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Subventionsbetrug beim Antrag auf „Corona-Soforthilfe“

1. Für die nach § 264 Abs. 9 Nr. 1 Var. 2 StGB erforderliche hinreichend konkrete Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen reichen pauschale oder lediglich formelhafte Bezeichnungen nicht aus.

2. Einer wirksamen Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen durch den Subventionsgeber steht nicht entgegen, dass diese ausschließlich in einer vom Subventionsempfänger anzukreuzenden Wissenserklärung aufgeführt werden.

3. Der Hinweis, dass „alle Angaben subventionserheblich“ sind, sorgt bei dem Subventionsnehmer für die nötige Klarheit über die subventionserheblichen Tatsachen. (Leitsätze des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 4.5.2021 – 6 StR 137/21

I. Sachverhalt

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Subventionsbetruges verurteilt. Der Angeklagte beantragte im Zeitraum vom 29.3. bis 1.5. 2020 in vier Bundesländern in insgesamt sieben Fällen für seine tatsächlich nicht existierenden Kleingewerbe sogenannte Corona-Hilfen aus den Soforthilfeprogrammen des Bundes („Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“) und der Bundesländer. In drei Fällen nutzte er fremde Personendaten. Die beantragten Gelder kamen in vier Fällen zur Auszahlung; insgesamt erlangte der Angeklagte auf diese Weise 50.000 EUR. Seine Revision blieb erfolglos.

II. Entscheidung

Nicht zu beanstanden sei die Annahme des LG, der Angeklagte habe in seinen Anträgen gem. § 264 Abs. 1 S. 1 StGB gegenüber den zuständigen Behörden oder eingeschalteten Stellen oder Personen (Subventionsgeber) für ihn vorteilhafte unrichtige Angaben über aufgrund eines Gesetzes vom Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnete Tatsachen (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 Variante 2 StGB) gemacht. Sinn und Zweck des Merkmals der Subventionserheblichkeit sei es, angesichts der zahlreichen Normativbegriffe des Subventionsrechts sicherzustellen, dass sowohl die Vergabevoraussetzungen für den Subventionsempfänger als auch etwaige Täuschungshandlungen für den Subventionsgeber und die Strafverfolgungsorgane möglichst klar erkennbar sind (BGH NStZ-RR 2019, 147 m.w.N.). § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB setze voraus, dass die Tatsachen durch ein Gesetz oder durch den Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes ausdrücklich als subventionserheblich bezeichnet werden. Da die „Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020“ und die zur Umsetzung erlassenen Richtlinien der Länder keine Gesetze im formellen oder materiellen Sinne sind und Haushaltsgesetze jedenfalls keine ausdrückliche Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen enthalten, kommt nur deren Bezeichnung durch den jeweiligen Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes – hier § 2 SubvG i.V.m. den Subventionsgesetzen der Länder (BGH a.a.O.) – in Betracht. Pauschale oder lediglich formelhafte Bezeichnungen reichen dabei nicht aus; vielmehr muss die Subventionserheblichkeit klar und unmissverständlich auf den konkreten Fall bezogen dargelegt werden (BGHSt 59, 244 = NJW 2014, 3114, 3115; BGHSt 44, 233, 238 = NJW 1999, 1196). Diesen Anforderungen hätten die vom Angeklagten ausgefüllten Antragsformulare genügt.

Das bei der ersten Tat genutzte niedersächsische Antragsformular („Version 1“) bezeichne unter Ziffer 4 die subventionserheblichen Tatsachen ausdrücklich, namentlich die Angaben zum Antragsteller, zum Unternehmen und zum Förderbedarf. Das für die letzte Tat verwendete sächsische Formular kennzeichne dieselben jeweils durch einen erläuternden Zusatz.

Auch in dem in zwei Fällen verwendeten nordrhein-westfälischen und auch in dem bei einer Tat benutzten baden-württembergischen Antragsformularen würden die subventionserheblichen Tatsachen in der gebotenen Eindeutigkeit bezeichnet. Zwar würden sie nicht einzeln als solche benannt; der Antragsteller müsse aber „durch ein zu setzendes Kreuz seine Kenntnis bestätigen, dass es sich ‚bei den Angaben unter Ziff. … um subventionserhebliche Tatsachen handelt‘“. Abgefragt würden unter den aufgezählten Ziffern auch hier Angaben zu seinen Personalien, Art und Beschäftigtenzahl des Unternehmens sowie dessen Förderbedarf. Die Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen erfordere keine wörtliche Wiederholung, sondern könne sich auch aus einer präzisen Verweisung ergeben. Da nur einige und zudem fast ausschließlich erhebliche Tatsachen abgefragt werden, werde die umfangreiche Verweisung nicht zu einem grundsätzlich unzulässigen pauschalen oder lediglich formelhaften Hinweis, zumal sie sich nur auf im Antragsformular selbst enthaltene Angaben bezieht (so auch LG Hamburg NJW 2021, 707, 710 m. Anm. Habetha = StRR 3/2021, 24 [DeutscherRau/Sleiman, NZWiSt 2020, 373, 375; Burgert, StraFo 2020, 181, 185). Einer wirksamen Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen durch den Subventionsgeber stehe auch nicht entgegen, dass diese ausschließlich in einer vom Subventionsempfänger anzukreuzenden Wissenserklärung aufgeführt werden. Dies führe nicht dazu, dass der Subventionsnehmer selbst über die Subventionserheblichkeit der Tatsache entscheidet (a.A. Schmuck/Hecken/Tümmler, NJOZ 2020, 673, 676 f.). Vielmehr handele es sich um eine nach Sinn und Zweck zulässige Gestaltungsmöglichkeit, welche die Kenntnisnahme des Subventionsnehmers nachweist.

Auch das in zwei weiteren Fällen verwendete geänderte niedersächsische Formular („Version 2“), in dem es heißt, dass „alle in diesem Antrag (inklusive dieser Erklärung) anzugebenden Tatsachen subventionserheblich im Sinne von § 264 StGB sind“, genüge in den hier zu entscheidenden Fallkonstellationen den Anforderungen des § 264 Abs. 9 Nr. 1 Variante 2 StGB (a.A. LG Hamburg NJW 2021, 707, 710 m. Anm. Habetha = StRR 3/2021, 24 [DeutscherSchmuck/Hecken/Tümmler, NJOZ 2020, 673, 675; Rau/Sleiman, NZWiSt 2020, 373, 375). Das Formular verlange wie diejenigen anderer Bundesländer auf knapp vier Seiten die bereits genannten Angaben. Der Hinweis, dass „alle Angaben subventionserheblich“ sind, sorge bei dem Subventionsnehmer für die nötige Klarheit über die subventionserheblichen Tatsachen. Sein Augenmerk werde hinreichend präzise auf die Bedeutung aller abgefragten Angaben gelenkt. Abweichend von den in der Rechtsprechung bisher entschiedenen Konstellationen unzulässiger pauschaler und lediglich formelhafter Verweisungen, bei denen in der Regel lediglich der Wortlaut von § 264 Abs. 9 StGB oder § 2 SubvG wiederholt (BGHSt 44, 233, 238 = NJW 1999, 1196); OLG Jena StV 2007, 417; LG Magdeburg wistra 2005, 155; LG Düsseldorf NStZ 1981, 223) oder auf den Antrag nebst umfangreichen Anlagen, Gesprächsprotokolle, Finanzierungspläne und Bewilligungsbescheide Bezug genommen wurde (BGH NStZ-RR 2019, 147, 149), bleibe es hier nicht dem Antragsteller bzw. Subventionsnehmer überlassen, sich Klarheit über die maßgebenden Tatsachen und Angaben zu verschaffen.

III. Bedeutung für die Praxis

Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich der BGH mit der Strafbarkeit der unberechtigten Beantragung von „Corona-Soforthilfen“ zu befassen hatte und dabei insbesondere mit der Beurteilung der „subventionserheblichen Tatsachen“ im Rahmen des Subventionsbetrugs gem. § 264 StGB. Übereinstimmend mit dem LG Hamburg a.a.O. zieht der BGH die Grenzen dieses Merkmals recht weit, solange es sich nicht um lediglich pauschale oder formelhafte Bezeichnungen handelt und das Augenmerk des Antragsstellers hinreichend präzise auf die Bedeutung aller abgefragten Angaben gelenkt wird. Weiter als das LG Hamburg sieht der BGH das auch bei einer Formulierung als gegeben an, dass „alle in diesem Antrag (inklusive dieser Erklärung) anzugebenden Tatsachen subventionserheblich im Sinne von § 264 StGB“ sind. Das ist angesichts der Vorverlagerung der Strafbarkeit gegenüber § 263 StGB nicht unproblematisch (auch in Abgrenzung zu BGH NStZ-RR 2019, 147). Letztlich nachvollziehbar ist die Haltung des BGH angesichts des nicht unerheblichen Umfangs, in dem die Möglichkeit von Corona-Soforthilfen betrügerisch beantragt und bezogen worden sind. Unausgesprochen ist die generalpräventive Absicht des Senats erkennbar, der die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles nach § 264 Abs. 2 StGB durch das LG angesichts der Ausnutzung des Soforthilfeverfahrens gebilligt hat. Auch hat er die angesichts eines tatsächlich eingetretenen Schadens von 50.000 EUR recht hohe Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten nicht moniert.

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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