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Abriss keine Verwertung

Abriss keine Verwertung

BGH, Urt. v. 16.12.2020 – VIII ZR 70/19

I. Der Fall

Die Mietvertragsparteien streiten um die Räumung von Wohnraum. Die Beklagten sind seit mehreren Jahrzehnten Mieter eines ehemaligen Landarbeiterhauses, dessen Badezimmer in einem ansonsten ungenutzten Seitenflügel liegt. Die Nettomiete beträgt monatlich 60 EUR. Der Erbe der Liegenschaft kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 23.6.2017 ordentlich, da der Seitenflügel aus „wirtschaftlichen und statischen Gründen“ abgerissen werden müsse und ein neuer Anbau für 26.000 EUR angesichts der geringen Miete unwirtschaftlich sei. Die Räumungsklage blieb in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision.

II. Die Entscheidung

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

Nach Rechtsprechung des BGH stellt der ersatzlose Abriss eines Gebäude(teil)s keine wirtschaftliche Verwertung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar (BGH v. 24.3.2004 – VIII ZR 188/03, ZMR 2004, 428). Da der Vermieter aber in keiner Weise vorgetragen hat, wie er nach dem geplanten Abriss mit dem Grundstück umgehen will, liegen die Voraussetzungen einer Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht vor. Deshalb kommt nur eine Kündigung nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB in Betracht. Für das Vorliegen eines nach dieser Generalklausel geforderten wichtigen Interesses kommt es aber darauf an, ob es genauso schwer wiegt wie die in § 573 Abs. 2 BGB genannten Kündigungsgründe. Dabei sind die grundgesetzlich geschützten Interessen beider Mietvertragsparteien abzuwägen. Der Fortbestand des Mietverhältnisses muss also für den Mieter einen Nachteil darstellen, dessen Gewicht die Kündigungsgründe gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erreicht. Dabei kann die auch künftig geringe Miete zwar zu berücksichtigen sein. Die Nachteile halten sich aber im Gegensatz zum Abriss eines sanierungsbedürftigen Plattenbaus mit 142 überwiegend leerstehenden Wohneinheiten, bei dem der BGH einen Kündigungsgrund nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB bejaht hat, in Grenzen. Zudem erhöht der Anbau eines Bades nach Abriss des baufälligen Seitenflügels den Wert des Grundstücks.

III. Der Praxistipp

Der BGH betont, dass der ersatzlose Abriss keine wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks darstellt. Demnach hätte es anders gestanden, wenn der Vermieter die Errichtung eines zeitgemäßen Ersatzbaus beabsichtigt hätte. Damit hätte der Vermieter sein Ziel aber wohl erreicht, da er dann nach Errichtung eines zeitgemäßen Gebäudes eine angemessene Miete hätte erzielen können.

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