist davon auszugehen, dass er eine Besprechung, die auf eine Verfahrenserledigung gerichtet ist, bezüglich sämtlicher Verfahren führt, für die er bevollmächtigt ist, solange keine konkreten gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen.
2. Die fehlende Bereitschaft, ein Gespräch mit dem Ziel einer Einigung zu führen, muss durch eine ausdrückliche Mitteilung oder durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden.
3. Der Inhalt des Gesprächs, mit dem der Verfahrensgegner zum Nachgeben veranlasst werden soll, muss sich weder mit einem ggf. bereits vorhandenen oder späteren schriftsätzlichen Vortrag im jeweiligen Verfahren decken noch dazu geeignet sein, sich hiermit in dem gerichtlichen Verfahren durchzusetzen.
OLG Bamberg, Beschl. v. 18.1.2024 – 2 WF 177/23, VRR 3/2024, 29 = AGS 2024, 167
1. Einseitige Gespräche nur einer Partei mit dem Gericht stellen keine Besprechung im Sinne von Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 2 VV RVG dar. Erforderlich ist vielmehr stets die Beteiligung von zumindest zwei am Verfahren Beteiligten mit dem Ziel, im Rahmen der Besprechung eine Erledigung des Verfahrens herbeizuführen.
2. Ein Telefongespräch zwischen dem Verfahrensbevollmächtigten einer Partei und dem zuständigen Richter kann daher mangels Einbeziehung der Gegenseite keine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG i.V.m. Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG auslösen.
OLG Köln, Urt. v. 18.1.2024 – 12 U 48/23
1. Eine Terminsgebühr entsteht bereits, wenn der Gegner die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis nimmt (s. BGH, 20.11.2006, II ZB 9/06). Eine auf eine gütliche Erledigung gerichtete Besprechung setzt die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten.
2. Ein Telefonanruf ohne ernsthafte Vergleichsaussicht, der nur dazu führt, dass der gegnerische Anwalt sich verpflichtet fühlt, den Vergleichsvorschlag pflichtgemäß weiterzuleiten, kann trotz der geringen Anforderungen an die telefonische Besprechung nicht genügen, um eine Terminsgebühr auszulösen.
OVG NRW, Beschl. v. 13.10.2023 – 1 E 645/23, AGS 2023, 555
1. Für die Annahme, dass ein Rechtsanwalt im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat, ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass er in einem solchen Termin vertretungsbereit anwesend gewesen ist (hier. erkrankungsbedingte fehlende erforderliche (körperliche) Anwesenheit).
2. Kommt es aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten hingegen zu einer Entscheidung des Gerichts ohne die an sich vorgeschriebene mündliche Verhandlung, stellt Nr. 3104 Abs. 1 Ziffer 1 Fall 1 VV RVG sicher, dass dem Rechtsanwalt, der in einem solchen Fall nur schriftsätzlich vortragen kann, im Hinblick auf die Entstehung der Terminsgebühr kein Nachteil gegenüber dem Gebührenanfall bei Durchführung der eigentlich vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung entsteht, bzw. dass der besondere Aufwand des Rechtsanwalts honoriert wird, den dieser gleichwohl für die (schriftsätzliche) Vorbereitung der eigentlich zu verhandelnden Sache hatte.
3. Dass in einer Situation, in der eine mündliche Verhandlung mit dem Einverständnis des an einer Teilnahme an dieser Verhandlung verhinderten Rechtsanwalts ohne dessen Anwesenheit durchgeführt wird, typischerweise ein vergleichbarer Aufwand entsteht und zu vergüten ist, ist nicht erkennbar.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.5.2023 – 6 WF 53/23
Auch wenn eine Sache trotz zuvor erfolgter Klagerücknahme aufgerufen wird, weil das Gericht von der Rücknahme keine Kenntnis hatte, ist die Sache aufgerufen und es entsteht für den anwesenden Verfahrensbevollmächtigten die Terminsgebühr.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.3.2023 – 6 W 13/20
Eine Terminsgebühr entsteht sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn sie mit mindestens auch einem anderen als dem Auftraggeber selbst erfolgt und auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet sind.
Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG
OLG Hamburg, Beschl. v. 23.11.2023 – 4 W 106/23, AGS 2024, 363
1. Ein vereinbartes Honorar ist keine Geschäftsgebühr im Sinne von Nr. 2300 ff VV RVG. Deshalb scheidet im Falle einer wirksamen Honorarvereinbarung die Anrechnung einer (fiktiven) Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr aus.
2. Wird der Rechtsstreit durch Vergleich beendet, so unterliegt der Grundsatz der Nichtanrechenbarkeit nach Maßgabe von Treu und Glauben bei missbräuchlicher Umgehung der Anrechnungsbestimmungen einer Einschränkung. Dies ist dann der Fall, wenn die Parteien eine einvernehmliche Kostenregelung auf der Grundlage getroffen haben, dass außerprozessual eine anrechenbare Geschäftsgebühr angefallen und keine Honorarvereinbarung getroffen worden sei. Dann kann sich der Erstattungsgläubiger nicht nachträglich erst im Kostenfestsetzungsverfahren zu Lasten des Erstattungsschuldners darauf berufen, dass wegen einer Honorarvereinbarung die Anrechnung der Geschäftsgebühr unterbleiben müsse (Anschluss BGH, Beschl. v. 16.10.2014 – III ZB 13/14).
3. Eine solche missbräuchliche Umgehung der Anrechnungsbestimmungen folgt jedenfalls im Wettbewerbsrecht nicht allein daraus, dass der Erstattungsgläubiger vorgerichtlich und im Ausgangsverfahren seine außergerichtlichen Kosten nach Maßgabe der gesetzlichen Gebühren berechnet und geltend gemacht hat.
BGH, Beschl. v. 24.10.2023 – VI ZB 39/21, AGS 2024, 22
Die Geschäftsgebühr ist auch dann auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, wenn außergerichtlich als Nebenforderung geltend gemachte Ansprüche auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten den alleinigen Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bilden und die von dem Rechtsanwalt entfaltete außergerichtliche Tätigkeit hinsichtlich der Kosten der Rechtsverfolgung dieselben rechtlichen und tatsächlichen Punkte betrifft wie die spätere gerichtliche Geltendmachung.
Nr. 3100 VV RVG
OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.10.2023 – 6 W 104/23, AGS 2024, 283
Die Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts entsteht mit dem Beginn der auftragsgemäßen Tätigkeit des Rechtsanwalts. Im vorliegenden Fall ist die Gebühr spätestens mit Einreichung des Antrags auf Klageabweisung entstanden. Da den mit der Klageschrift verfolgten Anträgen ein Wert in der Stufe bis zu 40.000 EUR zukommt, ist nach diesem Wert auch die Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten des Beklagten entstanden. Der Umstand, dass die Klägerin bereits zuvor die teilweise Rücknahme der Klage erklärt hatte, ändert daran nichts, denn dieser Schriftsatz war dem Beklagten bei Beauftragung der Rechtsanwälte und den Rechtsanwälten bei Beginn der auftragsgemäßen Tätigkeit ohne eigene Nachlässigkeit nicht bekannt.
Nrn. 3104, 3105 VV RVG
KG Berlin, Beschl. v. 8.8.2024 – 5 W 98/24
1. Für eine Reduzierung der 1,2 fachen Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG auf eine 0,5 fache Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG kommt es nicht darauf an, ob ein Gericht (auf Antrag des für die eine Seite auftretenden Rechtsanwalts) ein Versäumnisurteil erlässt.
2. Die Reduzierung der Terminsgebühr für einen in einem Termin auftretenden Rechtsanwalt hat nicht allein zur Voraussetzung, dass der betreffende Rechtsanwalt einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils stellt. Weitere Voraussetzung ist, dass in dem Termin, in dem der Erlass eines Versäumnisurteils beantragt worden ist, die gegnerische Partei nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist.
3. Jedenfalls dann, wenn in dem (gerichtlichen) Termin eine Erörterung der Sach- und Rechtslage stattfindet, fällt die volle Terminsgebühr an. Dies gilt auch für den Fall, dass die Erörterung lediglich zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits stattfindet.
OLG Hamburg, Beschl. v. 4.3.2024 – 4 W 20/24, AGS 2024, 221
Beziehen sich die Erörterungen der im Termin allein anwesenden Partei nicht auf die Hauptforderung, sondern ausschließlich auf die Nebenforderung – nämlich den Anspruch auf Verzugszinsen, konkret den Beginn der Verzinsungspflicht – und nimmt die Klagepartei auf einen erst im Termin erfolgenden Hinweis des Gerichts hin die Klage hinsichtlich der Nebenforderung zurück, ist es geboten, von dem Grundsatz abzuweichen, dass im Säumnistermin eine volle 1,2-Terminsgebühr auf den vollen Gegenstandswert entsteht.
Nr. 3307 VV RVG
OLG Brandenburg, Beschl. v. 8.3.2023 – 6 W 10/23, AGS 2023, 260
1. Im Zusammenhang mit der Einlegung eines Widerspruches gegen den Mahnbescheid entsteht zunächst eine Verfahrensgebühr in Höhe von 0,5 nach Nr. 3307 VV RVG aus dem Hauptsachestreitwert. Diese ist allerdings auf die Verfahrensgebühr im nachfolgenden Rechtsstreit anzurechnen.
2. Diese Verfahrensgebühr entsteht unabhängig davon, ob der Antragsteller seinen Antrag vor Anspruchsbegründung zurückgenommen hat, wenn er bereits mit dem Mahnbescheidsantrag den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gestellt hat. Denn dieses gehört nicht mehr zum Mahnverfahren, sondern zum nachfolgenden streitigen Verfahren (Anschluss OLG Köln, Beschl. v. 28.3.2007 – 17 W 46/07).
3. Hat der Antragsgegner in dem dem Mahnverfahren nachfolgenden streitigen Verfahren vor Zugang der Antragsrücknahme keinen Sachantrag gestellt, vermindert sich die Verfahrensgebühr in Höhe des 1,3 nach Nr. 3100 VV RVG auf die 0,8 Gebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG.
4. Erwirkt der Prozessbevollmächtigte einen Kostenfestsetzungsbeschluss entsteht zusätzlich eine nach dem Wert bis zur Antragsrücknahme zu berechnende 1,3 Verfahrensgebühr. Diese Verfahrensgebühr entsteht nach § 15 Abs. 3 RVG neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV RVG, ist jedoch dahin begrenzt, dass die aus dem Gesamtbetrag der Wertteile nach dem höchsten Gebührensatz berechnete Gebühr nicht überschritten werden darf.
Nr. 3403 VV RVG
OLG Bremen, Beschl. v. 11.1.2024 – 1 W 30/23, JurBüro 2024, 75
1. Bei der Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG handelt es sich um eine Auffangregelung, die auch für Tätigkeiten eines nicht beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts im Rahmen eines Einzelauftrags in Bezug auf ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren anfallen kann.
2. Für Tätigkeiten wie die Entgegennahme der Nichtzulassungsbeschwerde und der Bitte des Anwalts der Gegenseite, zunächst noch keinen Prozessbevollmächtigten beim Bundesgerichtshof zu bestellen, fällt für den Prozessbevollmächtigten des Berufungsverfahrens keine Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG für Einzeltätigkeiten im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens an, da diese Tätigkeiten noch zum Berufungsverfahren zählen und als durch die dort anfallende Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG abgegolten gelten.
Vorbem. 7 Abs. 1 VV RVG
BGH, Beschl. v. 26.3.2024 – VI ZB 58/22, NJW-RR 2024, 928
1. Hat der Prozessbevollmächtigte der Partei einen Rechtsanwalt mit der Terminsvertretung im eigenen Namen beauftragt, so sind die Kosten des beauftragten Rechtsanwalts nicht zu erstatten. Der Terminsvertreter ist in diesem Fall regelmäßig Erfüllungsgehilfe des Prozessbevollmächtigten. Dieser erhält nach § 5 RVG selbst die Terminsgebühr. Zwischen der Partei und dem Terminsvertreter wird dann kein Vertragsverhältnis begründet, das eine Vergütungspflicht der Partei auslösen könnte. Der Anspruch des Terminsvertreters auf das vereinbarte Honorar richtet sich ausschließlich gegen den Prozessbevollmächtigten als seinem Auftraggeber.
2. Die Kosten, die dem Prozessbevollmächtigten durch die Beauftragung eines Terminsvertreters im eigenen Namen entstehen, sind keine erstattungsfähigen Aufwendungen im Sinne der Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG i.V.m. § 675 Abs. 1, § 670 BGB. Denn der Hauptbevollmächtigte, der die ihn treffende Pflicht zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins einem Terminsvertreter überträgt, handelt nicht fremdnützig – wie es der Aufwendungsersatz nach § 670 BGB erfordern würde -, sondern zu eigenen geschäftlichen Zwecken.
BGH, Beschl. v. 22.5.2023 – VIa ZB 22/22, AGS 2023, 321
Beauftragt der Hauptbevollmächtigte einer Partei gegen ein Honorar einen Terminsvertreter, um den Anfall von abrechenbaren Kosten in einer das Honorar übersteigenden Höhe zu vermeiden, stellt das vereinbarte Honorar die Gegenleistung allein für die Wahrnehmung des Termins im eigenen Gebühreninteresse des Hauptbevollmächtigten dar und kann der Partei nicht als Aufwendung des Hauptbevollmächtigten in Rechnung gestellt werden (Anschluss an BGH, Beschl. v. 9.5.2023 – VIII ZB 53/2).
BGH, Beschl. v. 9.5.2023 – VIII ZB 53/21, AGS 2023, 315
1. Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (hier: 0,65-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3401 VV RVG) fallen für einen Terminsvertreter nur an, wenn dieser von der Prozesspartei selbst oder in deren Namen durch den Prozessbevollmächtigten (Hauptbevollmächtigten) beauftragt worden ist, nicht hingegen, wenn letzterer im eigenen Namen den Auftrag zur Terminsvertretung erteilt hat (Anschluss an BGH, Urt. v. 29.6.2000 – I ZR 122/98, NJW 2001, 753; Beschl. v. 13.7.2011 – IV ZB 8/11, VersR 2012, 737).
2. Bei einer Beauftragung des Terminsvertreters durch den Hauptbevollmächtigten im eigenen Namen sind die Kosten des Terminsvertreters auch nicht als Auslagen des Hauptbevollmächtigten im Sinne der Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG in Verbindung mit §§ 675, 670 BGB erstattungsfähig.
Nr. 7000 VV RVG
SG Ulm, Beschl. v. S 13 SF 2602/23 E, ZAP 2024, 756
1. Der Ausdruck der elektronisch überlassenen Verwaltungsakte, die vorliegend als PDF-Datei mit Inhaltsverzeichnis überlassen wurde, ist, nachdem die elektronische Aktenbearbeitung zum Standard geworden ist, zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache auch unter Berücksichtigung des Kostenminimierungspflicht nicht geboten. Deshalb ist der Ausdruck auch nur von Teilen der Verwaltungsakte nicht nach Nr. 7000 Nr. 1 Buchst a VV RVG zu entschädigen.
2. Was zur „Bearbeitung“ einer Sache sachgemäß ist, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des Rechtsanwalts, sondern nach dem objektiven Standpunkt eines vernünftigen, sachkundigen Dritten.
VG Hamburg, Beschl. v. 8.1.2024 – 10 KO 5115/23
Die Kosten für Ausdrucke aus elektronischen Behördenakten, die wegen einer Sehschwäche des Prozessbevollmächtigten angefertigt werden, lösen die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG jedenfalls regelhaft nicht aus. Der Prozessbevollmächtigte muss einen Monitor mit der für die Bearbeitung der Sache erforderlichen Auflösung verwenden.