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Einspruch gegen den Bußgeldbescheid durch elektronisches Dokument?

Die Einlegung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid unterliegt auch nach der Einführung der Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten nicht der Formvorschrift gemäß § 110c OWiG, § 32d S. 2 StPO.

(Leitsatz des Gerichts)

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 28.2.20231 Ss-OWi 1460/22
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.3.20232 ORbs 35 Ss 125/23

I. Sachverhalt

Einspruch nicht durch elektronisches Dokument

Gegen die Betroffenen ist durch Bußgeldbescheid eine Geldbuße wegen einer Verkehrs-OWi festgesetzt worden. Die Einsprüche dagegen sind nicht per elektronischem Dokument eingelegt worden. Die OLG haben sich mit der Frage, ob das ggf. erforderlich gewesen wäre, befasst und die Frage verneint.

II. Entscheidung

§ 110c OWiG; § 32d StPO gelten nicht für den OWi-Einspruch

Nach Auffassung der OLG haben die AG zu Recht die Formvorschrift der § 110c OWiG, § 32d S. 2 StPO als nicht einschlägig angesehen. Soweit ersichtlich, sei diese Frage obergerichtlich bislang noch nicht geklärt worden. Entgegen der Auffassung des AG hat die Betroffene mit dem an das Regierungspräsidium gerichteten Telefax ihres Verteidigers wirksam Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 22.6.2022 eingelegt. Die Vorschrift des § 32d S. 2 StPO, die im Bußgeldverfahren gemäß § 110c OWiG entsprechend gelte, finde auf die Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid keine Anwendung. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 18/9416, S. 50, 51) sehe § 32d S. 2 StPO eine Rechtspflicht zur elektronischen Einreichung von Dokumenten nur für bestimmte Verfahrenserklärungen vor, die aufgrund der Besonderheiten des Strafverfahrens auf die hier abschließend aufgeführten Erklärungen beschränkt werden soll. Da in den Gesetzesmaterialien zu § 110c OWiG auf diese Ausführungen verwiesen werde (BT-Drucks 18/9416, S. 76), seien diese Grundsätze auch für die Anordnung der entsprechenden Anwendung von § 32d StPO im Bußgeldverfahren zugrunde zu legen. Im Hinblick darauf, dass das Bußgeldverfahren Berufung, Privatklage und Nebenklage nicht kenne, können die in § 32d StPO abschließend aufgeführten Verfahrenserklärungen nur für den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, die Einlegung der Rechtsbeschwerde, ihre Begründung und die Gegenerklärung gelten, für die gemäß §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG die Vorschriften der StPO und des GVG über die Revision entsprechend gelten. Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid und die Einspruchsbegründung gehören demgegenüber der Sache nach weder vom Wortlaut noch von der systematischen Einordnung her zu den in § 32d S. 2 StPO abschließend aufgeführten Verfahrenserklärungen; vielmehr handele es sich um einen „Rechtsbehelf eigener Art“, der die Sache aus einem Verfahren bei der Verwaltungsbehörde in das gerichtliche Verfahren bringt (Göhler/Seitz/Bauer, in: OWiG, 18. Aufl. 2021, Vor § 67 Rn 1). Zudem sei die Begründung des Einspruchs – anders als bei der Rechtsbeschwerde – zur Vermeidung seiner Verwerfung nicht erforderlich. Vielmehr sei der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid in systematischer Hinsicht eher mit dem Einspruch gegen einen Strafbefehl vergleichbar, der in § 32d S. 2 StPO gerade keine Erwähnung finde. Dabei sei weiter zu bedenken, dass der Bußgeldbescheid von der Verwaltungsbehörde erlassen werde, den Strafbefehl aber ausschließlich das Gericht erlassen könne. Wenn man vor diesem Hintergrund in den Blick nehme, dass § 32d S. 2 StPO ausschließlich wesentliche Verfahrenshandlungen vor Gericht aufzähle und dabei den Einspruch gegen den (gerichtlichen) Strafbefehl auslässt, könne der Einspruch gegen den (verwaltungsbehördlichen) Bußgeldbescheid erst recht nicht unter diese Norm fallen (vgl.: van Endern, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 4, 2. Aufl., § 110c OWiG Rn 8.3; im Ergebnis zustimmend: BeckOK-OWiG/Gertler, 37. Ed. 1.1.2023, OWiG § 67 Rn 68; offen gelassen bei: Krenberger/Krumm, 7. Aufl. 2022, OWiG § 110c Rn 13).

III. Bedeutung für die Praxis

Sicher ist sicher

Auf der Grundlage ist die Einspruchseinlegung gegen einen Bußgeldbescheid auch nach der am 1.1.2022 erfolgten Einführung der Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten weiterhin per Telefax von dem Faxgerät des Betroffenen oder eines Rechtsanwalts möglich und wirksam (Göhler/Seitz/Bauer, a.a.O., § 67 Rn 21 m.w.N.; so auch AG Hameln VRR 4/2022, 26 = StRR 4/2022, 43; a.A. AG Tiergarten VRR 6/2022, 24 = StRR 7/2022, 35). Damit ist die streitige Frage dann – hoffentlich – endgültig entschieden; immerhin liegen zwei OLG-Entscheidungen vor. Als Rechtsanwalt/Verteidiger sollte man aber dennoch den sichersten Weg gehen und den Einspruch nach Möglichkeit immer per elektronischem Dokument einlegen und eben nicht per Fax oder einfachem Brief.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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