Beitrag

Eigennützigkeit beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

1. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln erfordert ein eigennütziges Handeln, woran es fehlen kann, wenn es dem Handelnden nur darum geht, eine Drohung abzuwenden.

2. Eine ersatzweise Einziehung des Wertes von erworbenen Betäubungsmitteln gem. § 74c StGB ist ausgeschlossen, da dies voraussetzt, dass die Gegenstände dem Betroffenen gehören, dies für im Inland erworbene Betäubungsmittel aber ausscheidet, da dem Eigentumserwerb § 134 BGB entgegensteht.

(Leitsätze des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 12.9.20232 StR 199/23

I. Sachverhalt

Ziel: Drohung abwenden

Das LG hat den Angeklagten wegen vollendeten und versuchten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt und die Einziehung von „Wertersatz“ angeordnet. Der Angeklagte lernte über die M den I kennen. M und I waren liiert. Es kam zu einem Zerwürfnis zwischen M und I, wonach beide unter anderem um Geld stritten. I behauptete gegenüber dem Angeklagten, er habe wegen dessen Verhaltens Schwierigkeiten mit der türkischen Polizei gehabt und 18.000 EUR aufwenden müssen, um die Probleme zu lösen; der Angeklagte solle diesen Schaden ersetzen. Nach weiteren Drohungen erklärte der Angeklagte, dass er nur 8.000 EUR bezahlen werde, wenn die Angelegenheit damit erledigt sei. I erwiderte, dass er dies als Anzahlung akzeptieren werde. Bei der Geldübergabe erschien E, erklärte die Absicht, Cannabis in Kilomengen zu erwerben, und fragte den Angeklagten, ob dieser Kontakte zu Lieferanten habe. Der Angeklagte versprach, sich umzuhören. E gab dem Angeklagten das Geld zurück mit der Aufforderung, es zum Erwerb von Marihuana zu verwenden. I erklärte dem Angeklagten telefonisch, dass er an den Drogengeschäften beteiligt sei, und drohte abermals damit, dem Angeklagten erhebliche Schwierigkeiten zu bereiten, stellte aber in Aussicht, von seiner Forderung abzusehen, wenn der Angeklagte die Betäubungsmittel beschaffen werde. Deshalb entschloss sich der Angeklagte zu den abgeurteilten Taten. Hierbei ging es um den Erwerb von 3, 4 und 5 kg Marihuana sowie 150 gr Kokain, wobei es u.a. mehrheitlich wegen Qualitätsmängeln nicht zur Übergabe kam. Die Revision des Angeklagten war erfolgreich.

II. Entscheidung

Eigennützigkeit

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sei Handeltreiben mit Betäubungsmitteln jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (BGHSt 50, 252, 256 m.w.N. = NJW 2005, 3790). Eigennützig handele, wer von einem Streben nach Gewinn geleitet wird oder wer sich einen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder immateriell bessergestellt wird. Hieran könne es dann fehlen, wenn der Täter Betäubungsmittel zum Einstandspreis veräußert (BGH NStZ-RR 2023, 210 f.). Dasselbe könne auch der Fall sein, wenn es dem Handelnden nur darum geht, eine Drohung abzuwenden (BGH StV 2015, 632). Die Urteilsgründe ließen besorgen, dass das LG dies übersehen hat. Es sei davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Drogen erworben hat, um sie auf Geheiß von I gegen Erstattung des Kaufpreises an E weiterzugeben. Ein weitergehendes Interesse des Angeklagten an der Durchführung der Drogengeschäfte habe das LG nicht festgestellt. Allerdings komme für den Fall, dass sich eigennütziges Handeln nicht feststellen lässt, eine Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht.

Keine Einziehung des Wertersatzes

Das neue Tatgericht werde bezüglich einer Einziehungsentscheidung zu berücksichtigen haben, dass es sich bei den Betäubungsmitteln um Tatobjekte i.S.v. § 74 Abs. 2 StGB i.V.m. § 33 S. 1 BtMG handelt. Eine ersatzweise Einziehung ihres Wertes komme hier nicht in Betracht. Eine Einziehungsanordnung nach § 74c Abs. 1 StGB i.V.m. § 33 S. 1 BtMG erfordere nämlich, dass die Gegenstände dem Betroffenen gehören. Für im Inland erworbene Betäubungsmittel scheide dies aus, da dem Eigentumserwerb § 134 BGB entgegensteht (BGH, Beschl. v. 11.4. 2023 – 5 StR 537/22).

III. Bedeutung für die Praxis

Nichts Wesentliches zu ergänzen

1. Zu Leitsatz 1 liegt der Senat auf der Linie der Rechtsprechung. Der ohnehin recht weit verstandene Begriff des Handeltreibens erfordert das Vorliegen von Eigennützigkeit. Daran fehlt es, wenn nur gehandelt wird, um Drohungen oder Gewalt abzuwenden (BGH StV 2015, 632). Allenfalls hätte hier noch gefragt werden können, ob der Angeklagte nicht auch tätig wurde, um die Forderung des I abzuwehren und somit Aufwendungen zu ersparen. So kann die Tilgung von Schulden als Motiv Eigennützigkeit begründen (BGH NStZ-RR 2021, 141): Angesichts des diffusen Hintergrunds der Forderung des I (Schwierigkeiten mit der türkischen Polizei, daraus entstandenen „Kosten“) liegt dies indessen eher fern. Fehlt es an der Eigennützigkeit bei der Weitergabe von Betäubungsmitteln, kommt allenfalls der Tatbestand der Veräußerung von Betäubungsmitteln (uneigennützige Weitergabe gegen Entgelt) in Betracht, etwa bei Weitergabe zum Selbstkostenpreis oder der Abgabe (Übertragen der tatsächlichen Sachherrschaft ohne Rechtsgeschäft).

2. Die Aussage in Leitsatz 2 ist eine Fortführung von BGH NStZ 2020, 24; 2021, 557; NStZ-RR 2021, 79.

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…