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Anforderungen an den Nachweis einer Vollmacht

Zur Frage, welche Anforderungen an den Nachweis einer Verteidigervollmacht zu stellen sind. (Leitsatz des Verfassers)

VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 28.1.2021 – VGH B 71/20

I. Sachverhalt

Dem Betroffenen ist eine Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt worden. Dazu ist der Betroffene im Oktober 2019 angehört worden. Sein Verteidiger wandte sich im November 2019 mit einem Schreiben an die Verwaltungsbehörde. In diesem hat er in der Betreffzeile das Aktenzeichen und den Namen des Beschwerdeführers angegeben, im Fließtext allerdings die Vertretung einer näher bezeichneten Firma angezeigt. Einige Tage später legte der Verteidiger – nunmehr ausschließlich namens des Betroffenen – Einspruch gegen den zwischenzeitlich zugestellten Bußgeldbescheid ein und beantragte Akteneinsicht. Diesem Antrag wurde stattgegeben. Nach Abgabe des Verfahrens an das AG bestimmte dieses Termin zur Hauptverhandlung zunächst auf Mitte April 2020, verlegte diesen sodann auf Juni 2020 und dann noch einmal auf Anfang August 2020. Auf Antrag des Verteidigers ist der Betroffene gem. § 73 Abs. 2 OWiG von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden worden.

Im Juni 2020 hat das AG den Verteidiger darauf hingewiesen, dass der Einspruch aus November 2019 nach vorläufiger Einschätzung nicht wirksam eingelegt worden sei. Es sei trotz wiederholter Aufforderung keine Verteidigervollmacht vorgelegt worden. Daraufhin reichte der Verteidiger eine auf den 30.5.2020 datierte und unterschriebene Vollmachtsurkunde zu den Gerichtsakten. Das AG hat den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid durch Beschluss als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass das Einspruchsschreiben des Verteidigers zwar grundsätzlich fristwahrend bei der zuständigen Bußgeldbehörde eingegangen sei. Es genüge jedoch nicht den Anforderungen an einen wirksamen Einspruch. Hierfür sei erforderlich, dass die Vollmacht bereits zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels erteilt worden und dies auch nachgewiesen sei. Daran fehle es. Die am 27.6.2020 eingereichte Vollmacht sei ersichtlich erst am 30.5.2020 unterzeichnet worden. Dieser Zeitpunkt liege jedoch deutlich nach dem Zeitpunkt der Einspruchseinlegung. Das LG hat die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Betroffenen verworfen. Die Verfassungsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.

II. Entscheidung

Nach Auffassung des VerfGH verletzen die Entscheidungen des AG und des LG den Betroffenen in seinem Recht auf ein faires Verfahren in Verbindung mit der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. Aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 124 der LV Rheinland-Pfalz als einer prozessrechtlichen Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips folge das Verbot, den Zugang zu den Gerichten in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Dem Richter sei es insbesondere verwehrt, durch übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften den Anspruch auf die gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar zu verkürzen.

Hier haben AG und LG die Anforderungen an den Nachweis einer Vollmacht überspannt. Werde der Einspruch im Bußgeldverfahren durch einen Rechtsanwalt eingelegt, spreche – auch vor dem Hintergrund seiner Stellung als Organ der Rechtspflege – in der Regel eine Vermutung dafür, dass er hierzu bevollmächtigt sei. Der Vorlage einer Vollmachtsurkunde bedürfe es – von gesetzlich angeordneten Ausnahmen (vgl. etwa § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG) abgesehen – grundsätzlich nicht. Eine andere Beurteilung lasse sich allenfalls bei dem Vorliegen konkreter, gegen eine Bevollmächtigung sprechender Anhaltspunkte rechtfertigen. Davon sei vorliegend aber nicht auszugehen. Zwar enthalte der erste Schriftsatz des Verteidigers den Hinweis auf die Vertretung einer anderen Firma. Unter Berücksichtigung seiner nachfolgenden Schriftsätze und Anträge, in denen stets das korrekte Aktenzeichen sowie der Name des Betroffenen angegeben worden seien, handele es sich aber offensichtlich um ein Schreibversehen.

Ungeachtet dessen habe der Betroffene/Verteidiger mit der späteren Vorlage der Vollmachtsurkunde aber auch das Bestehen einer Bevollmächtigung nachgewiesen. Offenkundig unzutreffend sei in diesem Zusammenhang die von AG und LG vertretene Auffassung, durch die Vorlage einer nach Ablauf der Einspruchsfrist unterschriebenen Vollmachtsurkunde könne der Nachweis einer Bevollmächtigung im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung nicht geführt werden. Da eine Vollmacht zur Einlegung eines Einspruchs nach allgemeiner Auffassung nicht schriftlich erteilt werden müsse, verkürze es den Rechtsschutz des Betroffenen unangemessen, allein aus einer zu einem späteren Zeitpunkt unterschriebenen Vollmachtsurkunde auf die fehlende Bevollmächtigung im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung zu schließen (vgl. schon RGSt 46, 372; Ellbogen, in: KK-OWiG, 5. Aufl. 2018, § 67 Rn 19; Krenberger/Krumm, OWiG, 6. Aufl. 2020, § 67 Rn 13 mit Fn 10; Gertler, in: Graf [Hrsg.], BeckOK-OWiG, § 67 Rn 24 [Oktober 2020]). Vorliegend erfolgte lediglich der Nachweis der Vollmachtserteilung nach Ablauf der Einspruchsfrist; allein hieraus auf das Nichtbestehen der Vollmacht zu schließen, verkürze die Rechte des Betroffenen unangemessen (vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 17.1.2005 – 2 Ws 7/05 zur Berufungsfrist). Vielmehr habe sich das Bestehen einer Vollmacht im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung für das AG geradezu aufdrängen müssen. Es fehle insbesondere eine nachvollziehbare Erklärung für die (implizite) Annahme des AG, der Beschwerdeführer habe eine Vollmacht erst mit Wirkung vom 30.5.2020 an und damit ex nunc erteilen wollen. Eine solche Auslegung zulasten des Betroffenen liegt nicht nahe, denn eine Vollmachtserteilung nach Ablauf der Einspruchsfrist löste im Verhältnis zwischen Mandant und Anwalt zwar Kosten aus, wäre zu diesem Zeitpunkt in der Sache aber nutzlos. Zudem lasse sich ein solches Verständnis auch nicht mit den Rechtsgrundsätzen zur Vollmachtserteilung in Einklang bringen. Wenn eine Vollmacht zur Einlegung eines Einspruchs – nach allgemeiner Auffassung – nicht schriftlich erteilt werden muss, muss auch keine auf den Zeitpunkt der Einspruchseinlegung datierte Vollmachtsurkunde vorliegen.

III. Bedeutung für die Praxis

1. Bei solchen Entscheidung frage ich mich immer, warum man dafür eigentlich ein Verfassungsgericht braucht. Aber jedes Ding hat zwei Seiten. Und positiv für die Praxis ist es, dass mal wieder ein Verfassungsgericht zu den Vollmachtsfragen Stellung genommen hat und sich klar positioniert mit dem Satz: „Der Vorlage einer Vollmachtsurkunde bedarf es – von gesetzlich angeordneten Ausnahmen (vgl. etwa § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG) abgesehen – grundsätzlich nicht.“ Warum es um die Fragen, wie man aus der Praxis hört, immer wieder Streit gibt, erschließt sich mir nicht. Sie sollten an sich geklärt sein (vgl. zur Vollmacht eingehend Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., 2021; Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl. 2019, Rn 4677 und Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. 2019, Rn 3557). Jetzt sind sie es dann hoffentlich auch beim AG Linz und beim LG Koblenz.

2. Ein Umstand ist noch bemerkenswert: Das AG hat nach dem Einspruch des Betroffenen und Abgabe der Akten an das AG Termin zur Hauptverhandlung bestimmt und dann auch noch den Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden (§ 73 Abs. 2 OWiG). Man fragt sich insbesondere, was das Letztere soll, wenn zu dem Zeitpunkt keine ausreichende Bevollmächtigung des Verteidigers vorgelegen hat bzw. man von einer nicht ausreichenden Bevollmächtigung ausgehen musste.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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