In Ergänzung des Tagungsberichts von Isabelle Désirée Biallaß berichtet die Autorin von den Arbeitskreisen und Programmpunkten der Bund-Länder-Kommission (BLK), an denen sie teilgenommen hat:
Arbeitskreis Barrierefreiheit: „Die barrierefreie elektronische Akte – ein Blick in die Praxis“
Unter der Moderation von Florian Strunk, IT-Leiter beim Hanseatischen Oberlandesgericht und der Hamburger Amtsgerichte und Vorstandsmitglied des Deutschen EDVGT, referierte Andreas Carstens, Richter am Niedersächsischen Finanzgericht.
Er selbst ist stark seheingeschränkt. Als Vertrauensperson vertritt er schwerbehinderte Richterinnen und Richter sowie den Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (dvbs) e.V.
Herr Carstens zeigte anhand der von ihm im Alltag genutzten Fachanwendung e2A, wie seine Arbeit am PC verläuft. Und auch für die Fachanwendungen eIP und eAS wurden Screenshots gezeigt.
Wichtig für blinde und sehbeeinträchtigte Personen ist die Tastaturbedienbarkeit ohne Maus sowie ein Fokusrahmen, den man z.B. mit Shortcuts, TAB oder Pfeiltasten bedienen kann. Mit einer Bildschirmlupe kann man die Vergrößerung so einstellen, dass das Erkennen möglich wird.
Alternativ kann man sich den Text auch mit Sprachausgabe vorlesen lassen. Für blinde Menschen bieten sich Screenreader und Braillezeile an. Als Barrieren benannte Herr Carstens, dass z.B. die Sprachausgabe die richtigen Infos nicht findet und dann andere Sachen vorliest oder beim Erstellen von Aufgaben, dass man das Feld nicht „sieht“. Wichtig sei es, z.B. einen Hochkontrast einzustellen (inverse Darstellung) und die Möglichkeit, Annotationen (Anmerkungen) zu erstellen.
Da es viele blinde und sehbeeinträchtigte Richterinnen und Richter gibt, ist die Barrierefreiheit unerlässlich!
Der dvbs (https://dvbs-online.de/) hat beim EDVGT eine Liste mit nützlichen Links zur Barrierefreiheit, z.B. agnes@work (Agiles Netzwerk für sehbeeinträchtigte Berufstätige) zur Verfügung gestellt. Des Weiteren gab es Quick Guides für barrierefreie Word-Dokumente, Excel-Tabellen und PowerPoint-Folien. Eine umfangreiche Broschüre informierte über die Erstellung von barrierefreien PDFs.
Gerade bei der Umwandlung von Word-Dokumenten in PDF im Rahmen des Elektronischen Rechtsverkehrs ist es für Sehende ein Leichtes, die Barrierefreiheit herzustellen. Während ein „normales“ PDF nur ein Bild darstellt, kann mit der Variante PDF/UA ein barrierefreies Dokument erstellt werden. Das geht einfach bei der Umwandlung und auch beim Einscannen von Dokumenten. Bei Bildern z.B. ist es sehr hilfreich, diese mit Untertiteln zu versehen, um klarzustellen, dass diese nicht in Text umgewandelt werden können.
■Fazit:
Als Sehende sollten wir auf die Barrierefreiheit achten, um Menschen mit Beeinträchtigungen die Teilhabe am Arbeitsleben zu erleichtern. Dazu bedarf es z.B. der Durchsuchbarkeit von PDF-Dokumenten, eine kleine Einstellungssache mit großer Wirkung!
Der nächste Arbeitskreis, an dem Ilona Cosack teilgenommen hat, befasste sich mit Deepfakes.
Deepfake – Tod der Wahrheit
Unter der Moderation von Dr. Thomas Lapp, Rechtsanwalt und zertifizierter Mediator, Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Vorstandsmitglied des EDVGT zeigte Tim Walita, CISPA Helmholtz Zentrum & Detesia „Wie wir sehen, was Maschinen verbergen“.
Was sind Deepfakes und warum sind sie so schwer zu erkennen? KI manipulierte/generierte Bilder, Videos oder Audio-Dateien.

Wie erkennt man Deepfakes?

Am Beispiel verhaltensbasierter Analysen und biologischer Signale, z.B. Blinzelverhalten einer Person und multimodaler Erkennung

können Deepfakes entlarvt werden. Für Menschen noch erkennbare Indikatoren sind z.B. anatomisch komische Veränderungen, etwa nur vier Finger an einer Hand oder der Austausch von Gesichtern.

Prof. Christian Gomille, Richter am Saarländischen Oberlandesgericht, Universität des Saarlandes, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäisches und Internationales Privatrecht sowie Zivilprozessrecht zeigte auf, welchen Einfluss Deepfake-Technologie auf das Beweisrecht hat.
Er stellte die These auf, dass die beweisbelastete Partei diese Technik einsetzen könnte, um elektronische Beweismittel zu ihren Gunsten zu manipulieren. Und die tendenzielle Fälschungsanfälligkeit elektronischer Beweismittel könnte deren Beweiswert in Frage stellen.
Ein praktisches Szenario: Ein Unternehmen verlangt von einem Verbraucher die Zahlung des Preises für eine Dienstleistung aufgrund eines fernmündlich geschlossenen Vertrages. Der Verbraucher wendet ein, dass er keinen Vertrag geschlossen habe. Zum Nachweis des Vertragsschlusses spielt der Unternehmer dem Verbraucher eine Audioaufnahme eines Telefonats vor, in dem beide den behaupteten Vertrag miteinander abschließen. Was könne der Verbraucher tun?

Praxistipp:
Nicht in Aufzeichnungen von Telefonaten einwilligen!
Ggf. könnte der Vertrag fernmündlich gar nicht wirksam abgeschlossen werden, so § 54 Abs. 3 Satz 4 TKG: „Die Wirksamkeit des Vertrages hängt davon ab, dass der Verbraucher nach Erhalt der Vertragszusammenfassung den Vertrag in Textform genehmigt“.
Und als denkbare Lösung könnte man die Vorlage eines Einzelverbindungsnachweises verlangen, aus dem sich ergibt, dass das Gespräch mit dem Verbraucher unter dessen Rufnummer und in der behaupteten Länge stattgefunden hat.
Als Zusammenfassung stellte Prof. Gomille fest:

Programmpunkte der BLK:
Neue strategische Ziele trotz der Opt-out-Regelung zur elektronischen Akte in der Justiz
Zum Thema: „Strategie für die Digitalisierung der Justiz – Gemeinsam digitalisieren für einen starken Rechtsstaat“ stellten der Vorsitzende der BLK, MR André Nowak, Ministerium der Justiz des Landes NRW, RD Malte Büttner, Referatsleiter beim BMJV, MR Jan Martin Bornscheuer vom Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg und Richterin am OLG Dr. Maike Hoffmann, Niedersächsisches Justizministerium, neue strategische Ziele vor, nachdem das gemeinsame Ziel, die verpflichtende Einführung der elektronischen Akte, nunmehr bei vielen Gerichten und Staatsanwaltschaften eingeführt sei und nahezu alle Daten elektronisch vorliegen würden.
Im Frühjahr 2025 hatte sich der E-Justice-Rat eine eigene Digitalisierungsstrategie gegeben, die in dieser Veranstaltung vorgestellt wurde.
Und dies trotz des aktuellen Entwurfs des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Einführung der elektronischen Akte (E-Akte) in der Justiz.
Der Entwurf vom 3.9.2025 sieht eine Opt-out-Regelung vor:
„Zur Sicherung einer störungsfreien flächendeckenden Einführung der E-Akte soll für den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit eine bis zum 1.1.2027 befristeten Rechtsgrundlage (sogenannte „Opt-out“-Regelung) geschaffen werden, die es Bund und Ländern ermöglichen soll, im Verordnungswege ausnahmsweise auch nach dem 1.1.2026 die Anlage und Führung von Straf-, Bußgeld- und Zivilakten, Akten in Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie gerichtlichen Akten im Strafvollzugsverfahren in Papierform zu gestatten.
Des Weiteren soll – ebenfalls befristet bis zum 1.1.2027 – zur Vermeidung unverhältnismäßiger Digitalisierungsaufwände bei den Staatsanwaltschaften nur für den Bereich der Strafgerichtsbarkeit unmittelbar auf Gesetzesebene geregelt werden, dass die Staatsanwaltschaften ihre Ermittlungsakten in Papierform anlegen können, wenn polizeiseitig umfangreiche Ermittlungsvorgänge nicht in elektronischer Form übermittelt werden. Zudem soll die Regelungssystematik für Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Aktenführung sowohl in der ordentlichen Gerichtsbarkeit als auch in den Fachgerichtsbarkeiten vereinfacht werden.
In den bereits nach derzeit geltender Gesetzeslage zulässigen Fällen der Fortführung von in Papierform angelegten (Alt-)Akten in Papierform oder der in diesen Fällen möglichen Hybridaktenführung (Fortführung einer in Papier angelegten Akte in elektronischer Form) soll mit den geplanten Änderungen auf Ebene des Gesetzesrechts ab dem 1.1.2026 auf den Bedarf einer näheren Ausgestaltung durch eine Rechtsverordnung und eine jeweils öffentlich bekanntzumachende Verwaltungsvorschrift als Voraussetzung verzichtet werden.“
Bundeseinheitliche Justizcloud
Zu diesem spannenden Thema fanden sich viele interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer ein. Dr. Florian Penski, BMJV, stellte die Eckpunkte vor: Die Justizdigitalisierung schreite voran, es bestünden aber noch Herausforderungen, bei denen Cloud ein Lösungsbaustein sein könne.
Die Ausgangslage in der Justiz sieht so aus, dass es heterogene Justiz-IT-Landschaften gibt; jedes Bundesland arbeitet mit unterschiedlichen Anwendungen, Plattformen und Infrastrukturen. Herausforderungen seien die Harmonisierung der Anwendungslandschaft, diese schreite voran (z.B. GeFa), die Umsetzung des Elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) und der eAkte seien auf der Zielgeraden, Zukunftsanforderungen würden proaktiv angegangen (z.B. KI, Transkription, Cloud).
Über 140 heterogene Anwendungen, Plattformen und Infrastrukturen müssen redundant gewartet und betrieben werden. Das aufwändige Ausbringen von Software-Updates (2x pro Jahr), kein einheitlicher Zugang zur Justiz für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen, steigende Anforderungen und Kosten bei knappen Haushalten sowie Fachkräftemangel und kein einheitlicher „Weg in die Cloud“ sowie fragmentierter Knowhow-Aufbau seien Stolpersteine, die es zu bewältigen gilt.
Herausforderungen seien hohe Komplexität und der Anpassungs- und Testaufwand beim Ausbringen einheitlich entwickelter Anwendungen auf heterogenen Plattformen. Eine homogene Justizcloud-Plattform hätte den Vorteil, einheitlich entwickelte Anwendungen standardisiert auszubringen und zu betreiben.
Viele weitere Mehrwertpotentiale seien nur mit der Justizcloud möglich. Dies wurde durch das nachfolgende Schaubild verdeutlicht:

Weitere Vorteile wären erhebliche Kosteneinsparungen durch gemeinsamen Anwendungs- und Plattformbetrieb, effizientere Ausbringung von Anwendungen und Vermeidung redundanter Cloud-Investitionen.
Eine weitere Grafik zeigt, wie die Justizcloud-Plattform aufgebaut werden soll:

Im Business-Case wurden alle Cloud-fähigen Anwendungen der Justiz betrachtet; eine Anwendung muss für den MVP ausgewählt werden.
In einer nächsten Grafik wurde die Reihenfolge der technisch notwendigen Entscheidungen beim Aufbau der Justizcloud betrachtet:

Nach der Bereitstellung eines Justizcloud-MVP soll dieser horizontal und vertikal skalierbar sein:

Nach Freigabe der Haushaltsmittel müssten zeitnah Entscheidungen getroffen werden:

Wolfgang Bühler vom Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg gab an, dass man sich zunächst auf den internen Bereich fokussieren wird. Die eAkten seien noch nicht in der Justizcloud.
Sein Kollege Jan Spoenle beschrieb es als „Vorbereitungsprojekt“, 2027 soll gestartet werden. Ein Meilenstein sei geschafft: Am 15.9.2025 habe man eigene Räumlichkeiten bezogen! Die „Schwuppdizität“ (gefühlte Geschwindigkeit) veranschauliche die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen technischen Leistung und der menschlichen Wahrnehmung von Performance.
■Fazit:
Wir sind gespannt, ob der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden kann.
Die besonderen elektronischen Postfächer: „Ihr seid ja groß geworden!“
Zum Elektronischen Rechtsverkehr nahm die Autorin am Arbeitskreis für die besonderen elektronischen Postfächer beA, beN, beSt, beBPo, eBO und MJP teil, der 2025 zum 11. Mal stattfand.
Unter der Moderation von Rechtsanwältin Daniela Freiheit, Koordinatorin der BLK-AG IT-Standards in der Justiz und Mitglied des Vorstandes des EDVGT referierten RiAG Mario Hilzinger, Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg und Vorsitz der AG IT-Standards und Marc Horstmann, Governikus AG.
Genutzt wird die bewährte EVGP-Infrastruktur mit dem Ziel, dass beliebige Mengen an elektronischen Dateien transportiert werden können. Die Konfiguration sieht zukünftig 1 GB vor. Der Flaschenhals ist die „Datenautobahn“, so dass auch in der ERVB 2025, die am 30.7.2025 in Kraft getreten ist, nach wie vor die Begrenzung auf höchstens 1.000 Dateien mit höchstens 200 MB gegeben ist.
Neu ist jetzt, dass auch USB-Speichermedien als zulässige physische Datenträger zulässig sind (Punkt 4.c) ERVB 2025). Aktuell werden 160 Millionen Nachrichten im Jahr verschickt. Nicht thematisiert wurde das beA-Verbot vom 6.12.2024 zur Nutzung bei Nachrichten an Finanzämter.

Hilzinger berichtete, dass seit Anfang 2025 mit dem MJP schriftformersetzend eingereicht werden kann. Daniela Freiheit stellte den Ansatz klar, dass jeder in seiner eigenen Welt bleiben könne, verbindendes Element ist der strukturierte XML-Datensatz.
In der Justiz erfolgt dann die automatisierte Weiterverarbeitung:

Interessant waren die Screenshots der Bearbeitung in den jeweiligen Fachsoftwaren der Justiz und auch die Weiterverarbeitung bei den Berufsgenossenschaften (BGW) und Kommunikation mit Krankenkassen wurde mittels Screenshots gezeigt. Als Beispiel für Anwaltssoftware wurden als Screenshots der Posteingang bei RA-MICRO nebst E-Akte gezeigt. Ziel sei, die vielen „unstrukturierten“ Metadaten eines PDF-Dokuments in strukturierte Metadaten zu überführen.

Neu wäre die Möglichkeit einer Terminabstimmung zwischen den besonderen Postfächern und XJustiz. So könnte der Richter die Parteien zu einem passenden Termin laden:

und schnell ein passender Slot gefunden werden:

Im beA sähe das wie folgt aus:

Als Meilenstein stellte Mario Hilzinger einen Converter für Entwickler vor, um strukturierte XJustiz-Daten zu erzeugen. Auch ein strukturierter Aktenversand sei in der Pilotphase. Horstmann stellte einen Prototypen des Chatbots JARA vor, der im SAFE-Verzeichnis das Gericht suchen kann. Es werden Hersteller gesucht, die diesen Standard umsetzen. Hauptsache: XML anstelle PDF.
■Fazit:
Die besonderen elektronischen Postfächer bleiben uns erhalten. Sie werden weiterentwickelt und bereits Anfang Oktober 2025 gibt es ein neues beA-Update auf die Version 4.1. Wir werden in der E-Broschüre 5/2025 darüber berichten.
Die Inhalte der einzelnen Arbeitskreise können alle hier abgerufen werden.




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