Beitrag

Einspruch gegen Bußgeldbescheid per beA?

Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach § 67 OWiG muss auch nach dem 1.1.2022 nicht per elektronischem Dokument eingelegt werden.

(Leitsatz des Verfassers)

AG Hameln, Beschl. v. 14.2.2022 – 49 OWi 23/22

I. Sachverhalt

Dem Betroffenen wurde am 4.1.2022 ein Bußgeldbescheid zugestellt. Dagegen hat der Verteidiger am selben Tag mit einem Telefax Einspruch eingelegt. Die Verwaltungsbehörde hat den Einspruch mit der Begründung als unzulässig verworfen, die Einspruchseinlegung müsse seit dem 1.1.2022 durch Übermittlung per elektronischem Dokument erfolgen. Der dagegen gerichtet Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung hatte Erfolg.

II. Entscheidung

Nach Auffassung des AG widerspricht die Einspruchseinlegung gegen den Bußgeldbescheid durch ein Telefax nicht der gesetzlichen Form, insbesondere nicht der nach § 110c S. 1 OWiG i.V.m. § 32d S. 2 StPO vorgeschrieben Übermittlung per elektronischem Dokument. Gem. § 32d S. 2 StPO müssten Verteidiger und Rechtsanwälte „die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage“ als elektronisches Dokument übermitteln. § 110c S. 1 OWiG erkläre diese Vorschrift für das Bußgeldverfahren entsprechend anwendbar, wobei der genaue Umfang noch ungeklärt sei. In der Literatur würde mit Hinweis auf die vom Gesetzgeber intendierte strenge Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs teilweise die Auffassung vertreten, dass sich die Anwendung des § 32d S. 2 StPO im Bußgeldverfahren auch auf den Einspruch und seine Begründung erstrecke, bei denen es – wie hier im Falle der Einspruchseinlegung – ausgeschlossen sei, dass sie in einer besonders eilbedürftigen Situation, in der zudem die für eine elektronische Kommunikation erforderliche Infrastruktur fehlen könne, abzugeben seien (BT-Drucks 18/9416, 50 f.).

Dem folgt das AG nicht. § 32d S. 2 StPO beinhalte eine abschließende Aufzählung von zwingend formbedürftigen Verfahrenshandlungen, die den „Einspruch und die Einspruchsbegründung“ ausdrücklich auslassen und damit insoweit auch keine zwingende Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs vorsehen. Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach § 67 OWiG entspreche in der StPO dem Einspruch gegen den Strafbefehl nach § 410 StPO, der jedoch in § 32d S. 2 StPO nicht genannt sei. Vielmehr würden dort lediglich (bestimmte) Rechtsmittel aus dem 3. Buch sowie (bestimmte) Beteiligungsrechte aus dem 5. Buch der StPO genannt. Die der Berufung bzw. Revision entsprechenden Rechtsmittel im Ordnungswidrigkeitengesetz seien jedoch im fünften Abschnitt unter III. aufgeführt, erfasst würden lediglich die Rechtsbeschwerde und deren Zulassung (§§ 79, 80 OWiG), nicht hingegen der Einspruch aus § 67 OWiG, der im separaten Unterabschnitt „I. Einspruch“ stehe und zudem einen Rechtsbefehl „eigener Art“ darstelle (vgl. Göhler, OWiG, 18. Aufl. 2021, Vorbem. zu § 67 OWiG Rn 1).

Die vom AG vertretene Auslegung widerspreche auch nicht der Intention des Gesetzgebers, durch zwingend vorgeschriebene Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs einen Medienwechsel herbeiführen zu wollen (BT-Drucks 18/9416, 1). Der Gesetzgeber habe von vornherein die Möglichkeit der obligatorisch elektronisch vorzunehmenden Verfahrenshandlungen in § 32d S. 2 StPO ausdrücklich auf lediglich einzelne ausgewählte schriftliche Erklärungen beschränkt, obwohl auch andere schriftliche Erklärungen denkbar wären, in denen eine besonders eilbedürftige Situation auszuschließen sei, wie beispielsweise der zweiwöchig mögliche Einspruch gegen einen Strafbefehl (§ 410 Abs. StPO). Dem Gesetzgeber bleibe unbenommen, weitere schriftliche Erklärungen der zwingenden elektronischen Form zu unterwerfen oder die Vorschrift des § 110c OWiG derart zu konkretisieren, dass sie sich auf die Einspruchseinlegung gemäß § 67 OWiG erstrecke.

III. Bedeutung für die Praxis

1. In der Literatur sind z.B. Krenberger/Krumm, 6. Aufl. 2020, OWiG § 110c Rn 13, BeckOK-StVR/Krenberger, 13. Ed. 15.10.2021, OWiG, § 110c Rn 13 anderer Auffassung als das AG Hameln. M.E. ist aber die Ansicht des AG mit dem Verweis auf den Einspruch gegen den Strafbefehl, der ebenfalls in § 32d S. 2 StPO nicht genannt ist, überzeugend. Beides sind Rechtsbehelfe besonderer Art und keine Rechtsmittel i.e.S., so dass die Analogie naheliegt.

2. Aber: Solange diese Frage in der Rechtsprechung nicht abschließend, ggf. durch die Obergerichte geklärt ist, sollten Verteidiger Einsprüche gegen den Bußgeldbescheid nicht mehr nur per Telefax einlegen, sondern den sicheren Weg gehen und das beA nutzen. Das dürfte sich schon aus haftungsrechtlichen Gründen empfehlen. Wird ggf. doch noch der Einspruch per Telefax eingelegt, muss, wenn er dann verworfen wird, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden, da dieser „Fehler“ dann ein dem Betroffenen nicht zurechenbares Anwaltsverschulden darstellt. Der Verteidiger darf aber in dem Fall nicht übersehen, dass die versäumte Handlung in der richtigen Form nachgeholt werden muss. Das wäre dann – aus Sicht des verwerfenden AG – die Einspruchseinlegung in elektronischer Form.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…