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Jahresabrechnung bei verselbstständigten Untergemeinschaften

Jahresabrechnung bei verselbstständigten
Untergemeinschaften

BGH, Urt. v. 16.7.2021 – V ZR
163/20

I. Der Fall

Die Wohnungseigentümer einer in mehrere Untergemeinschaften untergliederten
Gemeinschaft streiten um die Gültigkeit eines Beschlusses. Nach der Gemeinschaftsordnung
sind Kosten und Lasten für jede Untergemeinschaft gesondert auszuweisen, wobei über
ausschließlich einer Gemeinschaft zuzuordnende Kosten und Lasten nur deren Mitglieder
stimmberechtigt sind. Ferner waren gesonderte Rücklagen zu bilden. 2017 genehmigte die
Eigentümerversammlung der Gesamtgemeinschaft die Jahresabrechnung für 2016, die unter der
Position „Instandhaltungsrücklage Haus 11“ Entnahmen von 18.664,45 EUR für Architekten- und
Planungskosten auswies. Hiergegen wenden sich die Kläger, da sie die Beschlusskompetenz der
Gesamtgemeinschaft für diese Position in Abrede stellen. Die Klage hatte in den
Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Hiergegen wendet sich die vom Berufungsgericht
zugelassene Revision der Kläger.

II. Die Entscheidung

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg. Zwar können durch Vereinbarung nach § 10
Abs. 2 S. 2 WEG a.F. und auch nach neuem Recht (§ 10 Abs. 1 S. 2 WEG) Untergemeinschaften
gebildet werden, denen auch das Recht eigener Teilversammlungen unter Ausschluss der
anderen Wohnungseigentümer eingeräumt werden kann. Auch bei einer solchen
Verselbstständigung hinsichtlich der Lasten und Kosten muss für die Gesamtgemeinschaft eine
Jahresabrechnung erstellt werden. Ein Nebeneinander von Teiljahresabrechnungen ist dem
Wohnungseigentumsrecht fremd. Denn einerseits müssen die Abrechnungsspitzen aller
Wohnungseigentümer im Verhältnis zur Gesamtgemeinschaft einheitlich ermittelt werden,
andererseits müssen Abrechnungsmängel in einem einheitlichen Verfahren geklärt werden. Über
diese Gesamtabrechnung muss nach wohl einhelliger Auffassung (s. etwa Bärmann/Becker, WEG,
14. Aufl. § 28 Rn 8; Jennißen in: Jennißen, WEG, 6. Aufl. § 28 Rn 147; Sommer, ZWE 2019,
153, 165) die Gesamtgemeinschaft Beschluss fassen. Dies gilt auch für die Darstellung der
Instandhaltungsrücklage, auch wenn für Untergemeinschaften separate Rücklagen zu bilden
sind. Entgegen der Auffassung der Revision kann nicht jede Untergemeinschaft ihre Rücklage
unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer abrechnen. Denn ihre Darstellung berührt
zwingend auch die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer. Dies ergibt sich schon daraus,
dass sich aus der Jahresabrechnung die Verwendung der auf den Konten der Gesamtgemeinschaft
vorhandenen Gelder ergeben muss. Ähnliches gilt für die Einzelabrechnungen. Diese müssen
eine einheitliche Abrechnungsspitze festlegen, in die sowohl die Kostenpositionen der
Gesamtgemeinschaft als auch der Untergemeinschaften einfließen. Untergemeinschaften können
allenfalls befugt sein, ausschließlich ihre Mitglieder betreffende Kosten in den
Einzelabrechnungen zu verteilen. Dies kann ein dreistufiges Verfahren in Form einer ersten
Beschlussfassung der Gesamtgemeinschaft, einer zweiten der Untergemeinschaften und einer
abschließenden der Gesamtgemeinschaft erfordern. Daraus folgt keine „Majorisierung“ der
Untergemeinschaften. Ihre Verselbstständigung hat eine sachliche Bedeutung auf anderen
Gebieten. Insbesondere folgt daraus die Möglichkeit, über Erhaltungsmaßnahmen und ihre
Finanzierung autonom zu entscheiden.

Zudem setzt die Befugnis von Untergemeinschaften zur eigenständigen
Beschlussfassung über Teile der Jahresabrechnung eine ausdrückliche, eindeutige Regelung in
der Gemeinschaftsordnung voraus. Es genügt nicht, dass die Gemeinschaftsordnung lediglich
eine weitgehende Verselbstständigung der Untergemeinschaften, eine getrennte Ermittlung von
Kosten oder die Bildung selbstständiger Rücklagen vorsieht. Solche Vorgaben regeln im
Zweifel nur, dass in der Gesamtjahresabrechnung abtrennbare Kosten hausbezogen dargestellt
werden müssen. Nach diesen Maßstäben ist der vorliegenden Gemeinschaftsordnung keine
Mitwirkungsbefugnis bei der Jahresabrechnung zu entnehmen. Sie gehört vielmehr zu den in
§ 18 Ziff. 2 Abs. 4 GO geregelten „Angelegenheiten, die alle Eigentümer gemeinschaftlich
angehen.“

III. Der Praxistipp

Die gesamten Ausführungen zur möglichen Verselbstständigung von
Untergemeinschaften stellen ein für die Entscheidung unerhebliches obiter dictum dar, da
deren Voraussetzungen im konkreten Fall verneint werden. Dies ist umso bemerkenswerter, als
der BGH darin seine frühere Rechtsprechung (BGH v. 20.7.2012 – V ZR 231/11, NZM 2012, 766
Rn 10 ff.) ausdrücklich aufgibt. Für den Fall, dass eine eigenständige Beschlussfassung der
Untergemeinschaften über die nur sie betreffenden Kosten ausnahmsweise zu bejahen ist,
sieht der BGH (was wohl unvermeidlich ist) eine ausgesprochen komplizierte Vorgehensweise
vor. Zunächst entscheidet die Versammlung aller Eigentümer über die Kosten der
Gesamtgemeinschaft samt ihrer Verteilung und (ohne Kostenverteilung) über diejenigen
Kosten, die nur die Untergemeinschaften betreffen. Über deren Verteilung beschließen dann
die Teileigentümerversammlungen. Liegen deren Unterabrechnungen vor, werden sie in die
Gesamtabrechnung eingestellt, über die wiederum die Versammlung aller Eigentümer zu
befinden hat.

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