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Eigentum an einer Freiland-Photovoltaikanlage

Eigentum an einer Freiland-Photovoltaikanlage

BGH, Urt. v. 22.10.2021 – V ZR
69/20

I. Der Fall

Die Parteien streiten um das Eigentum an einer Photovoltaikanlage. Die spätere
Insolvenzschuldnerin kaufte 2010 eine aus 5000 Modulen bestehende
Freiland-Photovoltaikanlage und installierte sie auf dem Grundstück eines Dritten. Im März
2011 verkaufte sie dem Beklagten hiervon 20 Module, die dieser einschließlich der
Unterkonstruktion vermietete. Am 1.3.2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen
der Verkäuferin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Seine Klage auf
Feststellung, dass der Beklagte kein Eigentum an den Modulen und der Unterkonstruktion
erworben habe, blieb in den Tatsacheninstanzen erfolglos. Hiergegen richtet sich die vom
Berufungsgericht zugelassene Revision.

II. Die Entscheidung

Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Allerdings verneint das Berufungsgericht zu Recht,
dass Module und Unterkonstruktion keine wesentlichen Bestandteile des Grundstücks gemäß
§ 94 BGB darstellen. Denn sie sind zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück
verbunden und daher Scheinbestandteile gemäß § 95 Abs. 1 S. 1 BGB. Verbindet ein Mieter
oder sonstwie schuldrechtlich Berechtigter eine Sache mit dem nicht ihm gehörenden
Grundstück, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er im eigenen Interesse
handelt. Er will die Sache regelmäßig nur vorübergehend mit dem Grundstück verbinden und
nicht dem Eigentum des Grundstückeigentümers zukommen lassen. Der Umstand, dass eine solche
Anlage ihre gesamte Lebensdauer auf dem Grundstück verbleiben soll, steht dieser
Qualifizierung als Scheinbestandteil gemäß § 95 Abs. 1 S. 1 BGB nicht entgegen. Denn die
Verbindung zu einem vorübergehenden Zweck hängt nicht von der Nutzungsdauer der
eingebrachten Sache ab. Sie kann auch dann vorliegen, wenn die Sache für ihre gesamte
wirtschaftliche Lebensdauer auf dem Grundstück verbleiben soll. Bei einer
Freiland-Photovoltaikanlage handelt es sich auch nicht um ein Gebäude gemäß § 94 BGB. Denn
sie dient weder dem Zutritt von Menschen noch tritt bei ihrem Abbau eine mit Gebäuden
vergleichbare Zerstörung wirtschaftlicher Werte ein. Denn bei ihrer Bauweise könnte sie im
Gegensatz zu Einheiten, die mittels klassischer Baustoffe hergestellt werden, ohne
wesentliche Beschädigung abgebaut und an anderer Stelle wieder aufgestellt
werden.

Nicht hinreichend sind aber die Feststellungen des Berufungsgerichtes dazu, dass
die einzelnen Module keine wesentlichen Bestandteile der Photovoltaikanlage gemäß § 93 BGB
darstellen. Solchermaßen wesentliche Bestandteile liegen dann vor, wenn sie nicht
voneinander getrennt werden können, ohne dass mindestens eines von ihnen zerstört oder in
seinem Wesen verändert wird. Hierbei kommt es jedenfalls bei einer nachträglichen
Begründung von Eigentum an Teilen der Gesamtanlage nicht auf den Zeitpunkt der Verbindung,
sondern auf denjenigen zur Zeit des dinglichen Rechtsgeschäfts an, dessen Wirksamkeit im
Streit steht. Demnach wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, welche Folgen der Ausbau
der Module bei der Übereignung an den Beklagten gehabt hätte.

III. Der Praxistipp

Die Entscheidung korrespondiert mit derjenigen zu Windkraftanlagen, die nach
Rechtsprechung des BGH ebenfalls kein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks sind (BGH v.
7.4.2017 – V ZR 52/16). Dies schafft dieselben Folgeprobleme wie dort: Wie soll etwa der
Zugang zu der Anlage gesichert werden? Rein schuldrechtliche Lösungen können hier versagen,
wenn der Pächter, Mieter o.ä. die Anlage verkauft, ohne dass der Erwerber in den
schuldrechtlichen Vertrag mit dem Grundstückseigentümer eintritt.

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