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Keine AGB-Kontrolle von Gemeinschaftsordnungen

Keine AGB-Kontrolle von Gemeinschaftsordnungen

BGH, Urt. v. 20.11.2020 – V ZR 196/19

I. Der Fall

Die Parteien, Eigentümer einer in Wohnungseigentum aufgeteilten Liegenschaft, streiten um die Gültigkeit von Beschlüssen. Die Gemeinschaftsordnung enthält die Regelung, dass für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung ihre Absendung an die Anschrift genügt, die dem Verwalter vom Wohnungseigentümer zuletzt mitgeteilt wurde. Die Kläger fechten die Wiederbestellung der Verwalterin in der Eigentümerversammlung vom 25.9.2015 deswegen an, weil die Einladung mehrere Wohnungseigentümer nicht oder nicht rechtzeitig erreicht habe. Die Klage hatte in den Tatsacheninstanzen Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom BGH zugelassene Revision.

II. Die Entscheidung

Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Zwar kommt es nach der geltenden Rechtslage für die fristwahrende Ladung gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB nicht auf ihre Absendung, sondern auf ihren Zugang an. Diese Regelung ist aber nach einhelliger Auffassung nicht zwingend. Die in der hier maßgeblichen Gemeinschaftsordnung verwendete Regelung wird allerdings unterschiedlich ausgelegt. Die überwiegende Auffassung entnimmt ihr, dass es alleine auf die Absendung der Einladung ankommt. Die Gegenauffassung misst ihr nur im Falle der nicht angezeigten Adressänderung Bedeutung zu. Der BGH folgt der h.M. Dies folgt schon aus ihrem Wortlaut, der allgemein nur auf die Absendung und nicht auf einen Adresswechsel abstellt. Anderenfalls wäre sie auch ohne Bedeutung, da sie nur die geltende Rechtslage wiedergäbe. Denn der Wohnungseigentümer, der einen Adresswechsel nicht mitteilt, kann sich ohnehin nicht auf einen Einberufungsmangel berufen (BGH, ZWE 2013, 368 = ZMR 2013, 975). Die besagte Klausel ist auch wirksam. Sie ist insbesondere nicht nach § 308 Nr. 6 BGB unwirksam. Denn die §§ 307 ff. BGB sind nach nahezu einhelliger Auffassung nicht auf wohnungseigentumsrechtliche Gemeinschaftsordnungen anwendbar s. etwa Riecke/Schmid/Elzer/Schneider, WEG, 5. Aufl. § 8 Rn 62; Jennißen/Krause, WEG, 6. Aufl. § 8 Rn 18; Staudinger/Rapp, BGB [2018] § 7 WEG Rn 35 f.). Eine direkte Anwendung der §§ 307 ff. BGB scheidet von vorneherein aus, da es sich bei einer einseitig vorgegebenen Gemeinschaftsordnung nicht um Vertragsbedingungen handelt, die der Verwender stellt. Auch die Voraussetzungen einer analogen Anwendung liegen nicht vor. Es fehlt schon an einem Informations- und Motivationsgefälle, wie es zwischen Verwender und Kunden besteht. Denn der teilende Eigentümer scheidet bei typisierender Betrachtung nach Verkauf der letzten Einheit aus der Gemeinschaft aus und profitiert allenfalls kurzfristig von dem Regelwerk. Zudem fehlt es an einer Regelungslücke. Denn die Wohnungseigentümer können die vorgegebene Gemeinschaftsordnung jederzeit einstimmig bzw. im Bereich von Öffnungsklausel auch durch Mehrheitsbeschluss ändern.

Zudem kann jeder Wohnungseigentümer die Änderung unbilliger Vereinbarungen nach § 10 Abs. 2 S. 3 WEG verlangen. Schließlich ist der Eingriff in unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte ohnehin nach §§ 134, 138 BGB unwirksam. Darüber hinaus sind einseitige Begünstigungen des teilenden Eigentümers im Einzelfall nach § 242 BGB zu korrigieren. Ausnahmsweise kommt eine AGB – Kontrolle allerdings in den Fällen in Betracht, in denen der teilende Eigentümer Vertragsbeziehungen etwa zum Verwalter bereits in der Gemeinschaftsordnung regelt. Nach diesen Maßstäben ist die Klausel, wonach für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung ihre Absendung an die zuletzt bekannt gegebene Anschrift genügt, wirksam. Denn es besteht kein spezifischer Zusammenhang zum teilenden Eigentümer. Es besteht auch ein praktisches Bedürfnis für eine Regelung dieser Art. Denn nach der abdingbaren gesetzlichen Regelung ließe sich der Zugang der Einladung nur durch Einschreiben oder Versendung durch Boten nachweisen. Dies gefährdet die Fassung rechtssicherer Beschlüsse, so dass eine abweichende Regelung sinnvoll erscheint.

III. Der Praxistipp

Die überzeugend begründete Entscheidung kann auch für das neue Recht Geltung beanspruchen. Insbesondere besteht der Anspruch auf Abänderung in § 10 Abs. 2 WEG n.F. fort. Seine Durchsetzung ist freilich durch die ersatzlose Streichung von § 21 Abs. 8 WEG a.F. erschwert, da nunmehr die Neuregelung nicht mehr in das Ermessen des Gerichtes gestellt werden kann.

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