Beitrag

Anforderungen an eine „beA-Ersatzeinreichung“

Zu den Anforderungen an eine Ersatzeinreichung nach § 32d S. 4 StPO.

(Leitsatz des Gerichts)

KG, Beschl. v. 17.10.2022(3) 121 Ss 105/22 (42/22)

I. Sachverhalt

Revision eingelegt

Das AG hat den Angeklagten am 11.8.2021 wegen des Einschleusens von Ausländern zu einer Geldstrafe verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das LG mit Urteil vom 12.5.2022 verworfen. Am 18.5.2022 hat der Verteidiger per beA gegen das Urteil des LG Revision eingelegt.

Revisionsbegründung per Fax wegen PC-Problemen

Nachdem dem Verteidiger am 31.5.2022 die schriftlichen Urteilsgründe zugestellt worden sind, hat er mit Schriftsatz vom 30.6.2022, beim LG eingegangen per Fax am 30.6.2022 um 21:45 Uhr „wegen beA-Problem“, die Revision begründet und die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Der Verteidiger hat mit weiterem Schriftsatz vom 12.7.2022 über das beA „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zum 30.6.2022“ beantragt und den Schriftsatz mit der Revisionsbegründung vom 30.6.2022 mitübersandt.

Zur – anwaltlich versicherten – Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags führt er u.a. aus, am 30.6.2022 habe er keine Versendung per beA vornehmen können. Morgens sei der PC „heißgefahren“ und habe „Geräusche von sich“ gegeben. Der PC sei dann vom Strom getrennt worden. Vormittags sei ein PC-Notdienst eingeschaltet worden, der das Gerät abgeholt habe. Ein Ersatzteil habe bestellt werden müssen, das angeblich noch am selben Tag hätte kommen sollen, jedoch erst am 1.7.2022 eingetroffen sei. Der PC-Notdienst habe lediglich die Kurzdiagnose abgegeben, dass die Festplatte beschädigt sei, so habe er – der Verteidiger – das Gerät am frühen Nachmittag des 1.7.2022 wieder abgeholt und einen Bekannten, der Programmierer ist, gebeten, „sich der Sache anzunehmen“. Er habe sich noch am 1.7.2022 abends mit diesem getroffen und bei Amazon ein sog. M2-Gehäuse bestellt, um die Festplatte gesondert prüfen zu können. Dieses sei am 2.7.2022 angekommen und er habe noch am selben Tag eine „MAC-Ausstattung“ gekauft. Gegen 3:30 Uhr in der Nacht hätten sie dann „die Festplatte auf eine Windows-Ebene innerhalb des Macs installieren und auch die Neuinstallation des [besonderen elektronischen Anwaltspostfachs] abschließen“ können. Das beA habe er jedoch nicht verwenden können, da der Windows-Scanner Samsung C1860SW mit dem Mac-Programm nicht kompatibel gewesen sei und ein neuer Scanner „am gleichen Freitag, den 8.7.2022“ habe installiert werden müssen. Erst dann sei ihm eine Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach wieder möglich gewesen.

Das KG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Revision als unzulässig verworfen.

II. Entscheidung

Revisionsbegründung formunwirksam

Gemessen an den von der Rechtsprechung zum seit 1.1.2022 geltenden „beA-Erfordernis“ aufgestellten Maßstäben (vgl. BGH, Beschl. v. 24.5.2022 – 2 StR 110/22 und 20.4.2022 – 3 StR 86/22; KG, Beschl. v. 5.7.2022 – 3 Ws (B) 178/22, 22.6.2022 – 3 Ws (B) 123/22, 11.5.2022 – 3 Ws (B) 88/22 und 6.5.2022 – 3 Ws (B) 117/22; OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.2.2022 – 1 Ss 28/22; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 32d Rn 2; vgl. auch BT-Drucks 18/9416, S. 51) sei die am 30.6.2022 per Fax und nicht über das beA übermittelte Revisionsbegründung formunwirksam.

Voraussetzungen einer wirksamen Ersatzeinreichung

Eine Befreiung von dem Formerfordernis, den der Ausnahmefall nach § 32d S. 2 StPO vorsieht, sei – so das KG – nicht durch die Ersatzeinreichung eingetreten, da weder der knappe Hinweis auf ein Problem mit dem beA bei der Ersatzeinreichung am 30.6.2022 noch der weitere anwaltliche Vortrag vom 12.7.2022 die Voraussetzungen einer wirksamen Ersatzeinreichung nach § 32d S. 3 und 4 StPO erfüllen. Danach habe der Verteidiger a) unter Hinweis auf eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur eine vorübergehende technische Störung, die eine elektronische Übermittlung mittels beA unmöglich gemacht hat, vorzutragen, b) die Tatsachen glaubhaft zu machen und c) diesen glaubhaft gemachten Sachverhalt zeitgleich mit der Ersatzeinreichung vorzubringen. Sei der Verteidiger verhindert gewesen, die zeitliche Vorgabe zu erfüllen, etwa weil er erst kurz vor Fristablauf festgestellt habe, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich sei, müsse er unverzüglich danach den erforderlichen Vortrag einschließlich der Umstände seiner Verhinderung, die ebenfalls glaubhaft zu machen seien, dem Gericht mitteilen (vgl. BT-Drucks 18/9416, S. 51). Unverzüglich bedeute dabei ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB (vgl. Bosbach, in: Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 5. Aufl., § 32d StPO Rn 4; BT-Drucks 18/9416, S. 51). Nicht erforderlich sei – schon ausweislich des insoweit eindeutigen Wortlauts von § 32d StPO und insbesondere von S. 2 und S. 4 a.E. („auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen“) und vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Ausnahmeregelung –, dass dies selbst in der Form nach §§ 32d S. 2, 32a StPO zu geschehen habe (vgl. zu den Anforderungen an einen entsprechenden Vortrag auch LG Arnsberg NStZ 2022, 639). Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, sei die Übermittlung der in § 32d S. 2 StPO genannten Prozesshandlungen in Papierform oder durch Telefax ausnahmsweise zulässig und form- und fristwahrend (vgl. BGH, Beschl. v. 30.8.2022 – 4 StR 104/22).

Verhalten des Verteidigers genügt hier nicht

Diesen Anforderungen genüge das Verhalten des Verteidigers, der ersichtlich diese Ausnahmevorschrift zur Fristwahrung in Anspruch nehmen wollte, nicht. Denn der per Fax am Tag des Fristablaufs übersandte Schriftsatz vom 30.6.2022 enthalte weder einen Tatsachenvortrag zu der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung noch eine entsprechende Glaubhaftmachung. Auch der Schriftsatz vom 12.7.2022 erfüllt nicht einmal ansatzweise die o.g. Voraussetzungen. Offen bleibt bereits, warum es dem Verteidiger, dessen Faxgerät nach seinem Vortrag nicht beeinträchtigt gewesen sei, nicht möglich gewesen sei, zugleich mit der um 21:45 Uhr bei Gericht eingegangen Ersatzeinreichung entsprechend vorzutragen. Der Vortrag im Schriftsatz vom 12.7.2022 befasse sich – bereits im Ansatz unzutreffend – lediglich mit der geschichtlichen Schilderung der Beseitigung der technischen Störung und deren Glaubhaftmachung. Es fehle das Vorbringen, warum es ihm nicht möglich gewesen ist, noch vor dem 12.7.2022 zur vorübergehenden technischen Unmöglichkeit vorzutragen. Offen bleibe auch, ob es in der Kanzlei neben dem defekten PC nicht noch – etwa im Sekretariat – ein oder mehrere funktionstüchtige weitere Geräte gegeben habe. Dass grundsätzlich eine entsprechende technische Infrastruktur vorgehalten worden sei, ergebe sich aus den Ausführungen zudem nur ansatzweise und mittelbar.

III. Bedeutung für die Praxis

Hürden liegen hoch

Eine weitere (obergerichtliche) Entscheidung, die die Hürden für eine erfolgreiche Ersatzeinreichung hoch legt. Was man in vergleichbaren Fällen lesen möchte, formuliert das KG sehr genau: alles, was für die Frage von Bedeutung ist, warum nicht rechtzeitig mit dem beA übersandt werden konnte (vgl. dazu auch die vom KG angeführten BGH-Entscheidungen).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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