BGH,Beschl.v.5.3.2020–V ZB 20/19
I. Der Fall
Der Schuldner im Zwangsversteigerungsverfahren wendet sich gegen die Erteilung des Zuschlags. Nach dessen Erteilung am 20.6.2012 legte er sofortige Beschwerde ein, die mit Beschl. v. 22.8.2012 zurückgewiesen wurde. Weitere fünf Jahre später, mit Antrag vom 22.8.2017 begehrte er beim Beschwerdegericht die Wiederaufnahme des Zwangsversteigerungsverfahrens analog § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, weil er während des Zwangsversteigerungsverfahrens unerkannt prozessunfähig gewesen sei. Das Beschwerdegericht hat den Antrag als nicht statthaft verworfen Hiergegen wendet sich die von ihm zugelassene Rechtsbeschwerde.
II. Die Entscheidung
Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Der BGH hielt diesen Antrag im Gegensatz zum Beschwerdegericht in analoger Anwendung von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO für statthaft.
Die Frage, ob gegen einen rechtskräftigen Zuschlagsbeschluss analog §§ 578 ff. ZPO ein Wiederaufnahmeverfahren durchgeführt werden kann, ist umstritten (hiergegen etwa RGZ 73, 194, 195; OLG Köln Rpfleger 1975, 406; 1997, 24, 35; OLG Stuttgart NJW 1976, 1324 f.; hierfür etwa OLG Braunschweig OLGZ 1974, 51, 52; OLG Hamm Rpfleger 1978, 422, 423 f.). Der BGH folgt der letzgenannten Auffassung. Zwar verweist § 96 ZVG nur auf die Vorschriften zur sofortigen Beschwerde.
Dies geht aber auf eine Regelungslücke zurück, die in entsprechender Anwendung der Vorschriften zur Wiederaufnahme zu schließen ist. Zwar können Wiederaufnahmegründe mit der Nichtigkeitsbeschwerde, die an die Stelle der Wiederaufnahme treten soll, geltend gemacht werden. Dies gilt aber nicht, wenn sie erst nachträglich erkannt werden und ein Beschwerdeverfahren, wenn auch auf andere Gründe gestützt, durchgeführt wurde. Denn dann ist die Nichtigkeitsbeschwerde nach allgemeiner Auffassung nicht mehr statthaft. Hierfür besteht aber ein Bedürfnis, um den Nichtigkeitsgrund der Prozessunfähigkeit gemäß § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO während des Zwangsversteigerungsverfahrens geltend machen zu können. Der Vertrauensschutz für den Erwerber steht dem nicht entgegen. Denn das Interesse von Erwerber und Schuldner am Fortbestand ihres Eigentums ist gleichermaßen schutzwürdig. Zudem kann derselbe Konflikt auch bei Wiederaufnahme gegen ein Urteil in Betracht kommen, durch das eine Partei zur Auflassung eines Grundstücks verurteilt wird.
III. Der Praxistipp
Die Möglichkeit der Wiederaufnahme eines Zwangsversteigerungsverfahrens noch Jahre nach dem Zuschlag scheint das Bieten zu einem kaum kalkulierbaren Risiko zu machen. Der BGH berücksichtigt nicht, dass es dort, anders als im Zivilprozess weit mehr Beschwerdeberechtigte gibt, die möglicherweise die Wiederaufnahme begehren könnten (eingehend Schneider/Abramenko, ZVG, 2020, Vor §§ 95–104 Rn 17). Möglicherweise gilt aber auch hier, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Der BGH schließt selbst die Möglichkeit der Wiederaufnahme für den Fall des gutgläubigen Erwerbs nach § 892 BGB aus. Es ist zu überlegen, ob dies nicht auch bei der Belastung des Grundstücks mit einer Finanzierungsgrundschuld durch den Ersteher zu gelten hat. Denn auch in diesem Falle kann der ursprüngliche Zustand nicht mehr hergestellt werden. Dann ist dem Ersteher dringend zu einer solchen Belastung zu raten.