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Pflichtverteidiger nur im Vorführungstermin

Die von einem Rechtsanwalt im Rahmen der Wahrnehmung eines Haftbefehlsverkündungstermins entfalteten Handlungen sind nicht lediglich als Einzeltätigkeit i.Sv. Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG, sondern als Tätigkeit eines Verteidigers nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG des vorbezeichneten Vergütungsverzeichnisses anzusehen.

(Leitsatz des Verfassers)

LG Braunschweig, Beschl. v. 22.1.20254 Qs 12/25

I. Sachverhalt

Pflichtverteidiger nur für die Haftbefehlsverkündung

Nach dem dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt war der Rechtsanwalt dem Beschuldigten nur für den Termin zur Verkündung eines Haftbefehls (§ 115 StPO) beigeordnet worden. Er hat für die Vertretung im Termin der Haftbefehlsverkündung vor dem AG u.a. die Grundgebühr Nr. 4001 VV RVG, die Terminsgebühr Nr. 4103 VV RVG und die Verfahrensgebühr, und zwar die Nr. 4107 VV RVG, nebst Auslagen und Umsatzsteuer geltend gemacht.

LG bestätigt AG Braunschweig

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hatte nur die Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV RVG festgesetzt. Auf die Erinnerung des Rechtsanwalts hat dann das AG Braunschweig im Beschluss vom 27.9.2024 (4 Ds 210 Js 8094/24 (33/24), AGS 2024, 554 = StRR 11/2024, 35) alle Gebühren festgesetzt. Die dagegen vom Bezirksrevisor eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg.

II. Entscheidung

Keine Einzeltätigkeit

Die Kammer schließe sich der in dem angefochtenen Beschluss zutreffend vertretenen Auffassung an, dass die im Rahmen der Wahrnehmung eines Haftbefehlsverkündungstermins entfalteten Handlungen nicht lediglich als Einzeltätigkeit i.S.v. Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG, also nicht als Beistandsleistung bei einer richterlichen Vernehmung nach Nr. 4301, sondern als Tätigkeit eines Verteidigers nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG anzusehen seien.

Auch Terminsgebühr zutreffend

Auch die geltende gemachte Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV RVG sei zu Recht angesetzt worden: Es bestehe kein sachlich gerechtfertigter Anlass, die Verteidigung im Verfahren nach § 115 StPO gebührenrechtlich anders zu beurteilen als eine solche im Rahmen der Hauptverhandlung, wobei der gebührenrechtlichen Gleichbehandlung ausdrücklich nicht entgegenstehe, dass sich Vorführungen nach § 115 StPO oftmals in der Verkündung des Haftbefehls nebst entsprechender Belehrung erschöpfen (vgl. dazu auch OLG Köln, Beschl. vom 24.1.2024 – 3 Ws 50/23, AGS 2024, 226 m.w.N.).

III. Bedeutung für die Praxis

Zutreffende h.M.

Mit dem Beschluss des LG Braunschweig liegt eine weitere zutreffende Entscheidung im Chor der Gerichte vor, die die Tätigkeiten des Rechtsanwalts in einem Haftprüfungstermin als Tätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ansehen. Warum das richtig ist, habe ich bereits mehrfach ausgeführt, was ich aus Platzgründen hier nicht alles wiederholen will. Ich verweise daher auf die Anmerkungen der veröffentlichten Rechtsprechung zu der Frage (ebenso richtig OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.2.2024 – 1 Ws 13/24 (S), AGS 2024, 171; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.2.2023 – 2 Ws 13/23, AGS 2023, 164 = NStZ-RR 2023, 159 = JurBüro 2023, 195; OLG Koblenz, Beschl. v. 4.7.2024 – 2 Ws 412/24, AGS 2024, 357 = JurBüro 2024, 462; OLG Köln, Beschl. v. 24.1.2024 – 3 Ws 50/23, AGS 2024, 226; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.6.2023 – 1 Ws 105/23, AGS 2023, 310 = StraFo 2023, 335 = JurBüro 2023, 417; LG Aachen, Beschl. v. 20.10.2020 – 60 Qs 47/20 [zum neuen Recht]; LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 21.5.2024 – 2 Qs 14/24, AGS 2024, 271 [bestätigt durch OLG Koblenz, Beschl. v. 4.7.2024 – 2 Ws 412/24, AGS 2024, 357 = JurBüro 2024, 462]; LG Braunschweig, Beschl. v. 22.1.2025 – 4 Qs 12/25; LG Frankenthal (Pfalz), Beschl. v. 27.4.2023 – 1 Qs 76/23, AGS 2023, 219; LG Magdeburg RVGreport 2018, 257 = StRR 5/2018, 24 = StraFo 2018, 314 = AGS 2018, 341; LG Magdeburg, Beschl. v. 16.7.2021 – 21 Qs 53 u. 54/21, AGS 2021, 427 [zum neuen Recht]; LG Tübingen, Beschl. v. 6.2.2023 – 9 Qs 25/23, AGS 2023, 238; LG Regensburg, Beschl. v. 14.1.2025 – 10 Qs 5/25, AGS 2025, 120; AG Halle (Saale), Beschl. v. 20.5.2022 – 398 Gs 540 Js 594/22 (259/22), AGS 2022, 311; AG Ludwigshafen, Beschl. v. 3.3.2023 – 4a Ls 5227 Js 9474/22 [nur Grundgebühr], AGS 2023, 217 = StRR Sonderausgabe 5/2023, 32; AG Schweinfurt, Beschl. v. 27.12.2024 – 6 Ds 2 Js 9719/23; AG Tiergarten, Beschl. v. 14.10.2022 – (278 Ds) 265 Js 277/22 (110/22), AGS 2022, 513; unzutreffend a.A. OLG Celle RVGreport 2019, 17 = StraFo 2018, 534 = JurBüro 2018, 580; OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.1.2023 – 4 Ws 13/23, AGS 2023, 162 = JurBüro 2023, 251 = StRR 3/2023, 38 = StV 2025, 197 [Ls.]; LG Leipzig RVGreport 2019, 338 = StraFo 2019, 439).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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