Ein elektronisches Dokument in Form eines Scans des schriftlichen Originals ist zum Nachweis der Vollmacht im Kostenfestsetzungsverfahren nicht ausreichend.
(Leitsatz des Verfassers)
I. Sachverhalt
Kostenfestsetzung und Empfangnahme durch den Rechtsanwalt beantragt
Der Rechtsanwalt war einem in der Sicherungsverwahrung untergebrachten Mandanten gemäß § 109 Abs. 3 StVollzG als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet. Mit Beschluss vom 19.6.2023 hat die Strafvollstreckungskammer die Maßregelvollzugssache des Antragstellers abschließend entschieden und sprach dabei aus, dass die Landeskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers zu tragen hat. Bereits am 20.6.2023 beantragte der Rechtsanwalt, die notwendigen Auslagen des Antragstellers auf insgesamt 367,23 EUR festzusetzen. Den Kostenfestsetzungsantrag übermittelte er elektronisch über sein besonderes Anwaltspostfach (beA) und fügte diesem eine eingescannte Vollmachtsurkunde bei, die auf den 16.5.2023 datiert ist, augenscheinlich den Namenszug des Antragstellers trägt und dem Rechtsanwalt u.a. Vollmacht für das Kostenfestsetzungsverfahren und zur Empfangnahme zu erstattender Kosten und notwendiger Auslagen erteilt. Sowohl den Kostenfestsetzungsantrag als auch das vorgenannte Dokument signierte der Rechtsanwalt elektronisch.
Streit um Vorlage der Vollmacht im Original
Daraufhin teilte der Rechtspfleger des LG u.a. mit, dass die Geldempfangsvollmacht im Original eingereicht werden müsse, weil die Übersendung über das beA nicht genüge. Nachdem der Rechtsanwalt mitteilte, die Vollmachtsurkunde bereits elektronisch signiert übersandt zu haben, erklärte die Bezirksrevisorin, dass es aus ihrer Sicht des Nachweises einer Antragsberechtigung in Form einer aktuellen Vollmacht mit Geldempfangsvollmacht im Original bedürfe. Der Rechtsanwalt erwiderte darauf, dass er den übermittelten und von ihm signierten Scan für ausreichend halte, und bat um eine rechtsmittelfähige Entscheidung. Zudem übermittelte er einen Scan einer weiteren inhaltsgleichen und vom 4.8.2023 datierenden Vollmachtsurkunde per beA, den er wiederum elektronisch signierte. Die Bezirksrevisorin hielt daran fest, dass sie die Vorlage der Vollmachtsurkunde im Original für erforderlich halte, woraufhin der Rechtspfleger den Rechtsanwalt unter Fristsetzung aufforderte, die Prozessvollmacht binnen drei Wochen im Original vorzulegen. Nachdem dieser der Aufforderung nicht nachgekommen war, hat das LG den „von Rechtsanwalt X gestellten und unterzeichneten“ Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen hat der Rechtsanwalt sofortige Beschwerde eingelegt, die beim KG keinen Erfolg hatte.
II. Entscheidung
Nach Ansicht des KG ist der Kostenfestsetzungsantrag des Antragstellers zu Recht zurückgewiesen worden, weil der Rechtsanwalt seine wirksame Bevollmächtigung nicht in der hierfür erforderlichen Form nachgewiesen habe.
Entsprechende Anwendung der ZPO
Zu den nach § 464b S, 3 StPO im Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend anzuwendenden Vorschriften der ZPO gehören – so das KG – auch die für alle Verfahrensarten gültigen grundsätzlichen Bestimmungen über Prozessbevollmächtigte und Beistände in den §§ 78–90 ZPO (vgl. BGH NJW 2011, 3722 m.w.N.). Gemäß § 80 S. 1 ZPO sei die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten zu reichen. Die Bezirksrevisorin des LG habe die Nichteinreichung der Vollmacht gerügt, sodass das LG trotz des Umstandes, dass es sich bei dem als Bevollmächtigter Auftretenden hier um einen Rechtsanwalt handelte (§ 88 Abs. 2 ZPO), die Bevollmächtigung auch zu Recht geprüft habe.
Schriftliche Einreichung der Vollmacht …
Ebenfalls zu Recht sei es dabei von deren nicht wirksamem Nachweis ausgegangen. Bei der von dem Rechtsanwalt per beA übersandten und signierten Datei des Scans der Vollmachtsurkunde handele es sich nicht um eine schriftlich zu den Gerichtsakten gereichte Vollmacht i.S.d. § 80 Abs. 1 ZPO. Diese Norm verlange die schriftliche Einreichung der Vollmacht zum Nachweis der tatsächlichen Bevollmächtigung, der grundsätzlich nur durch die Vorlage der Originalvollmacht oder einer öffentlich beurkundeten Vollmacht, nicht aber durch Kopie, Telefax oder beglaubigte Abschrift geführt werden könne (vgl. BGHZ 126, 266, NJW 1994, 2298; Toussaint, in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 80 Rn 17; Althammer, in: Zöller, 35. Aufl. 2024, § 80 Rn 8).
… wird durch beA nicht erfüllt
Ein elektronisches Dokument in Form eines Scans des schriftlichen Originals stehe insoweit sonstigen Kopien gleich und sei zum Nachweis der Vollmacht nicht ausreichend. Zwar könne die Schriftform gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form ersetzt werden, dies setze aber gemäß § 126a Abs. 1 BGB voraus, dass der Aussteller der Erklärung seinen Namen hinzufügt und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehe. Dies sei hier jedoch nicht geschehen, weil Aussteller der Vollmacht nicht der Rechtsanwalt, sondern der Antragsteller sei. Der Rechtsanwalt habe den Nachweis auch nicht dadurch führen können, dass er als verantwortende Person nach § 130a Abs. 3 ZPO das elektronische Dokument signierte. Denn diese elektronische Signatur ersetze lediglich die nach § 130 Nr. 6 ZPO erforderliche Unterschrift (vgl. BGHZ 184, 75, NJW 2010, 2134; Fritsche, in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 130a Rn 9 m.w.N.), ermögliche aber nicht die Erfüllung der Formerfordernisse anderer Vorschriften (vgl. Greger, in: Zöller, 35. Aufl. 2024, § 130a ZPO Rn 2a).
III. Bedeutung für die Praxis
Auseinandersetzung mit abweichenden Ansichten fehlt
1. Das KG referiert die Rechtsprechung des BGH zur Vorlage einer Geldempfangsvollmacht zutreffend und zieht daraus auch grundsätzlich die richtigen Schlüsse. Aber: Es bleibt m.E. eine Antwort auf die Frage schuldig, warum diese zivilgerichtliche Rechtsprechung des BGH auch im Strafverfahren Anwendung findet. Ansatzpunkt für eine solche Diskussion wäre m.E. § 464b S. 3 StPO gewesen, wonach die Vorschriften der ZPO (nur) „entsprechend“ anzuwenden sind. Und das wird in der Literatur und auch Rechtsprechung zum Anlass genommen, die Vorlage der Vollmacht im Original in den Festsetzungsfällen nicht immer zu fordern (vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A Rn 1448). Sondern: Wenn die Strafprozessvollmacht nebst Geldempfangsvollmacht dem Gericht nicht als Original schon im Hauptverfahren vorlag und dort als ausreichend angesehen worden ist, ist die Vollmacht im Kostenfestsetzungsverfahren nicht mehr zu prüfen (LG Duisburg StraFo 2003, 104 = AGS 2003, 219; Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, a.a.O., m.w.N.). Außerdem bedarf es im Strafprozess der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht grundsätzlich nicht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 137 Rn 8). Wenn auch keinerlei greifbare Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Vollmacht widerrufen worden ist – was hier offenbar der Fall war – oder ein nicht mehr mandatierter Verteidiger zu Unrecht einen Festsetzungsantrag stellt, ist diese Ansicht davon ausgegangen, dass ein Kostenfestsetzungsantrag nicht allein deshalb zurückgewiesen werden darf, weil der Verteidiger statt einer Originalvollmacht lediglich die Kopie einer per Telefax erteilten schriftlichen Vollmacht vorgelegt hat, wenn die Vollmacht ausdrücklich auch das Kostenfestsetzungsverfahren und Geldempfangsvollmacht umfasst, dem Gericht schon als Fax im Erkenntnisverfahren vorgelegen hat und damit im Hauptverfahren als ausreichend angesehen worden ist (LG Duisburg, a.a.O. für per Telefax erteilte schriftliche Vollmacht). Warum für eine per beA eingereichte Kopie etwas anderes gelten soll, erschließt sich mir nicht. Es wäre schön, wenn das KG zu der Frage Stellung genommen hätte.
Zurückweisung im Ganzen
2. Und: M.E. hätte sich das KG auch zu der Frage äußern können, wenn nicht müssen, warum eigentlich der Antrag insgesamt zurückgewiesen wird. Hätte es nicht ausgereicht, die Auszahlung an den Verteidiger/Rechtsanwalt abzulehnen und zugunsten des antragstellenden Mandanten festzusetzen? Das wäre doch als Minus gegenüber dem geltend gemachten Anspruch m.E. möglich gewesen.
Verhalten beider Seiten unverständlich
3. Im Übrigen: Unverständlich ist mir das Verhalten beider Seiten. Ich kann nach den Beschlussgründen nicht nachvollziehen, warum die Bezirksrevisorin auf der Vorlage der Originalvollmacht beharrt hat. Man hat den Eindruck, dass die Vertreterin der Staatskasse es dem Verteidiger – aus welchen Gründen auch immer – mal zeigen wollte. Erreicht hat sie damit m.E. nichts, außer dass über den Antrag ggf. noch einmal entschieden werden muss. Denn in der Sache ist darüber ja nicht entschieden worden. Also: doppelte Arbeit. Aber auch das Verhalten des Verteidigers ist nicht nachvollziehbar. Denn das Bestehen auf einer rechtsmittelfähigen Entscheidung bringt ja nun kein Geld in die Kasse, sondern macht einen neuen Antrag erforderlich. Warum erspart man sich also die Arbeit nicht und erfüllt den Wunsch der Staatskasse, wenn auch zähneknirschend? Oder noch besser: Warum lässt man sich nicht den Kostenerstattungsanspruch des Mandanten abtreten – ggf. auch noch nachträglich? Dann braucht man nämlich keine Geldempfangsvollmacht (mehr), weil man ja dann als Verteidiger/Rechtsanwalt einen eigenen Anspruch geltend macht (vgl. dazu AG Hamburg-Harburg, Beschl. v. 25. 4.2023 – 664 Ds 4/22 jug).