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LAG München: Keine Berücksichtigung des Fremdgeschäftsführers beim Schwellenwert der sog. Kleinbetriebsklausel

1. Geschäftsführer werden regelmäßig auf der Grundlage eines Dienstvertrages und nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Auch im Kündigungsrecht wird bei Übertragung von Aufgaben an den Geschäftsführer dieser nicht als Arbeitnehmer angesehen.

2. Auch aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich nicht, dass Geschäftsführer als Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Schwellenwert des § 23 KSchG mitzuzählen sind.

3. Die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft verbietet sich bereits aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG und aus der Entscheidung des BAG (9 AZB 23/18) wonach ein Geschäftsführer eine arbeitgeberähnliche Person ist.

[Redaktionelle Leitsätze]

LAG München, Urt. v. 9.7.2020 – 7 Sa 444/20

I. Der Fall

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und dabei über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes.

Neben den beiden Fremdgeschäftsführern waren bei der Beklagten zu dem Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung insgesamt 8,5 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger hat sich dennoch darauf berufen, dass das Kündigungsschutzgesetz anwendbar sei und dass auch die Geschäftsführer als Arbeitnehmer zu berücksichtigen seien. Zudem sei die Kündigung sozial ungerechtfertigt gemäß §§ 1 Abs. 1, 2 KSchG. In jedem Fall werde durch die gleichzeitige Neueinstellung einer Arbeitnehmerin im gleichen Aufgabengebiet gegen das nach Art. 12 GG gebotene Mindestmaß sozialer Rücksichtnahme verstoßen.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab und verwies darauf, dass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mangels entsprechender Beschäftigtenzahl bei der Beklagten nicht anwendbar gewesen sei, und dass sich eine Unwirksamkeit der Kündigung auch nicht aus einem gebotenen Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme nach §§ 138, 242 BGB ergeben habe (ArbG München, Urt. v. 5.3.2020 – 33 Ca 7766/19).

II. Die Entscheidung

Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das LAG bestätigte die Auffassung des ArbG, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mangels entsprechender Beschäftigtenzahl bei der Beklagten das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar und dass die Kündigung auch nicht treu- oder sittenwidrig sei. Die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst.

Entgegen der Ansicht des Klägers unterliege die streitgegenständliche Kündigung nicht dem Prüfungsmaßstab nach dem Kündigungsschutzgesetz, denn dieses komme nicht zur Anwendung, da bei der Beklagten nicht mehr als 10 Personen beschäftigt seien (§ 23 Abs. 1 S. 3 KSchG).

Die beiden Fremdgeschäftsführer der Beklagten seien keine Arbeitnehmer. Für die Bejahung bzw. Nichtbejahung einer Arbeitnehmereigenschaft sei es sachgerecht und auch konsequent die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG heranzuziehen, wonach die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nicht in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, gelten mit der Folge, dass die beiden Fremdgeschäftsführer der Beklagten nicht als Arbeitnehmer zu gelten haben. Eine andere Betrachtungsweise würde einen nicht zu begründenden Wertungswiderspruch zur Folge haben, denn es wäre inkonsequent einerseits einem Fremdgeschäftsführer einen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, wie gesetzlich geregelt, zu verneinen, zum anderen aber diese Person ohne Kündigungsschutz bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG miteinzubeziehen.

Diese Wertung finde auch seine Bestätigung in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.1. 2019 – 9 AZB 23/18. Hiernach gelte, dass die als Fremdgeschäftsführer geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik nicht mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar seien. Dies ergebe sich aus der mit ihrem Amt verbundenen Rechtsstellung. Der Geschäftsführer einer GmbH verkörpere als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft (§ 35 Abs. 1 GmbHG) den Arbeitgeber. Er nehme Arbeitgeberfunktionen wahr und sei deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgebergleiche Person im Fall des Fremdgeschäftsführers jedenfalls aber eine arbeitgeberähnliche Person. Durch die gesetzlichen und nach außen nicht beschränkbaren Vertretungsbefugnisse unterscheide sich der Geschäftsführer einer GmbH grundlegend von anderen leitenden oder nicht leitenden Arbeitnehmern.

Die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses der beiden Fremdgeschäftsführer mit der Beklagten habe der Kläger im Übrigen auch nicht schlüssig dargelegt. Ein Arbeitsverhältnis unterscheide sich von einem Dienstverhältnis durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Nach § 611a Abs. 1 BGB sei Arbeitnehmer, wer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht könne Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden sei, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hänge dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Der Geschäftsführer einer GmbH werde für diese in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Sein Dienstvertrag sei auf eine Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramts gerichtet. Dies gelte unabhängig davon, ob der (Fremd-)Geschäftsführer einen starken Anteilseigner oder einen weiteren Geschäftsführer neben sich hat, der die konkrete Geschäftstätigkeit bestimmend mitgestaltet. Es komme insoweit nicht entscheidend darauf an, welchen Gebrauch der GmbH-Geschäftsführer im Innenverhältnis nach § 37 Abs. 1 GmbHG von seiner im Außenverhältnis wegen §§ 35, 37 Abs. 2 GmbHG unbeschränkten Vertretungsbefugnis machen darf. Ein Arbeitsverhältnis setze voraus, dass die Gesellschaft eine – über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende – Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände hat, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen habe, und die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung durch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen bestimmen könne und solche Umstände habe der Kläger zum Vertragsverhältnis der Fremdgeschäftsführer mit der Beklagten aber nicht vorgetragen.

Aus der Rechtsprechung des EuGH ergebe sich ebenfalls nicht, dass im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer mitzuzählen wären. Bei der Frage der Arbeitnehmereigenschaft nach § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG sei vom allgemeinen nationalen und nicht vom unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff auszugehen. Die Frage des Zugangs zu den Gerichten für Arbeitssachen und der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der nationalen Gerichte falle nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Das Arbeitsgerichtsgesetz basiere nicht auf Unionsrecht und setze dieses nicht um. Gleiches habe für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes in Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerbegriff bei § 23 Abs. 1 KSchG zu gelten, denn auch das deutsche Kündigungsschutzgesetz falle nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts und § 23 KSchG liege keine unionsrechtliche Bestimmung zugrunde.

Auch soweit sich der Kläger darauf berufe, dass ein Fremdgeschäftsführer deswegen als Arbeitnehmer zu gelten habe, da seine Beschäftigung sozialversicherungspflichtig sei, gehe dies ins Leere; es sei seit jeher anerkannt, dass der Beschäftigtenbegriff nach § 7 Abs. 1 SGB IV und der Arbeitnehmerbegriff nicht identisch sind und zwei rechtlich selbständige Institute darstellten (BAG, Urt. v. 25.2.1999 – 3 AZR 113/97).

Die streitgegenständliche Kündigung erweise sich schließlich auch nicht nach dem Prüfungsmaßstab von §§ 138, 242 BGB als unwirksam.

III. Der Praxistipp

Die Entscheidung des LAG München ist so konsequent wie richtig. Sie führt die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fort, wonach Fremdgeschäftsführer in der Regel und ohne Vorliegen besonderer Umstände keine Arbeitnehmer, auch nicht im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG, sind. Die Entscheidung zeigt anschaulich, den jeweiligen Prüfungsmaßstab und kommt richtigerweise auch zu dem Schluss, dass bei der streitgegenständlichen Frage der nationale und nicht der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zu grundzulegen ist.

Dr. Jannis Kamann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln

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