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Begriff des elektronischen Geräts

Ein elektronischer Taschenrechner unterfällt als elektronisches Gerät, das der Information dient oder zu dienen bestimmt ist, der Vorschrift des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO.

(Leitsatz des Gerichts)

BGH, Beschl. v. 16.12.2020 – 4 StR 526/19

I. Sachverhalt

Das OLG Hamm hatte mit Beschl. v. 15.8.2019 dem BGH die Frage vorgelegt, ob ein reiner (elektronischer) Taschenrechner als elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation bzw. der Unterhaltungselektronik oder der Ortsbestimmung dient bzw. dienen soll, unter § 23 Abs. 1a StVO fällt. Das OLG Hamm wollte die Frage bejahen, wäre damit aber von Rechtsprechung des OLG Oldenburg abgewichen, das die Frage verneint hatte (VRR 10/2018, 14 = StRR 9/2018, 24).

II. Entscheidung

Der BGH hat die Vorlegungsfrage des OLG Hamm als zu weit gefasst angesehen. Sie schließe mehrere tatbestandliche Varianten der elektronischen Geräte im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO ein, während die Divergenz ‒ wie sich aus dem Vorlagebeschluss und der Entscheidung des OLG Oldenburg ergebe ‒ allein die Auslegung des Tatbestandsmerkmals des elektronischen Geräts, das der Information dient oder zu dienen bestimmt ist, betreffe. Er hat die Vorlegungsfrage daher anders/enger gefasst und wie aus dem Leitsatz ersichtlich beantwortet. Zu den elektronischen Geräten, die der Information dienen oder zu dienen bestimmt sind, gehöre auch ein elektronischer Taschenrechner. Dies ergibt sich für den BGH aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck der Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO.

Nach der Wortbedeutung des Begriffs der Information handele es sich bei elektronischen Geräten zur Information um Geräte, die der Unterrichtung über jegliche einer Mitteilung zugängliche Umstände dienen (vgl. OLG Karlsruhe VRR 3/2019, 19 [Laserentfernungsmesser]; OLG Braunschweig, Beschl. v. 3.7.2019 ‒ 1 Ss (OWi) 87/19; Will, NJW 2019, 1633, 1636). Für die Informationsfunktion des Geräts sei es ausgehend vom Wortsinn weder von Bedeutung, ob der Gegenstand der Unterrichtung bereits in dem Gerät gespeichert vorhanden sei oder erst im Wege der Datenübertragung auf das Gerät übermittelt werde, noch hänge sie davon ab, dass der Gegenstand der Unterrichtung im Zuge der Gerätenutzung auf dem Gerät gespeichert werde. Danach sei auch die Durchführung einer Rechenoperation mittels eines elektronischen Taschenrechners zur Ermittlung eines auf dem Gerät ablesbaren Ergebnisses als Informationsvorgang anzusehen, so dass der Taschenrechner nach dem Wortlaut der Norm als Gerät zur Information der Regelung des § 23 Abs. 1a S. 1 StVO unterfalle.

Mit der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO habe der Verordnungsgeber das Benutzen elektronischer Geräte während des Führens eines Fahrzeugs nicht ausnahmslos untersagen wollen. Ausweislich der Verordnungsbegründung solle aber die Nutzung von Geräten aus den in der Vorschrift im einzelnen aufgeführten Gerätekategorien im Interesse der Verkehrssicherheit an die Erfüllung der strengen Anforderungen geknüpft werden, die in § 23 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 und 2 StVO normiert seien. Den Materialien zu der Änderungsverordnung sei weiterhin zu entnehmen, dass die in der Bestimmung genannten Gerätekategorien umfassend der Nutzungsregelung des § 23 Abs. 1a StVO unterstellt werden sollten (vgl. BR-Drucks 556/17, S. 3, 16). Der ausdrücklich verlautbarte Wille des Verordnungsgebers, sämtliche Geräte aus den aufgeführten Gerätekategorien zu erfassen, spreche für eine weite, die Wortbedeutung ausschöpfende Auslegung des Tatbestandsmerkmals des der Information dienenden Gerätes. Die in der Verordnungsbegründung beispielhaft genannten Geräte (vgl. BR-Drucks 556/17, S. 27) zeigen zudem ebenso wie die Geräte, die Gegenstand der in § 23 Abs. 1a S. 2 StVO aufgenommenen klarstellenden Einbeziehungsregelung sind, dass es für die Subsumtion unter die Gerätekategorien des § 23 Abs. 1a S. 1 StVO ‒ von den Geräten der elektronischen Kommunikation abgesehen ‒ weder auf eine Datenübertragung auf das Gerät noch eine Speicherfunktion des Geräts ankommen sollte.

Schließlich streite auch der Zweck der Vorschrift für dieses Auslegungsergebnis. Die Bestimmung des § 23 Abs. 1a StVO diene dem Ziel, durch eine Regelung der Anforderungen, die bei der Nutzung der tatbestandlich erfassten elektronischen Geräte während des Führens eines Fahrzeugs einzuhalten sind, Gefahren für die Verkehrssicherheit zu verhindern, die aus einem Aufnehmen und Halten des Geräts oder einer mit der Gerätenutzung verbundenen nicht nur unwesentlichen Beeinträchtigung der visuellen Wahrnehmung des Verkehrsgeschehens resultieren können. Eine solche Gefahrenlage sei auch bei der Benutzung eines elektronischen Taschenrechners beim Führen eines Fahrzeugs gegeben.

Auf die vom Generalbundesanwalt in den Vordergrund gerückte Frage, ob ein elektronischer Taschenrechner als tragbarer Flachrechner im Sinne des § 23 Abs. 1a S. 2 StVO anzusehen sei, komme es nach alledem – so der BGH – nicht mehr an.

III. Bedeutung für die Praxis

Mit dieser Entscheidung ist die in der Rechtsprechung umstrittene Frage, ob ein Taschenrechner ein elektronisches Gerät i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO darstellt, entschieden, und zwar im Sinne der Rechtsprechung und Literatur, die eine weite Auslegung der Vorschrift als zutreffend ansieht. Damit ist nun also – obergerichtlich abgesegnet – die Benutzung eines Taschenrechners beim Führen eines Kraftfahrzeugs ebenso gefährlich/verboten wie die eine Tablet-Computers, Touchscreens (OLG Karlsruhe VRR 8/2020, 25 [„Tesla“-Entscheidung]), Notebooks (siehe hierzu OLG Köln DAR 2019, 398; OLG Stuttgart DAR 2019, 103) oder Fernbedienungen oder Joysticks für im Fahrzeug befindliche Geräte im Sinne der Norm (OLG Köln, Beschl. v. 5.2.2020 – III-1 RBs 27/20). Bei dem ein oder anderen Gerät erschließt es sich nicht unbedingt, beim Taschenrechner fragt man sich allerdings schon: Warum muss ich beim Autofahren einen Taschenrechner benutzen? Hier hatte der Betroffene die Provision eines bevorstehenden Kundentermins berechnen wollen. Das muss ja nun wirklich nicht sein.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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