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Terminsgebühr im Auslieferungsverfahren

Für die Teilnahme des Beistands des Verfolgten im Rahmen des Auslieferungsverfahrens an einem Termin zur Vernehmung/Anhörung des Verfolgten vor dem AG nach den §§ 21, 22 oder 28 IRG fällt keine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV RVG an (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, s. Beschl. v. 14.5.2007 – 2 Ws 122/07). (Leitsatz des Gerichts)

OLG Jena, Beschl. v. 11.3.2021 – Ausl AR 55/20In pp.

I. Sachverhalt

Dem Verfolgten ist im Auslieferungsverfahren der Rechtsanwalt als Rechtsbeistand bestellt worden. Dieser hat an zwei Anhörungsterminen nach § 28 IRG vor dem AG teilgenommen. Für seine Teilnahme an den Terminen hat der Rechtsanwalt auch die Terminsgebühren nach Nr. 6102 VV RVG geltend gemacht. Die Rechtspflegerin hat diese festgesetzt. Dagegen hat der Bezirksrevisor – unter Hinweis auf die dahingehende Rechtsprechung der Mehrzahl der OLG – Erinnerung eingelegt und geltend gemacht, dass für die Teilnahme des Rechtsbeistands an den Anhörungsterminen gemäß §§ 21, 22 und 28 IRG keine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV RVG anfalle, und angeregt, die vom OLG im Beschluss vom 14.5.2007 (1 Ws 122/07) noch vertretene gegenteilige Rechtsaufassung unter dem Eindruck der Entwicklung der obergerichtlichen Rechtsprechung zu überprüfen. Die Erinnerung hatte beim OLG Erfolg.

II. Entscheidung

Das OLG hat den Vergütungsfestsetzungsbeschlusses der Rechtspflegerin geändert, weil für die Teilnahme des beigeordneten Rechtsbeistands an den amtsgerichtlichen Anhörungsterminen im Auslieferungsverfahren (§§ 21, 22, 28 IRG) keine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV RVG anfalle. An der mit Beschluss vom 14.5.2007 (1 Ws 122/07, veröffentlicht u.a. in RVGreport 2008, 110 = RVGprofessionell 2008, 25 = JurBüro 2008, 82 = NStZ-RR 2008, 63) vertretenen gegenteiligen Auffassung halte man nach nochmaliger Überprüfung in der aktuellen Besetzung nicht mehr fest und schließe sich der in der Rechtsprechung der OLG (vgl. die Nachweise unten) ganz vorherrschenden und überzeugend begründeten Auffassung an, dass mit der Teilnahme des Beistands des Verfolgten im Rahmen des Auslieferungsverfahrens an einem Termin zur Vernehmung vor dem AG nach §§ 21, 22 und/oder 28 IRG keine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV RVG entstehe und dass Letztere – wie insbesondere aus der Formulierung „Terminsgebühr je Verhandlungstag“ zu schlussfolgern sei – nur für die Teilnahme an mündlichen Verhandlungen vor dem OLG vorgesehen sei. Auf die Gründe der genannten Entscheidungen, denen man nichts (Neues) hinzuzufügen habe, werde umfassend Bezug genommen.

Das Nichtentstehen der Terminsgebühr führe im Ergebnis auch zu keiner unbilligen Härte, denn einem besonderen (außergewöhnlichen) Aufwand des Rechtsanwalts im Sinne einer besonders schwierigen oder umfangreichen Tätigkeit könne in begründeten Einzelfällen ggf. im Rahmen der Festsetzung einer Pauschgebühr (§§ 51, 42 RVG) Rechnung getragen werden.

III. Bedeutung für die Praxis

1. So weit ersichtlich war das OLG Jena das einzige und damit auch das letzte OLG, das der Auffassung gewesen ist, dass für die Teilnahme des Rechtsanwalts an Terminen vor dem AG nach den §§ 21, 22 IR die Terminsgebühr Nr. 6102 VV RVG (früher: Nr. 6101 VV RVG) entsteht. Diese Bastion ist dann jetzt auch gefallen. M.E. allerdings mit einer schwachen Begründung. Die Begründung: „ganz vorherrschenden und überzeugend begründeten Auffassung“ der anderen OLG – was soll das sein und warum? Da hätte man ja zumindest mal einen eigenen Gedanken zu Papier bringen können. Das Argument: Das machen alle so (falsch), wir daher auch, ist keins, zumindest kein gutes. Warum diese Auffassung falsch ist, hat Volpert, in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Nr. 6102 VV Rn 6 überzeugend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Die abweichenden Argumente der OLG findet man in den dazu vorliegenden Entscheidung, wie z.B. OLG Bremen RVGreport 2019, 104 = NStZ-RR 2018, 392 = JurBüro 2018, 631; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2021, 122; OLG Hamburg, Beschl. v. 16.2.2021 – Ausl 35/20; OLG Hamm RVGreport 2017, 52; OLG Köln AGS 2018, 176).

2. Der Hinweis des OLG: „Das Nichtentstehen der Terminsgebühr führt im Ergebnis auch zu keiner unbilligen Härte …“ liegt m.E. neben der Sache. Denn was haben an der Stelle Billigkeitsüberlegungen zu suchen? Für die Frage des Entstehens einer Gebühr kommt es doch nicht auf die „Billigkeit“ an. Zudem ist der Hinweis auf die §§ 51, 42 RVG nur ein Scheinargument und Augenwischerei. Wir wissen doch alle, wie restriktiv die Rechtsprechung mit der Pauschgebühr umgeht. Und das bedeutet: Wenn der Beistand eine Pauschgebühr geltend macht, wird man ihm im Zweifel entgegenhalten: Die (niedrigen) Gebühren sind nicht unzumutbar, sie sind noch nicht niedrig genug.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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