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D. beA Rechtsprechung: Fehlbedienung vermeiden

Nutzen Sie das beA über Ihre Kanzleisoftware?

Leider kann man sich nicht darauf verlassen, dass die beA-Schnittstelle immer einwandfrei funktioniert.

So gibt das LAG Schleswig-Holstein in seiner Entscheidung vom 8.4.2021 (1 Sa 358/20) Hinweise, welche Anforderungen an die Übersendung eines fristwahrenden Schriftsatzes gestellt werden:

Im konkreten Fall ging es bei der Verwendung der Anwaltssoftware darum, dass der Empfänger, das LAG Schleswig-Holstein, über die SAFE-ID Nummer des Gerichts nicht gefunden wurde. Darüber hinaus verstrickte sich der Prozessbevollmächtigte in Widersprüche: Einerseits will er „elektronisch signiert“ haben, andererseits sei eine Versendung über die beA-Webanwendung nicht möglich gewesen, da er nicht über die hierfür notwendige Zugangskarte verfüge (?). Nach sieben bis acht Versuchen sei die Zustelladresse des LAG erkannt und der Schriftsatz über beA versandt worden.

Die Berufung wurde zurückgewiesen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht gewährt.

Aus den Gründen:

„Ihr Prozessbevollmächtigter nutze die Software „XX“. Diese sei direkt mit der Software des beA verbunden. Dokumente würden direkt an beA weitergeleitet und dort empfangen. Die Zustelladresse ermittle beA eigenständig anhand der Adresse im Schriftsatz. Erkenne die Software die Adresse nicht, könnten die Empfängerdaten durch die Eingabe in einem Suchfeld ermittelt werden. Dies erfolge seit Monaten reibungslos. Die Suche des Empfängers über dessen Safe-ID sei nicht möglich. Die Safe-ID des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein sei bei ihr auch nicht bereits dauerhaft hinterlegt gewesen.

Ihr Prozessbevollmächtigter habe den Schriftsatz elektronisch signiert. Die Software habe aber dann die Safe-ID des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein nicht ermittelt. Es seien die Adressen anderer Landesarbeitsgerichte vorgeschlagen worden, obwohl Name und Anschrift richtig im Dokument beschrieben worden seien. Der Vorgang sei mehrfach wiederholt worden, indem der Schriftsatz wieder zurück in den digitalen Dokumentenkorb verschoben und dann erneut in den Versand gegeben worden sei. Auch die Ermittlung der Adresse über die manuelle Sucheingabe sei nicht erfolgreich gewesen. Der Versand über beA sei am 25.2.2021 auch bereits ordnungsgemäß erfolgt, sodass es keinen Anlass für die Vermutung gegeben habe, das Gerät werde versagen.

Eine Versendung über die BeA-Client-Security-Software sei nicht möglich gewesen, da ihr Prozessbevollmächtigter nicht über die hierfür notwendige Zugangskarte verfüge. Eine Versendung über andere Rechner der Kanzlei sei nicht möglich gewesen, da ihr Prozessbevollmächtigter auf diese keinen Zugriff habe und sich kein anderer Rechtsanwalt in der Kanzlei befunden habe.

Nach mehreren Versuchen, nach Erinnerung des Prozessbevollmächtigten ca. sieben bis acht, sei dann um 0:15 Uhr die Zustelladresse des Landesarbeitsgerichts erkannt und der Schriftsatz sofort über das beA versendet worden. Eine Verzögerung durch die verspätete Übersendung sei ausgeschlossen.

Diesen Sachvortrag hat der Prozessbevollmächtigte anwaltlich versichert.“

I.Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Wenn die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Allerdings darf man sich hierbei nicht in Widersprüche verstricken:

„Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen das Fristversäumnis beruht, und auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist.“…“ Sprechen die Umstände für ein Vertreterverschulden, steht bereits die nicht ausschließbare Möglichkeit des Verschuldens der Gewährung der Wiedereinsetzung entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Anwalt, der eine Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum letzten Tag ausschöpft, wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen.“

II.Darlegungslast bei technischen Problemen

Hier nimmt das Gericht Bezug auf die bei einem „Computerdefekt“ oder „Computer-Absturz“ gestützten Wiedereinsetzungsanträge, nach einer BGH-Entscheidung bedarf es näherer Darlegungen zur Art des Defekts und seiner Behebung. Es wird weiterhin Bezug genommen auf ein auf einem technischen Defekt beruhendes Spontanversagen eines Faxgerätes.

Das Gericht führt aus:

„Überträgt man diese Grundgedanken der Rechtsprechung auf den hier vorliegenden Fall einer gescheiterten Versendung aus dem beA hat die Klägerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihren Prozessbevollmächtigten kein schuldhaftes Verhalten trifft. Es besteht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass den Prozessbevollmächtigten kein Verschulden trifft. Die Möglichkeit, dass ein Fehler in der Bedienung des Programms vorliegt, ist mindestens so wahrscheinlich wie das von der Klägerin behauptete spontane Auftreten eines Softwarefehlers, der sich nach ca. einer halben Stunde ohne weitere Maßnahmen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin von selbst behoben hat.“

III.Bedienfehler ist wahrscheinlich

Das Gericht empfiehlt Screenshots:

„Objektive Angaben zu den Eingaben in das Programm fehlen. Ein Screenshot ist nicht vorgelegt, der durch Anzeigen der Bildschirmoberfläche die Eingaben des Prozessbevollmächtigten und die Reaktion der Software belegt. Die Erstellung eines Screenshots hätte jedenfalls, wenn der Prozessbevollmächtigte den Vorgang sieben- bis achtmal wiederholt hat, auch nahegelegen, um die Fehlerhaftigkeit der Software zu dokumentieren. Auch eine sonstige Auswertung der Metadaten des Programms in der fraglichen Zeit liegt nicht vor. Hierüber könnte unter Umständen ebenfalls festgestellt werden, warum die Adresse des LAG Schleswig-Holstein nicht ermittelt werden konnte. So kann letztlich nicht festgestellt werden, warum die Versendung der Berufungsbegründungsfrist gescheitert ist.“

IV.Software repariert sich nicht von selbst

Dem Gericht ist beA nicht aus eigener Bedienung vertraut. Dennoch geht das Gericht davon aus, dass ein Bedienfehler vorliegt:

„Aus Sicht des Gerichts ist ein Bedienfehler überwiegend wahrscheinlich. Nach eigenem Vortrag der Klägerin hat das beA ihres Prozessbevollmächtigten am selben Tag bereits vor der Versendung dieses Berufungsbegründungsschriftsatzes funktioniert. Das ist in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ausdrücklich ausgeführt. Auch nach Auftreten des Fehlers ist die Versendung ordnungsgemäß erfolgt. Daher ist der Berufungsbegründungsschriftsatz ja um 0:23 Uhr beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Ausführungen dazu, dass irgendwelche Änderungen in den Systemeinstellungen oder sonstige Maßnahmen ergriffen wurden, um den Fehler zu beheben, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass eine Software sich ohne weiteres Zutun von selbst repariert. Wesentlich näher liegt hier die Annahme eines Fehlers bei der Eingabe. Für ein „Spontanversagen“ gibt es keine plausible Erklärung.“

V.Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten

Das Gericht geht davon aus, dass ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten vorliegt:

„Daneben kommt ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten auch deswegen in Betracht, weil er nicht rechtzeitig Vorsorge getroffen hat, dass der Versand an das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein auch an jenem Tag gewährleistet war. Entsprechend den Ausführungen des Bundesgerichtshofs … dürfte es jedenfalls dann, wenn ein Schriftsatz unmittelbar vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist versendet werden soll, zu den gesteigerten Sorgfaltsanforderungen an den Prozessbevollmächtigten gehören, sich über das ordnungsgemäße Funktionieren des Versands per beA und insbesondere die Adressfindung rechtzeitig zu kümmern.“

VI.Fehlende Zugangskarte des Prozessbevollmächtigten zum beA

Offen ließ das Gericht die Frage der angeblich nicht vorhandenen beA-Karte:

„Ob ein weiteres Verschulden nicht auch darin liegt, dass der Prozessbevollmächtigte nicht über eine eigene Zugangskarte zum beA-System verfügt, sondern sich insoweit vollständig auf die Software verlassen hat, bedarf hier keiner Entscheidung.“

Praxistipp:

Jeder Rechtsanwalt benötigt mindestens eine beA-Karte Basis, um sich erstmalig am beA zu registrieren. Anwaltssoftwarehersteller verwenden häufig beA-Softwarezertifikate, um den Abruf von Nachrichten zu automatisieren. In einem solchen Fall hätte der Prozessbevollmächtigte sich m.E. mit seiner beA-Karte Basis in das Web-beA einloggen und einen Versand des Schriftsatzes unmittelbar über die Webanwendung durchführen müssen.

Das Gericht hat die Revisionsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil zur Frage der Wiedereinsetzung bei einem gescheiterten Versand eines Schriftsatzes aus dem beA heraus bislang keine höchstrichterlichen Entscheidungen vorliegen.

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